Vom 9. bis zum 26. August

Queere Highlights des Festivals „Tanz im August“

7. Aug. 2023 Ecki Ramón Weber
Bild: Yaqine Hamzaoul, Yema Gieskes
„D̶a̶r̶k̶matter“ von Cherish Menzo/GRIP & Frascati Producties

Das Festival „Tanz im August“ vom 9. bis zum 26. August startet dieses Jahr mit der ersten Ausgabe des neuen Leiters Ricardo Carmona. SIEGESSÄULE-Autor Ecki Ramón Weber hat das Programm auf die queeren Highlights abgeklopft

In Berlin ist er kein Unbekannter: Ricardo Carmona war ab 2012 am HAU Kurator für Tanz und dort 2015 verantwortlich fürs Festival „Return to Sender – Künstlerische Positionen aus Ägypten, Äthiopien, der Demokratischen Republik Kongo, Marokko, Mosambik und Südafrika“ sowie 2019 für „The Present Is Not Enough – Performing Queer Histories and Futures“. Postkoloniale und queere Perspektiven bringt er auch als neuer Leiter von „Tanz im August“ ein. Der ausgebildete Tänzer und Biologe hat zudem einen differenzierten Zugang zu Fragestellungen der Ökologie und Nachhaltigkeit. Also grundsätzlich gute Voraussetzungen, um die lebenswichtigen Themen unserer Zeit zu behandeln.

Carmona bezeichnet in der Festivalbroschüre die Ausrichtung der Ausgabe 2023 als „A Forest of Worlds“, sprich: ein Ökosystem voller fein verbundener Beziehungen und Symbiosen, bei dem keines der gleichberechtigten Glieder ohne das andere auskommt. Im Gespräch mit SIEGESSÄULE betont er: „Es geht um die Beziehung zu unserer Umwelt, zur Natur, aber auch um die Frage, wie wir uns als Menschen aufeinander beziehen, vor allem auch im Austausch und Zusammenleben verschiedener Kulturen.“

„Es geht auch um die Frage, wie wir uns als Menschen aufeinander beziehen, vor allem auch im Austausch und Zusammenleben verschiedener Kulturen.“

Queere Kulturen haben darin natürlich einen wichtigen Platz: So zeigen Nadia Beugré und Libr’arts in „Prophétique (on est déjà né.es)“ die Ergebnisse ihrer Recherchen in der Trans*-Community in der Metropole Abidjan und verbinden Voguing-Elemente mit Coupé-Décalé, einem populären ivorischen Tanzstil. Trajal Harrell und das Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble präsentieren mit „The Romeo“ einen Metatanz „quer durch alle Generationen und Geschlechter, Gemüter und Stimmungen“, so die Ankündigung.

Anne Teresa De Keersmaeker und Rosas führen mit ihrer Arbeit „Exit Above after the tempest“ den Tanz auf seine Wurzeln im Gehen zurück, auch hier jenseits von Genderzuschreibungen. Marco da Silva Ferreira und sein Ensemble untersuchen in „Carcaça“ die Energie eines kollektiven Körpers für alle Gender zwischen Folklore und Street Dance.

Posthumanismus und Afrofuturismus

Noch radikaler und bestechend konsequent preschen Cherish Menzo/GRIP & Frascati Producties mit „Darkmatter“ vor: Sie übertragen in ihrer von Posthumanismus und Afrofuturismus geprägten Produktion die astrophysischen Theorien über Dunkle Materie sehr sinnfällig auf die Befreiung von jeglichen Zuschreibungen und Ausschlüssen.

Postkoloniale und feministische Lesarten historischer und mythologischer Figuren ergeben neue Einsichten: So erinnert Dorothée Munyaneza in „Toi, moi, Tituba“ an eine versklavte Frau aus der Karibik, die Ende des 17. Jahrhunderts in Massachusetts bei den Hexenprozessen von Salem verfolgt wurde. Die antike griechische Tragödie „Iphigenie in Aulis“ wird von Kat Válasturs „Strong-Born“ neu gedeutet als Ritual der Selbstermächtigung.

Gleichzeitig kümmert sich „Tanz im August“ selbstverständlich um Klima und Nachhaltigkeit, sowohl strukturell als auch inhaltlich: fürs Projekt „Tanz & Ökologie vernetzen“ wurden 22 Kurzchoreografien von Berliner Künstler*innen ausgewählt, die im Park am Gleisdreieck, im Stadtpark Lichtenberg und im Volkspark Rehberge vorgestellt werden. Auf der Bühne fragt Agata Siniarska in „null&void“ nach den Auswirkungen von Kriegen auf Tiere, Pflanzen und Landschaften.

Eine entscheidende Komponente, um soziale und ökologische Probleme zu lösen, bringt Yasmeen Godder ins Bewusstsein: In ihrem mehrteiligen Projekt „Practicing Empathy“ plädiert sie für mehr Mitfühlen in einem universellen Sinne. „Ansteckende Verletzlichkeit“, wie Godder es nennt, als neues Paradigma, um das destruktive Höher-Schneller-Weiter-Dogma auszuhebeln? Diese Festivalausgabe könnte tatsächlich einiges bewegen.

Bild: Blandine Soulage
Tanzperformance „Age Of Content“ von (La)horde & Ballet National de Marseille

SIEGESSÄULE präsentiert: Tanz im August, 09.–26.8., HAU, Haus der Berliner Festspiele, Villa Elisabeth, Radialsystem, Sophiensæle, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Park am Gleisdreieck, Stadtpark Lichtenberg, Volkspark Rehberge,tanzimaugust.de

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