Ausstellungskritik

Rosarote Scheuklappen: Sonderausstellung „Prinzip Held*“

15. Okt. 2024 Florian Bade
Bild: Ralf Heldenmacher + MHMBW Flugplatz Berlin-Gatow
Außenansicht der Sonderausstellung „Prinzip Held*“ in Berlin Gatow

In der Sonderausstellung „Prinzip Held*“ im Militärhistorischen Museum in Berlin Gatow blickt die Bundeswehr scheinbar gesellschaftskritisch auf die Figur des Helden beziehungsweise der Heldin. Aber die selbstreflektierte Auseinandersetzung mit der Homophobie in den eigenen Reihen bleibt aus

Tritt man in den zugigen Hangar 5 des Militärmuseums, der extra für „Prinzip Held*“ ausgemistet wurde, wird man von der schieren Fülle der Exponate fast erschlagen: 44 Stationen von exemplarischen Berühmtheiten zum Anfassen, Zuhören, Begehen, die von einem Kurator*innen-Team der Bundeswehr und dem deutsch-schweizerischen Künstler*innen-Kollektiv Rimini Protokoll ausgewählt wurden. „Es geht darum, den Prozess der Heldwerdung deutlich zu machen und nicht einfach hinzunehmen, dass ein Held automatisch ein Held ist“, erklärt Gerrit Reichert, Pressekoordinator der Ausstellung.

Der publiken Präsentation gingen 12 Jahre Forschungsarbeit an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg voran. Wissenschaftler*innen fanden dabei heraus, was es in der Geschichte der Menschheit immer wieder brauchte, um Normalsterbliche zu Held*innen hochzustilisieren.

Ist das etwa ein kritischer Umgang des männerdominierten Militärs mit toxischer Männlichkeit? Wünschenswert, aber bei genauerem Hinschauen offenbaren sich Schwachstellen. An der Station von Katharina der Großen erklärt Herr Reichert, wie die Ausstellung den tradierten Sexismus des männlichen Heldennarrativs hinterfragt: „Katharina die Große ist für mich so eine typische Heldenfigur. Sie reitet ein Pferd, das sonst nur Männer geritten haben und trägt männliche Uniformen. In der Ausstellung wird also gezeigt, wie bewusst diese Inszenierung war, wie relativ die Zuordnungen sind.”

Neben weiteren Heldinnen wie Rosa Parks und Greta Thunberg haben auch queere Ikonen ihren Weg in die Ausstellung geschafft. Öffnet man einen blauen Metall-Spint, scheppert Queen über die hypermaskulinen Zeichnungen von Tom of Finland auf Postern, Tassen, T-Shirts und Socken. Es ist von Empowerment und von Lockmimikry die Rede. Der Audio-Beitrag spielt nicht ab, „technische Probleme“, heißt es.

Bild: Kevin Clarke
Zeichnungen von Tom of Finland bei „Prinzip Held*“

Queerness bleibt meist unerwähnt

Beim schwulen Dichter Stefan George und dem nicht-so-straighten Alexander der Großen wird Queerness explizit nicht erwähnt. Auf kritische Nachfrage verteidigt Reichert: „Kein Exponat hat den Anspruch auf Vollständigkeit. Und kein Fall ist undiskutierbar. Diese Ausstellung ist eben nicht wie ein Held etwas, was starr steht und unabänderlich ist, sondern ein Angebot, um dem Publikum zu überlassen, in welchem Maße stimme ich dem zu.”

Zustimmung abgelehnt. Dass queere Menschen nicht immer als solche gelabelt werden müssen, könnte als progressive Bemühung verstanden werden. Aber sollte sich nicht gerade die Bundeswehr, die immer noch mit Queeren auf Kriegsfuß steht, dem Thema Homophobie nicht mehr annehmen? Diese Frage empfindet Reichert als Unterstellung. „Diese Einstellung gehört der Vergangenheit an. Bei der Bundeswehr, genauso wie auch allgemeingesellschaftlich, ist dieses Thema wirklich aufgebrochen. Es gibt natürlich immer noch Inseln. Aber für die Bundeswehr gilt, was insgesamt gesamtgesellschaftlich gilt. Diesbezüglich liegt keine Stigmatisierung und keine Ausgrenzung mehr vor.” Eine gewagte und vor allem realitätsferne Behauptung. Nur weil die rechtliche Lage sich für einige von uns gebessert hat, ist die Bedrohung für die Betroffenen nicht passé.

Laut Bundeskriminalamt stiegen gesamtgesellschaftlich 2023 die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr um 49 Prozent bei Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung und um 105 Prozent aufgrund von Gender-Identität. Innerhalb der Bundeswehr denke man an den Fall der Offizierin Anastasia Biefang, die 2022 aus transfeindlichem Motiv disziplinarisch geahndet wurde, weil sie privat auf Tinder nach Sex-Dates gesucht hatte. In der MDR-Reportage „Schwul in Uniform“ aus demselben Jahr kamen zwei schwule Soldaten – aus Angst vor Repressalien – anonym zu Wort und attestierten der Bundeswehr ein massives Homophobie-Problem.

„Die selbstgenügsamen rosaroten Scheuklappen der Bundeswehr-Kavallerie müssen ab.“

Fazit: Die selbstgenügsamen rosaroten Scheuklappen der Bundeswehr-Kavallerie müssen ab. Die aufwändig inszenierte Ausstellung „Prinzip Held*“ lohnt sich trotz allem, aber eine ernsthafte Aufarbeitung besonders in puncto LGBTIQ* wäre gerade von Seiten der Bundeswehr unabdinglich gewesen. Mit pink-washenden Prinzipien geben wir uns nicht zufrieden.

„Prinzip Held*“
21.06–03.11.
Militärhistorisches Museum Berlin-Gatow
mhm-gatow.de

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