Pride

Weiterer CSD im September? Queere Vereine distanzieren sich

17. März 2021 Paula Balov, fs
Bild: Brigitte Dummer
Berliner CSD 2019 am Nollendorfplatz

In Berlin hat sich ein neuer Verein gegründet, der am 11. September 2021 einen Berliner CSD als Großevent plant. Der Berliner CSD e.V. und andere queere Veranstalter*innen fühlen sich übergangen – und lehnen eine Zusammenarbeit ab. Der neue Verein wehrt sich gegen die Vorwürfe

Bedingt durch die Corona-Pandemie fand der Pride des Berliner CSD e.V. in 2020 grossteils nur als digitales Event statt. Und auch in diesem Jahr ist vieles in der Schwebe: Die Vorstandsmitglieder des Vereins hatten bereits im November angekündigt, geschlossen zurückzutreten, bislang ist noch kein neuer Vorstand gewählt und konkrete Pläne für einen CSD 2021 hat der Verein noch nicht bekanntgegeben.

Verschiedene andere Akteur*innen haben derweil das Ruder in die Hand genommen und selbst CSD-Demos und Aktionen angemeldet. U. a. hat sich eine „Aktionsgemeinschaft LGBTI* Berlin e. V.“ neu gegründet, die für den 11. September einen CSD als Großevent mit Bühnenprogramm plant.

Initiative Queere Veranstalter: „Lehnen den Termin strikt ab“

Dieses Vorhaben sorgt jedoch für Ärger – nicht nur beim Berliner CSD e.V., sondern auch bei anderen Vereinen der queeren Community. Am 16. März wurde eine gemeinsame Pressemitteilung der Initiative Queerer Veranstalter Berlin veröffentlicht, zu der neben dem Berliner CSD e. V. auch der Berlin Leder und Fetisch (BLF) e. V., Folsom Europe e. V. und der Regenbogenfonds der schwulen Wirte e. V. gehören. In dem Schreiben distanzieren sie sich ausdrücklich von der neuen „Aktionsgemeinschaft“, die keinen der Vereine „in ihre Planung im Vorfeld mit einbezogen“ habe. Zwar stehe jedem frei, eine CSD-Veranstaltung in Berlin zu organisieren, somit auch der neuen „Aktionsgemeinschaft“. In der Öffentlichkeit habe diese jedoch den Eindruck erweckt, „alleinig einen ´neuen` CSD“ zu veranstalten, nach dem sich andere Vereine „zu richten hätten.“ Die „Art und Weise dieser herablassenden Kommunikation“ und den Termin lehne man strikt ab, eine Zusammenarbeit im Rahmen der „Aktionsgemeinschaft“ sei demnach ausgeschlossen.

Berliner CSD-Vorstand droht mit Ausschluss

Bereits in einem Mitgliederschreiben vom März hatte der noch amtierende Berliner CSD-Vorstand die Pläne der „Aktionsgemeinschaft“ aufs „Schärfste“ verurteilt. Sie seien ohne Absprache mit dem Verein und den Communities entschieden worden, und würden außerdem mit der Wahl des 11. Septembers als Datum die Veranstaltungen von Folsom Europe, die immer rund um das Datum stattfinden, „kannibalisieren“. Bei der nächsten Mitgliederversammlung Ende März plane der Vorstand, „Anträge auf Ausschluss von Thomas Kohs, Markus Poscher und der Firma Rut Wiess Event GmbH“ zu stellen.

Thomas Kohs und Markus Poscher haben die neue „Aktionsgemeinschaft“ gegründet. Beide sind selbst langjährige Mitglieder des Berliner CSD. e. V., außerdem Geschäftsführer der RutWiess Event GmbH, die u. a. die Christmas Avenue in Berlin und seit letztem Jahr auch die Gastroplanung beim Berliner CSD e. V. organisiert, auch wenn diese pandemiebedingt nicht umgesetzt werden konnte. Nach dem digitalen CSD im letzten Jahr sei der Berliner CSD. e. V. „untätig geblieben“, bemängelt Thomas Kohs im Gespräch mit SIEGESSÄULE. Auf der Mitgliederversammlung des Berliner CSD e. V. im Januar hätte ein neuer Vorstand gewählt werden sollen, dazu kam es jedoch nicht, weil die Versammlung unterbrochen wurde. Eine Fortsetzung der Versammlung ist für den 27. März vorgesehen.

Thomas Kohs und Markus Poscher wollten jedoch nicht so lange warten. „Einen CSD zu organisieren dauert mindestens fünf Monate. Deshalb wollten wir schon mal anfangen und dem neuen Vorstand dann die Zusammenarbeit anbieten,“ erklärt Kohs. Dabei seien Veränderungen gegenüber der bisherigen großen CSD-Parade durchaus angedacht gewesen, erzählt Thomas Kohs. So sei es der „Aktionsgemeinschaft“ ein Anliegen, das Event u. a. nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten.

Die gegen ihn und Poscher gerichteten Vorwürfe kann Thomas Kohs nicht nachvollziehen: „Wir verstehen uns nicht als Gegenverein zum bestehenden Berliner CSD e. V.“ Die „Aktionsgemeinschaft“ sei immer nur als „Dachverband“ gedacht gewesen, nie als alleinige Organisatorin des CSD. Dass der zurückgetretene Vorstand des CSD e. V. nun einen Vereinsausschluss fordert, habe, findet Kohs, „ein bisschen was von Beleidigtsein“.

„Aktionsgemeinschaft“-Gründer: „Wir hätten uns das anders gewünscht“

Kohs gesteht jedoch ein, dass der 11. September als Datum unglücklich gewählt war. Bei der Terminfindung sei die „Aktionsgemeinschaft“ davon ausgegangen, dass dieses Jahr keine Folsom stattfinden werde. Ein anderer Termin sei außerdem gar nicht mehr frei gewesen: u.a. sei das Wochenende vom 18.09. nicht in Frage gekommen, weil das lesbisch-schwule Stadtfest den Termin für sich reserviert hatte. Inzwischen wurde das Stadtfest verschoben und ist, auf Vorbehalt, für den 2. und 3. Oktober angesetzt. Den Ärger der Community und vor allem der Organisator*innen der Folsom kann Thomas Kohs aber verstehen: „Wir hätten uns das anders gewünscht.“

Dass Zusammenarbeit auch gut laufen kann, zeigt unterdes ein anderes für den Sommer geplantes Pride-Event: am 26. Juni will die Initiative „CSD Berlin Pride“ eine „Sterndemo“ auf die Beine stellen. An der Initiative beteiligt sind u. a. Nasser El-Ahmad, Christian Pulz, Anette Detering, Wolfgang Beyer und Stefan Kuschner, ehemaliges Vorstandsmitglied des Berliner CSD e. V. Bereits drei kleinere Demos sind angemeldet, weitere sollen folgen.

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