Bündnis „Queere Nothilfe Uganda“ im Interview

Spenden gegen die humanitäre Katastrophe in Uganda

30. Juni 2023 pb
Bild: Alisdare Hickson CC BY-SA 2.0 Quelle
Protestierende in London bei einer Demo in Solidarität mit der LGBTIQ* Community in Uganda

Das „Anti-Homosexuellen-Gesetz” hat die Repressionen gegen LGBTIQ* in Uganda auf dramatische Weise, bis hin zur Todesstrafe, verschärft. Um queeren Menschen in dem Land zu helfen, hat sich das Bündnis „Queere Nothilfe Uganda“ gegründet. Bündnis-Sprecher und Journalist Dirk Ludigs im Interview mit SIEGESSÄULE über die Kampagne, aktuelle Lage in Uganda und Forderungen an die Bundesregierung

Ende Mai ist in Uganda eines der queerfeindlichsten Gesetze weltweit in Kraft getreten. Dirk, wie hat sich die Lage für LGBTIQ* in Uganda dadurch verändert? Es ist ja nicht so, als hätte die Verfolgung von LGBTIQ* erst mit dem neuen Gesetz begonnen. Homosexualität ist dort seit der Kolonialzeit strafbar. Der Druck auf die Community hat in den letzten zehn, fünfzehn Jahren kontinuierlich zugenommen und was wir jetzt erleben, ist eine weitere, besorgniserregende Eskalation.

Die Lage, wie sie uns Aktivist*innen und Journalist*innen vor Ort berichten, ist dramatisch. Es kommt täglich zu Übergriffen und Hausdurchsuchungen durch die Polizei, wir hören von Folterungen auf den Wachen und in den Gefängnissen. Erpressungen und Kidnappings haben rasant zu genommen.

„Die queeren Communitys sind in Panik, die meisten Personen verlassen das Zuhause nur noch, um Lebensmittel zu besorgen oder gar nicht mehr.“

Die queeren Communitys sind in Panik, die meisten Personen verlassen das Zuhause nur noch, um Lebensmittel zu besorgen oder gar nicht mehr. Die Fälle von Jobentlassungen oder Wohnungskündigungen häufen sich. Die im ganzen Land im Geheimen bestehenden Notunterkünfte sind überlastet. Dazu kommt, dass sie nicht mehr so vielen Menschen wie bisher Schutz bieten können, weil sie sonst selbst zu viel Aufsehen erregen. Kliniken, die queere Menschen versorgen, berichten, dass die Spenden einbrechen, es fehlt an Antibiotika.

Viele versuchen einen Reisepass zu bekommen und das Land zu verlassen. Für die meisten Queers ist das finanziell nicht machbar, dazu kommt, dass Nachbarländer wie Kenia auch nicht sicher sind und nach Europa oder in die USA sind die Wege versperrt. Andere wollen bleiben und weiter für die Communitys sorgen und die Situation verbessern.

Um LGBTIQ* in Uganda zu unterstützen, hat sich das Bündnis Queere Nothilfe Uganda gegründet, an dem ca. 40 Vereine und Organisationen beteiligt sind. Wie genau sieht eure Zusammenarbeit aus? Die Queere Nothilfe Uganda ist nach dem Vorbild der Queeren Nothilfe Ukraine aufgebaut, die ja seit anderthalb Jahren sehr erfolgreich Unterstützung dort gewährt.

Zum Bündnis gehören neben vielen großen und kleinen deutschen LGBTIQ*-Organisationen wie dem LSVD oder die Deutsche Aidshilfe auch viele Gesundheitsversorger und migrantische Organisationen, aber auch ugandische LGBTIQ*-Organisationen. Dadurch sind wir in der Lage einerseits sehr direkt die Bedarfe zu ermitteln, andererseits punktgenau, schnell und effizient die Hilfe dahin zu bringen, wo sie am meisten benötigt wird.

Durch die Zusammenarbeit mit der Spendenplattform „WeAid“ wird das Geld schnell verteilt, 100 Prozent gehen an die Projekte und es können auch Spendenquittungen ausgestellt werden.

Kriminalisiert werden nicht nur LGBTIQ*-Personen, sondern alle, die sich für queere Rechte einsetzen. Wie können queere Organisationen in Uganda bei diesen Voraussetzungen überhaupt agieren? Und wie können Spendenkampagnen diese Organisationen unterstützen? Die Organisationen arbeiten in Uganda in einem rechtsfreien Raum, das ist wahr. Aber viele der ugandischen Aktivist*innen haben sich entschieden, auch und gerade in dieser Situation weiterzuarbeiten. Die Bedingungen in Uganda waren auch vor dem 26. Mai schon schwierig.

