Strategien statt Muskelkraft

„Queerschutz Now“: Tipps zur Selbstverteidigung

21. Dez. 2022 Amanda Beser
Bild: Travestie für Deutschland

Wie sollten sich LGBTIQ* in Situationen, in denen sie angegriffen werden, verhalten? Selbstverteidigungsexpertin Valerie Banik gibt ein paar nützliche Tipps

Seit November haben LGBTIQ* die Möglichkeit im SchwuZ Selbstverteidigungskurse unter dem Namen „Queerschutz Now!“ zu belegen – eine Kooperation von Travestie für Deutschland, SchwuZ, dem Jugendclub Q*ube sowie dem Bildungs- und Sozialwerk des LSVD Berlin-Brandenburg. Durchgeführt werden die zweitägigen Workshops von den Selbstverteidigungsexpertinnen Valerie Banik und Nadine Wothe. Dabei stehen weniger Muskelkraft als sinnvolle Strategien im Vordergrund, um mit Bedrohungssituationen umzugehen.

Selbstbehauptung

Erst einmal geht es für die angegriffene Person darum, eine bestimmte Haltung zu entwickeln. Den Leuten, die mich angreifen, sollte klar gemacht werden: Ich lasse mich nicht einschüchtern. Ich bin handlungsfähig. Ich bin kein Opfer für dich!

„Selbstbehauptung bedeutet zu sehen, wo kann ich für mich einstehen und auch eingreifen. Ja, ich bin betroffen, aber ich kann handeln und ich weiß, was ich zu tun habe“, betont Valerie, die als Trainerin neben Sportmentaltraining und Selbstbehauptungsworkshops auch den Kampfsport Muay Thai betreibt. Wenn eine Person angegriffen wird, solle sie alles daran setzen, die Situation zu verlassen. Gleichzeitig ist es Valerie aber auch wichtig, dass die angegriffene Person lernt, dass sie ein Recht auf Gegenwehr hat.

Sich im Raum orientieren

Selbstverteidigung hat auch viel mit Orientierung zu tun. Laut Valerie ist es wichtig, sich in dem Raum zu orientieren, in dem man angegriffen wird. Umstehende Personen sollten angesprochen und miteinbezogen werden. „In Stresssituationen entwickle ich einen Tunnelblick und kann mich nicht mehr so gut orientieren. Deshalb ist es sehr sehr wichtig, das mit zu trainieren“, sagt Valerie aus Erfahrung.

Sie empfiehlt auch sich die Hände der Angreifer*innen anzuschauen: „Die Person kann eventuell bewaffnet sein oder sie kommuniziert auch mit den Händen.“ Die eigene Aufmerksamkeit sollte geschult werden, sodass ich auch unter schwierigen Bedingungen meine Umgebung scannen und mir einprägen kann: Gibt es Personen, die angesprochen werden können, oder markante Punkte in der Umgebung, zu denen ich mich begeben sollte, weil ich dort besser geschützt bin?

Richtig mit Stress und Angst umgehen

Valerie weist daraufhin, dass Angst zu empfinden auch etwas Gutes sei. Denn Angst funktioniere ähnlich wie Stress als eine Art Warnsystem. „Was passiert unter Stress? Unsere Feinmotorik funktioniert nicht mehr so gut. Wenn ich aber weiß, wie ich unter Angst reagiere und wie mein Körper reagiert, dann ist das schon mal sehr hilfreich“, sagt Valerie.

Wie man mit seiner Angst und mit Stress richtig umgehe, sei ein zentrales Trainingsziel in den Kursen. Denn selbst einfache Strategien des Selbstschutzes – wie sich z. B. in der Bahn in die Nähe der Tür zu stellen, um eine bessere Fluchtmöglichkeit zu haben, oder andere Leute überhaupt wahrzunehmen, die man im Notfall ansprechen und um Hilfe bitten könnte – erweisen sich in Angst- und Stresssituationen als deutlich schwieriger, da der Körper unter solchen Umständen anders als gewohnt reagiert.

Angreifer*innen irritieren

In Situationen, die eine Selbstverteidigung erfordern, können auch Alltagsgegenstände hilfreich sein. „Aber ich muss auch wissen, wie ich damit umgehe“, sagt Valerie. Wenn es dunkel ist, sei zum Beispiel die Taschenlampe ein wichtiges Tool: „Bitte holt euch alle eine! Eine Taschenlampe ist so ziemlich das beste Gadget überhaupt." So könne man zum Beispiel damit die Augen der angreifenden Personen blenden, um sich Zeit für die eigene Flucht zu verschaffen. Es gehe darum, die Angreifer*innen zu irritieren. Das erreicht man zum Beispiel auch mit einem durchdringenden Schrei, der zudem andere Personen in der Umgebung auf die Situation aufmerksam macht.

Nachdem der Angriff vorbei ist: Wie verhalte ich mich richtig?

„Ich finde es suboptimal, die ganze Zeit alleine zu Hause über schlimme Situationen nachzudenken", sagt Valerie. Es sei wichtig nach einem Angriff Freunde zu kontaktieren oder Beratungsstellen mit ins Boot zu holen. Man müsse auch verstehen, dass es sich bei dem Angriff auf die eigene Person nicht um ein persönliches Problem handele, sondern um ein strukturelles. Ob es darum gehe sich nach einem Angriff erst einmal zu beruhigen, sich juristisch beraten zu lassen oder mit der Polizei zu sprechen – man sollte dabei nicht alleine sein.

travestiemachtbeliebt.de/queerschutz-now

Die Kurse finden an jeweils zwei Abenden statt. Anmeldung unter qsn@schwuz.de

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