Verdrängung

Queere Szenebar Marietta muss schließen

8. Nov. 2024 pb
Die Szenebar Marietta in der Stargarder Straße 13 an einem Sommertag

Die queere Kultbar Marietta in Prenzlauer Berg stellt den Betrieb zum Ende des Jahres ein. Für die LGBTIQ*-Community und den Kiez verschwindet damit ein wichtiger Begegnungsort

22 Jahre lang stand die Marietta für queere Kiezkultur in Prenzlauer Berg und war ein beliebter Treffpunkt für lokale LGBTIQ*, ihre Freund*innen und die Nachbarschaft. Jetzt muss die Szenebar in der Stargarder Straße zum 31. Dezember 2024 schließen.

Der Eigentümer der Gewerberäume hat laut Marietta-Betreiber Roberto Manteufel kein Angebot zur Vertragsverlängerung vorgelegt. Bereits im letzten November erkundigten sich die Barbetreiber*innen nach einer möglichen Verlängerung, erhielten jedoch nur ausweichende Antworten. „Wir wurden immer wieder vertröstet,“ sagt Roberto Manteufel gegenüber SIEGESSÄULE.

Schließlich erfuhr er von einem Makler, der vor wenigen Wochen mit dem Nachmieter die Bar besichtigen wollte, dass die Räumlichkeiten an eine Restaurantkette weitervermittelt wurden. Der Makler teilte ihm außerdem den neuen Preis der Gewerberäume mit: 55 Euro pro Quadratmeter. „Den Betrag hätten wir eh nicht zahlen können,“ so Manteufel.

Er kritisiert, dass der Eigentümer ihm nicht schon vor einem Jahr den neuen Mietpreis mitgeteilt hat. So wäre damals schon klar gewesen, dass die Marietta vor dem Aus steht und die Barbetreiber*innen hätten sich strukturell und mental besser auf die Schließung vorbereiten können.

Eigentlich lief das Geschäft in der Marietta laut Manteufel in letzter Zeit sogar ziemlich gut, doch eine Mieterhöhung von über 30 Prozent sei für die Barbetreibenden nicht zu stemmen. „Neuneinhalb bis zehntausend Euro, so viel kostet allein die Miete, da sind keine Waren, Versicherungen, keine Steuern oder Extrakosten mit eingerechnet,“ sagt Manteufel. „Das ist einfach utopisch.“

Bild: Alex Heigl
Barbetreiber Roberto Manteufel

Neben den steigenden Mietpreisen beobachtet Manteufel auch die zunehmende Ausrichtung des Bezirks auf Kleinfamilien. Beschwerden über Lärmbelästigung häuften sich, obwohl die Barbetreibenden alle möglichen Maßnahmen gegen die Schallbelastung unternahmen und beispielsweise eine zweite Decke einzogen.

„Gäste unterhalten sich draußen an einem warmen Sommerabend um 22 Uhr während es noch hell ist und wir bekommen schon Beschwerden,“ schildert Manteufel. „Und das in einer Stadt wie Berlin!“ Er vermutet, dass die familienorientierte Ausrichtung des Kiezes in Kombination mit den häufigen Beschwerden und der allgemein zunehmenden Kommerzialisierung, die Entscheidung des Eigentümers für die Restaurantkette beeinflusst habe. Das Verhältnis zum Vermieter sei laut Manteufel ohnehin immer etwas angespannt gewesen.

Verlorener Safer Space

Die Schließung sei nicht nur für die Barbetreiber*innen und das gesamte Team, sondern auch für die Stammgäste schwer zu ertragen. Für die Anwohner*innen und die LGBTIQ*-Community geht mit dem Aus der Marietta ein wichtiger Begegnungsort verloren, an dem sie sich über Jahre in lockerer Atmosphäre treffen und austauschen konnten.

Manteufel blickt mit Besorgnis auf die Entwicklung in Berlin, die immer mehr queere Safer Spaces und sogenannte „dritte Räume“ verdrängt: „Am Ende geht es nicht um die Bedürfnisse der Menschen, sondern um die Bedürfnisse des Geldes. Und die queere Community ist nicht wirklich als Gelddruckmaschine bekannt.“

„Am Ende geht es nicht um die Bedürfnisse der Menschen, sondern um die Bedürfnisse des Geldes. Und die queere Community ist nicht wirklich als Gelddruckmaschine bekannt.“

Trotz allem versuchen Gäste und Barbetreiber*innen gleichermaßen, die letzten Tage in der Marietta zu genießen. Der letzte Abend der Marietta wird voraussichtlich der 28. Dezember sein.

Für Roberto Manteufel steht nach der emotionalen Zeit und der Abwicklung des Geschäfts, das er über viele Jahre aufgebaut hat, ein kompletter Neuanfang an: „Wo genau die Reise hingeht, kann ich noch nicht sagen.“ Klar ist für ihn hingegen: Ein Comeback der Marietta an einem anderen Ort wird es mit großer Sicherheit nicht geben.


Marietta Café-Bar
Instagram: @marietta_bar

Folge uns auf Instagram

#Szenebar#Prenzlauer Berg#Marietta#Meldung#Gastronomie#Kiezkultur#Verdrängung#Kiez

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.