Queeres Nachtleben in Berlin: Eine Zweiklassengesellschaft?
Steht das queere Berliner Nachtleben wirklich allen offen oder ist es in Corona-Zeiten zur Angelegenheit einer elitären Gemeinde geworden? SIEGESSÄULE-Redakteur Roberto Manteufel kommentiert
Seit ein paar Wochen können unter bestimmten Auflagen endlich wieder Partys stattfinden! Aber heißt das automatisch, dass auch alle mitfeiern können? Keineswegs. Und mit dieser Einschränkung sind nicht die weiterhin geltenden Hygienevorschriften angesichts von Corona gemeint. Es scheint, wer jetzt in der queeren Szene feiern gehen will, muss teils weit mehr als nur negative Testbescheide oder mürrische Türsteher*innen überwinden. So albern es klingt: die Person muss vorab zusätzlich noch eine Weihe erhalten – nämlich jene zum erlauchten Kreis der Eingeweihten zu gehören.
So gingen einige Veranstalter*innen beliebter queerer Feten jüngst dazu über, auf ihren Facebook-Seiten lediglich kryptisch ein Datum zu posten, wie beispielsweise die Crew der „CockTail d‘Amore“ (Termin: 01.08.). Keine weiteren öffentlichen Ankündigungen oder Hinweise bezüglich des Orts, der Zeit oder des Line-ups. Das wirkt geheimniskrämerisch und exklusiv. Ein Hinweis, wie im Falle der „CockTail“, dass man das Team doch bitte direkt per Mail anschreiben solle, um weitere Infos zu erhalten, verstärkten dieses Gefühl.
Auch Chatgruppen bei Signal oder Telegram sind gerade stark in Mode, um Partys zu promoten. In diesen Gruppen erfährt man zum Beispiel erst alle Details der Veranstaltung oder kann sich über diese Gruppe fürs gewünschte Event anmelden, wie es zum Beispiel bei der Pride-Ausgabe der „Riot“ oder der „Brenn.“-Reihe der Fall gewesen ist. Von den vielen illegalen queeren Get-togethers ganz zu schweigen, die über diese Kanäle in den letzten Monaten versuchten, aus der Not eine Party-Tugend zu machen. Wer es nicht in den erlauchten Kreis ihrer Social-Media-Gruppen geschafft hatte, musste halt mit dem heimischen Sofa Vorlieb nehmen.
„Mit weltoffen und queer-solidarisch hat das nichts zu tun."
Klar, die aktuelle Situation erfordert ein striktes Management der Anzahl der Besucher*innen. Dennoch hat speziell diese Art von Handhabung der Situation den Stallgeruch einer elitären Gemeinde, eben einer Auslese. Fremde, Unbekannte, Tourist*innen? Die haben keine Chance. Stattdessen Partys von Freunden für Freunde. Ist natürlich auch okay, aber mit weltoffen und queer-solidarisch – Begriffe, die vor Corona häufig in Zusammenhang mit Berlin als Partyhauptstadt verwendet wurden – hat das leider nichts zu tun. Vielmehr scheint sich im Corona-Nachtleben gerade eine Art Zweiklassengesellschaft herauszubilden und die „Türpolitik“ beginnt bereits, wenn die potenziellen Gäste noch zuhause ihr Wochenende planen. Für Personen, die sich nicht gut genug auskennen bzw. nur wenige Kontakte zur Partywelt haben, wird das Ausgehen zur Mission Impossible.
Dass es so nicht laufen muss, zeigen genügend andere Partys. Da wäre zum Beispiel die queere Reihe „Gegen“, die am 14. August nach langer Pause wieder erstmalig stattfindet. Sie promoted ihre Tickets ganz offiziell und ohne vorherige Selektion auf ihrer Internetseite gegenberlin.com. Eine Vorgehensweise, wie sie auch die legendäre „Pornceptual“ bei ihrer Ausgabe Mitte Juli an den Tag legte und den Ticketlink zu Resident Advisor beim Facebook-Event gleich mit bereitstellte. Viele weitere, vor allem regelmäßige Partys scheuen sich ebenso nicht ihre Veranstaltungen öffentlich und für alle zu bewerben – so wie es einst selbstverständlich war. Sei es zum Beispiel die Electro-Party „Up“ der „Revolver“-Crew, die jeden Sonntag auf der Dachterrasse des Weekends stattfindet, Chantal mit ihrem „House of Shame“, das seit dem 29. Juli wieder die Donnerstage im Suicide Circus unsicher macht oder Sara Moshiri mit ihrem „queer garten“ im Festsaal Kreuzberg, der das nächste Mal am 07. August stattfindet.
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