Genau deshalb gibt es aber auch seit langem Strukturen in der ugandischen queeren Community, die in der Lage sind, spürbar zu helfen, wenn man sie jetzt vernünftig finanziell ausstattet. Dazu einen Beitrag zu leisten, haben wir uns vorgenommen.

Was passiert konkret mit den Spenden? Wofür werden sie verwendet bzw. was wird am meisten gebraucht? Das reicht von der Beschaffung von Essen, Kleidung und Unterkunft, über medizinische Güter bis hin zu rechtlichen Beistand.

Wichtig ist, dass nicht wir entscheiden, was mit dem Geld passiert, sondern die vielen dutzend Graswurzel-Organisationen, Community-Kliniken, Notunterkünfte in Uganda kommen mit ihren Bedarfen zu uns. Die Organisation der Hilfe ist bottom-up nicht top-down.

Die Hilfe, die über Spendenkampagnen geleistet werden kann, ist oftmals sehr begrenzt, da es eigentlich politische Lösungen und Druckmittel wie Sanktionen braucht. Was sind eure Forderungen an die deutsche Bundesregierung? Das ist ein sehr wichtiger Punkt! Es ist eine politisch gemachte humanitäre Katastrophe, die auch nur politisch beendet werden kann. Darum muss die Bundesregierung alles in ihrer Macht Stehende tun, dass dieses Gesetz zurückgenommen wird. Das ist auch wichtig für die ganze Region Ostafrika. Wenn die religiösen und politischen Kreise, die an Verfolgung von LGBTIQ* ein Interesse haben, in Uganda erfolgreich bleiben, dann droht die ganze Region zu kippen. Ähnliche Gesetze sind längst in Kenia und Tansania in der Pipeline.

Andere westliche Länder haben schneller reagiert als Deutschland. Die USA zum Beispiel haben Einreiseverbote für Personen erlassen, die für dieses Gesetz verantwortlich sind. Kanada hat ein Aufnahmeprogramm für queere Verfolgte aufgelegt. Deutschland prüft und prüft und hat dabei offenbar keine Eile.

„Es ist eine politisch gemachte humanitäre Katastrophe, die auch nur politisch beendet werden kann.“

Vor allem muss die Bundesregierung humanitär wesentlich mehr tun. Es kann doch nicht sein, dass Menschenrechtsverteidiger*innen angesichts dieser Katastrophe monatelang um 200 humanitäre Visa betteln müssen, da geht es um hochgefährdete Personen, um Menschenleben!

Auch finanziell steht die Bundesregierung in der Pflicht. Es darf nicht so weiter gehen, dass Kirchen und kirchliche Organisationen, die in Uganda zum Tod von queeren Menschen aufrufen, mit großen Summen aus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit belohnt werden, während man queere Organisationen, die Menschenleben retten, mit Peanuts abspeist. Das gesamte Fördersystem muss dringend auf den Prüfstand.

Was hat die deutsche Politik bislang gegen diese Krise der Menschenrechte unternommen? Sie hat den Botschafter einbestellt und führt Gespräche im Hintergrund, also der übliche diplomatische Walzer. Uganda ist für die Deutschen wichtig, das Land hat mehr Flüchtlinge aufgenommen als jedes andere afrikanische Land, das spielt sicherlich eine Rolle bei der zögerlichen Haltung. Die Angst ist, dass wir bei einer zu scharfen Antwort an Einfluss in der Region verlieren.

„Wir brauchen hierzulande Leute, die eine LGBTIQ*-Außenpolitik denken und anfangen sie zu implementieren.“

Was können LGBTIQ*-Aktivist*innen in Deutschland tun, um zu helfen? Sich unserer Kampagne anschließen! Die ugandischen Communitys wissen selbst am Besten, was zu tun ist, aber es fehlt ihnen an Ressourcen. Wer direkte Kontakte ins Land hat, sollte sie nutzen.

Politisch brauchen wir mehr als nur Nothilfe, wir brauchen eine strategische Antwort auf die Herausforderung eines koordinierten und weltweiten Backlashs, gesteuert von fundamentalen Kirchen und ihren politischen Verbündeten, von den US-Republikanern bis zum Mann im Kreml. Wir brauchen hierzulande Leute, die eine LGBTIQ*-Außenpolitik denken und anfangen sie zu implementieren.

Die Gegenseite hat diese Strategien längst und setzt sie geschickt in vielen Ländern um, besonders in Afrika. Denn dort ist aus ihrer Sicht das schwächste Glied der Kette und darum die Aussicht auf Erfolg am größten. Wir halten, um es mal bildlich zu formulieren, mit Feuerlöschern auf einen Flächenbrand.

Offizielle Seite der Initiative, mit Forderungen, Hintergrundinfos und Spendenkampagne: Queere Nothilfe Uganda

Bild: Marcus Witte
Dirk Ludigs, Journalist, Aktivist und einer der Bündnis-Sprecher der Queeren Nothilfe Uganda

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