Interview mit Rainer Teuber vom Bistum Essen

Reaktionen auf #OutInChurch: „Pink-Washing“ oder tatsächlicher Reformwille?

7. Feb. 2022 Carsten Bauhaus
Bild: Michael Heinz

Wir sprachen mit Rainer Teuber von der Initiative #OutInChurch über die Reaktionen in der katholischen Kirche auf die große Coming-out-Aktion und inwieweit er weitreichende Reformen für möglich hält

Vor gut zwei Wochen outeten sich im Rahmen der Initiative „#OutInChurch. Für eine Kirche ohne Angst“ 125 queere Mitarbeiter*innen im Dienst der katholischen Kirche. Ihr Ziel: Alle LGBTIQ* sollen mit ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität offen in der katholischen Kirche leben und dort auch ohne Angst vor dienstrechtlichen Konsequenzen arbeiten können.

Die Reform-Forderungen der Initiative lösten ein breites Medienecho aus, es gab zahlreiche positive Reaktionen auch aus der katholischen Kirche. Bei der am Samstag zu Ende gegangenen Versammlung des Synodalen Weges votierte eine Mehrheit der Teilnehmer*innen in Fragen wie der Öffnung des Priesteramtes für Frauen oder einer „Neubewertung der Homosexualität“ für Veränderungen.

Doch bedeutet dies wirklich eine Erneuerung der Kirche? SIEGESSÄULE bat Rainer Teuber vom Bistum Essen, der seit 1996 in der katholischen Kirche arbeitet, zum Gespräch

Herr Teuber, von wem ging die Kampagne #OutinChurch aus? Die Initiative wurde von Jens Ehebrecht-Zumsande aus Hamburg und Pfarrer Bernd Mönkebüsche aus Hamm gestartet. In Februar 2021 haben wir uns mit vielen anderen das erste Mal über Zoom getroffen und dann innerhalb eines Jahres diese wunderbare Kampagne auf die Beine gestellt.

Was wurde in diesem Rahmen bisher erreicht? Durch einen glücklichen Zufall sind wir mit dem Filmemacher Hajo Seppelt in Kontakt gekommen und konnten die ARD-Doku „Wie Gott uns schuf“ realisieren, die am 24. Januar ausgestrahlt wurde. Zeitgleich ist unsere eigene Website outinchurch.de an den Start gegangen. Unser Manifest und unsere Kernforderungen sind dort in 14 Sprachen abrufbar. Im Mai wird es dann noch eine ergänzende Buchveröffentlichung geben, mit Beiträgen von queeren Menschen, Theologen und Kirchenrechtlern. 

„Wir sind im Moment sehr vorsichtig, weil es sich möglichweise um 'Pinkwashing' handeln könnte“

Welche Reaktionen gab es bisher und wie beurteilt ihr diese? Die Reaktionen sind in der breiten Öffentlichkeit bisher überwältigend. Mit diesem immensen Medienecho hätten wir nicht gerechnet. Positive Äußerungen kamen auch von Bischöfen und Generalvikaren, die die Kampagne ausdrücklich begrüßten. Allerdings verwundert uns manches ein wenig, denn wir sind schon sehr erstaunt, wie viele Freunde queere Mitarbeiter*innen auf einmal bei Vertretern der Kirche haben. Da sind wir im Moment sehr vorsichtig, weil es sich möglichweise lediglich um „Pinkwashing“ handeln könnte – auch, um von anderen schwelenden Problemen abzulenken. Wir warten also gespannt ab, ob den freundlichen Worten dann auch tatsächlich Taten folgen werden.

Zur Zeit mehren sich die Reformvorschläge in der katholischen Kirche. Kardinal Marx hat gerade die Abschaffung des Pflichtzölibats gefordert. Es passiert jetzt gerade ganz viel. Möglicherweise kommt es zu Reformen. Gerade ist in Frankfurt die dritte Versammlung des Synodalen Wegs zu Ende gegangen. Drei Menschen aus unserer Gruppe sitzen dort mit am Tisch. Zudem war unsere Initiative dort mit einem riesigen Banner präsent. 

„Die Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Wegs obliegt den einzelnen Bistümern, so dass ein Flickenteppich zu befürchten ist“

Gibt es denn tatsächlich Chancen auf Veränderungen? Die Hoffnungen sind natürlich groß. Aber erstmal muss man abwarten, wie die Ergebnisse der Synodalversammlung konkret umgesetzt werden. Viele Dinge kann der Synodale Weg für die Kirche in Deutschland selbst gar nicht entscheiden, da letztendlich grünes Licht aus Rom erforderlich ist. Und dann obliegt die Umsetzung der Beschlüsse letztlich immer noch den einzelnen Bistümern, so dass ein Flickenteppich zu befürchten ist. Für uns heißt das: Dran bleiben!

Wie war Ihr eigener Werdegang? Ich arbeite seit 1996 für die katholische Kirche und bin am Essener Dom und seiner Schatzkammer für die Museumspädagogik zuständig. Ich bin katholisch getauft und aufgewachsen, bin bis heute festes Mitglied der katholischen Kirche, mit all den Dingen, die dazu gehören. Ich engagiere mich in der Kirche, zweifele und hadere aber auch mit der Institution. Aber ich habe hier im Bistum Essen nach meinem Coming-Out vor zwei Jahren keine dienstrechtlichen Einschränkungen erfahren. 

„Gelebte Homosexualität ist laut Katechismus nach wie vor eine schwere Sünde“

Warum ist es immer noch so schwer, sich in der Kirche zu outen? In der katholischen Glaubens- und Sittenlehre ist gelebte Homosexualität laut Katechismus nach wie vor eine schwere Sünde. Neue Erkenntnisse der Theologie und der Humanwissenschaften werden hier nicht berücksichtigt.

Zum Schluss eine etwas ketzerische Frage: Warum wechseln queere Katholiken nicht einfach zu den Protestanten, wo die Sexualmoral doch eine etwas andere ist? Das ist tatsächlich eine etwas ketzerische Frage. Die muss natürlich letztlich jede*r Einzelne für sich beantworten. Für mich kommt ein Wechsel nicht in Frage, weil es ja, obwohl wir alle an denselben Gott glauben, einige Unterschiede in theologischen Fragen und der Praxis der Glaubensausübung gibt. Natürlich ist die evangelische Kirche in vielen Dingen weiter. Aber auch da weiß ich, dass die Umsetzung von Reformen immer von Menschen abhängt, so dass auch dort noch längst nicht alles umgesetzt ist. 

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