Rest in Power, Ruth Bader Ginsburg
Trans*aktivistin und Juris Dr. Michaela Dudley gedenkt in ihrem Nachruf der bedeutenden US-amerikanischen Juristin Ruth Bader Ginsburg, die sich für Frauen- und LGBTI*-Rechte stark machte
Die US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg, die letzten Freitag ihren jahrelangen Kampf gegen den Krebs verlor und im Alter von 87 Jahren in Washington starb, war knapp 1,55 Meter groß. Doch sie war eine gigantische Persönlichkeit, die Millionen von Amerikaner*innen in ihr Herz geschlossen hatten.
So wundert es nicht, dass sich Tausende Bürger*innen spontan in der Hauptstadt sammelten und gemeinsam trauerten, während sie Lieder wie „Amazing Grace“, „Imagine“ und „We Shall Overcome“ mit einem Kloß im Hals sangen. Frauenrechtler*innen und Aktivist*innen waren auch mit dabei. Denn Ginsburg wurde verehrt als eine feministische Ikone und als eine Freundin der queeren Community, auf die man sich verlassen konnte.
Die Trauerenden erschienen vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, wo Ginsburg seit 1993 als beisitzende Richterin tätig gewesen war und sich als Mitglied des linken Flügels einem Namen bzw. einen Spitznamen verdient hatte. Sie war „RBG“ bzw. – in Anlehnung an den Rapper Notorious BIG – „Notorious RBG“. Die Berüchtigte. Ausgerechnet ihre Fans nannten sie so, und die rechtskonservativen Gegenspieler*innen Ginsburgs erhoben dagegen keine Einsprüche.
Ihre Stimme war ausschlaggebend
Ruth Bader Ginsburg erwies sich als hartnäckige Kämpferin. Und ihre sanfte, sachliche und sehr fokussierte Stimme war sowohl numerisch als auch inhaltlich oft ausschlaggebend. Beispielsweise im Fall Lawrence v. Texas aus dem Jahre 2003 vertrat sie die Mehrheitsmeinung, wodurch die Sodomiegesetze in Texas, die einvernehmlichen Analverkehr zwischen erwachsenen Männern unter Strafe stellten, gekippt wurden. Diese Entscheidung führte dazu, dass die Sodomiegesetze in allen US-amerikanischen Bundesstaaten, in denen diese bis dahin noch bestanden, für verfassungswidrig erklärt wurden.
2015 in dem nicht minder grundlegenden Fall Obergefell v. Hodges vertrat sie ebenfalls die Mehrheitsmeinung, wodurch das Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließungen landesweit garantiert wurde. Sie stimmte weiterhin mit der Mehrheit, als jüngst im Juni dieses Jahres mit dem Urteil im Fall Bostock v. Clayton County die Rechte von LGBTI*-Personen ausdrücklich bestätigt und diese vor Diskriminierung am Arbeitsplatz geschützt wurden.
Kämpferin gegen geschlechtliche und sexuelle Diskriminierung
Geboren wurde Ruth Bader Ginsburg 1933 in Brooklyn als Joan Ruth Bader in eine jüdische Familie. Ihre Eltern waren österreichisch-russischer Abstammung. Sie selbst waren wenig gebildet und bestanden darauf, dass ihre Tochter zumindest einen High-School-Abschluss erwirbt. Ruth Bader Ginsburg brachte es sogar auf die Elite-Universitäten Cornell und danach Harvard, wo sie beim Jurastudium eine von neun Studentinnen unter gut 500 männlichen Kommilitonen war.
Auch wenn sie währenddessen als junge Mutter für ihr Kind und ihre krebskranken Gatten sorgen musste, gelang es ihr, ihr Studium 1959 mit Bestleistungen abzuschließen. Allerdings war keine Kanzlei in der liberalen Metropole New York bereit, eine Anwältin als Kollegin aufzunehmen. Eine Erfahrung, die wohl mitverantwortlich dafür war, dass sie zu einer unermüdlichen Kämpferin gegen geschlechtliche und sexuelle Diskriminierung wurde.
Es dauerte, bis erste Früchte dieses Kampfes zu erkennen waren. 1981 wurde die erste Richterin am Obersten Gerichtshof vereidigt: Sandra Day O’Connor. Erst 1993 kam Ginsburg dazu. Mittlerweile dienen Sonia Sotomayor (seit 2009) und Elena Kagan (seit 2010) in dem traditionell neunköpfigen Gremiun.
Niemand kann sie ersetzen
Mit ihrem Tod hinterlässt sie eine riesige Lücke. Eine Lücke, die Donald Trump am Oberen Gerichtshof unbedingt füllen will, und zwar noch vor dem Wahltag am 3. November 2020.
Laut Angaben ihrer Enkelin habe die geschätzte Verfassungsrechtlerin kurz vor ihrem Ableben den dringenden Wunsch geäußert, „dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident eingeführt wird“. Alle Zeichen deuten freilich darauf hin, dass Trump, nun in der heißen Phase des Wahlkampfes, ihren Willen nicht respektieren will.
Das hatte sie wohl geahnt: In den letzten Jahren war sie mehrfach ernsthaft erkrankt und entschied sich dennoch dafür im Dienst zu bleiben. Sie wusste, was in der auf Rollback bedachten Präsidentschaft Trumps auf dem Spiel stand. Gemäß der US-Verfassung dienen Richter*innen des Obersten Gerichtshofes tatsächlich auf Lebenszeit, und dieses Privileg, diese Pflicht nahm Ginsburg sehr ernst. Trump mag ihre Nachfolger*in durchboxen können, aber niemand kann sie ersetzen.
Rest in Peace, Ruth Bader Ginsburg. Rest in Power.
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