Schlimmer geht immer: So war 2019!
Drag Queen Jurassica Parka lässt einige der queeren Themen und Aufreger des Jahres 2019 noch einmal Revue passieren: von „Queen of Drags” bis hin zum Chaos beim Personenstandsrecht
Meine lieben, willkommen zu meinem Rückblick 2019 – ein kompliziertes Jahr liegt hinter uns. Ein paar Themen möchte ich für euch aufbereiten, es geschah so viel skurriles. Beginnen wir mit was Seichtem, um reinzukommen: Casting-Uschi Heidi Klum als Moderatorin des Formats „Queen of Drags”, eine Kopie von „RuPauls Drag Race" auf Pro7. Kurzer Fun-Fact: Zu meinen TV-Praktikumszeiten vor 20 Jahren hießen Kopien „Me Too-Produkt”, sicherlich wird dieser Begriff nicht mehr verwendet. Viele fanden Heidi als Host einer Sendung über Drag ziemlich beschissen. Somit starteten Margot Schlönzke und Ryan Stecken eine Petition gegen die TV-Show. Sämtliche Gazetten der Republik berichteten umgehend und boten nahezu jeder deutschen Drag Raum für Kommentare. Mich eingeschlossen. Ob das Sichtbarkeit förderte oder nur super Promo für Pro7 war – niemand wird das je rausbekommen. Der Drops ist auch gelutscht.
Am Tod von Karl Lagerfeld arbeitete man sich auch ab. Viele wertschätzten natürlich seine Arbeit. Zurecht. Aber war da nicht noch was? Stimmt, zu Lebzeiten ließ der ziemlich üble sexistische und rassistische Kommentare ab. Posthum war es DAS Thema. Bestimmt musste Facebook auf seiner Farm einen Server dazu stellen, denn Social Media lief heiß. Meine Meinung: Ich finde es schade, dass das künstlerische Schaffen einer Person oft mit dem echten Menschen dahinter aufgewogen wird. Aber der lässt sich ja nicht vermeiden, dieser echte Mensch. Naja.
Ich bleibe kurz bei alten weißen Männern. Die Journalisten Jan Feddersen und Elmar Kraushaar mussten sich mal ihren Frust von der Seele schreiben. Feddersen erfand z. B. den Begriff „Queergida“. Dabei handelt es sich um eine angeblich existierende „queere Community", die, laut Feddersen, schwulen Männern ihre Identität verbieten und sowieso alle Geschlechter gleich auflösen möchte. Blablub. Da höre ich schon Alice Weidel geifernd „Gender-Gaga” brüllen. Queergida ist zudem eine widerliche Wortschöpfung, mit der Pegida verharmlost wird. Herr Kraushaar arbeitete sich derweil an Lesben ab. Die haben nämlich damals die SIEGESSÄULE gekapert und queer gemacht – man kann einfach nirgendwo mehr richtig schwul sein! Das ganze mutierte mal wieder zu einer Riesendiskussion. Dabei ging es aber hauptsächlich (und das ist so 2019) um gefühlte Wahrheiten und ganz viel WhatAboutIsm. Menschen, die sich lustvoll als Opfer inszenieren, halte ich nicht aus.
Ganz nebenbei: Der beste alte weiße Mann war 2019 eindeutig AKK, aus vielerlei Gründen. Aber da habe ich keine Lust drüber zu schreiben. AKK-Diskussionen halten ganze Serverfarmen in Betrieb, da mache ich nicht mit. Wo soll denn auch bitte das ganze CO2 hin?
Was sonst noch geschah? Ach ja, die Konversionstherapie wird verboten, mit der die Sexualität oder Geschlechtsidentität einer Person „umgepolt“ werden soll. Das gilt aber nur für „Behandlungen“ von Personen unter 18 Jahren. Der LSVD empfiehlt das Verbot bis zu einem Alter von 26 Jahren. Meinetwegen dürfte der ganze Scheiß komplett verboten werden.
Außerdem gab es Chaos beim Personenstandsrecht – der Umgang mit der „Dritten Option” war erstmal zu komplex für das von der CSU geführte Innenministerium, die haben das alles nicht ganz verstanden. Aber der Reihe nach: Zu Jahresbeginn wurde der neue Geschlechtseintrag „divers“ eingeführt, der aber laut Innenministerium nur inter* Personen mit einer bestimmten medizinischen Diagnose offenstehen sollte. So steht das aber gar nicht im Gesetz und so wäre es auch nicht verfassungskonform. In der Praxis konnten dementsprechend auch trans* Personen die Regelung nutzen, um im Vergleich zum beschissenen „Transsexuellengesetz“ auf relativ einfachem Wege (es genügt eine Bescheinigung von der Ärzt*in und ein Gang zum Standesamt) ihren Geschlechtseintrag in männlich, weiblich oder divers ändern zu lassen.
Die Union bekam allerdings davon Wind. Und wie reagierte man darauf? Erst mal wurde versucht per Interview in der Presse Inter* gegen Trans* aufzuhetzen. So richtig funktioniert hat das glücklicherweise nicht. Leider war die darauf folgende Strategie des Innenministeriums erfolgreicher: Es wurde unter anderem Verwirrung bei den Standesämtern angerichtet und Drohungen gegen Ärzt*innen ausgesprochen. Getreu dem Motto: Schlimmer geht immer!
Also kommen wir lieber zu guten Nachrichten. Die gab es tatsächlich auch: Der Verein RuT hat eine weitere Chance bekommen, sein bundesweit einmaliges Lesbenwohnprojekt umsetzen zu können. Zwar weder in dem ursprünglich geplanten Umfang noch auf dem Gelände der Schöneberger Linse (darum gab es ja 2018 eine kräftezehrende Schlammschlacht mit der Schwulenberatung), dafür aber in der Berolinastraße in der Nähe vom Kino International. Ich drücke ganz fest die Daumen, dass die Umsetzung klappt.
Doch während an einigen Stellen in Berlin neues entsteht, mussten wir uns 2019 von mehreren Locations verabschieden: Ludwig, Moritz Bar, Hardies Kneipe, UnterTage … und auch beim Club KitKat könnte es eng werden. Toll hingegen: der Hafen wurde nicht geschlossen! Die große Solidarität der vielen Stammgäste mit der Kneipe in der Motzstraße zeigte Wirkung.
Mal gucken, was uns 2020 bringt. Zum Beispiel könntest du dir angewöhnen, dich einfach bei Menschen zu bedanken. So zwischendurch. Für eine gute Idee oder ein tolles Gespräch oder dass jemand was richtig gut hinbekommen hat. Nicht aus Höflichkeit! Dann lass es. Wenn du das aber wirklich meinst, dann teile es. Ein bisschen Wertschätzung ist fast wie Zauberei und so einfach. Nimm dir das mal für 2020 vor. Und mehr Sekt. Guten Rutsch.
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