QTI*BIPoC United: „Eine Frage der Menschlichkeit“
Am 20.11., dem Transgender Day of Remembrance, wird den Opfern transphober Gewalt gedacht. Das Kollektiv QTI*BIPoC United plant zu dem Gedenktag dieses Jahr mehrere Veranstaltungen in Berlin. Im Juni, zur CSD-Stern-Demo, organisierten sie bereits den Pride-March „QTI*BIPoC United“. Wir sprachen mit der Sängerin Achan Malonda, dem syrischen nichtbinären Tänzer* Darvish und dem trans Mann Marco Linguri vom Kollektiv
Achan, Marco und Darvish, wann und warum habt ihr eure Gruppe QTI*BIPoC United (QTI*BIPoc kurz für queer, trans, inter/nichtbinär, Black, Indigenous, People of Color) gegründet?
Achan: Ich arbeitete an einer der beiden großen CSD-Demonstrationen in diesem Jahr und merkte: Wir brauchen eine Intervention! Denn obwohl Berlin eine sehr vielfältige queere Szene hat, wollen viele der Vereine, die divers und/oder of Color sind, nicht mit einem normativen weißen CSD in Verbindung gebracht werden. Das liegt an der Erfahrung, sich seit Jahrzehnten nicht willkommen zu fühlen, an den Rand gedrängt zu werden und unter Diskriminierung in diesen Räumen leiden zu müssen. Und deshalb ist unsere Demonstration als QTI*BiPoC United entstanden.
Marco: Mein Vater kommt aus der Türkei, ich bin ein white-passing PoC und mache eine Ausbildung zum Imam beim Liberal-Islamischen Bund e.V. (LIB) – der übrigens auch queere Ehen anbietet. Für mich gibt es also auch die Intersektionalität, religiös und Teil der queeren Community zu sein. Es gibt viel antimuslimischen Rassismus in der queeren Community und Angst vor Religion im Allgemeinen. Als ich aufwuchs, hatte ich keine Vorbilder oder Repräsentant*innen in den Medien, auf der Straße oder auf dem CSD. Deshalb suchte ich nach einem guten Ort, um queeren muslimischen Menschen Sichtbarkeit zu verschaffen.
Darvish: Touché. Das Ganze wurde wirklich aus der Not der Gemeinschaft heraus für die Gemeinschaft geboren. Ich möchte einen Raum schaffen, in dem PoCs einfach sein können und eine Stimme haben. Ich habe meine Stimme durch diese Gemeinschaft bekommen und möchte das an andere zurückgeben. Als Geflüchteter habe ich das Bedürfnis dieser speziellen Community nach einem Ort und nach ihrer Stimme wirklich verstanden.
„Nur wenn wir tatsächlich intersektional arbeiten und denken, können wir eine Community sein“
Warum ist dieser intersektionale Ansatz so wichtig, wenn es um QTI*-Phobie geht?
Marco: Der Regenbogen ist nicht weiß. Nur wenn wir tatsächlich intersektional arbeiten und denken, können wir eine Community sein. Ansonsten sind wir vereinzelte Gruppen, die zusammengepackt werden. Und nicht nur Menschen, die nicht weiß sind, profitieren davon.
Achan: Als wir als BIPoC zusammenkamen, wussten wir alle, dass wir Teil einer queeren Community sind, die uns immer noch strukturell unterdrückt. Dabei ist das Problem der Marginalisierung, dass sie die Menschen immer an den Rand drängt. Das Ziel muss aber sein, andersherum zu denken und die Marginalisierten ins Zentrum zu rücken.
Darvish: Und meiner Erfahrung nach geben uns all diese Intersektionalitäten eine Perspektive, die wir in die Tat umsetzen können.
Was sind eure Pläne für den Transgender Day of Remembrance?
Darvish: Oh honey, wir haben so viel vor. An diesem Tag wollen wir wirklich diese einzigartige Community ehren. Wir veranstalten in der AHA Workshops mit verschiedenen Leuten aus der Community, die trans, queer und People of Color sind, um ihre Erfahrungen zu teilen und einen Einblick in ihr Leben und ihre Perspektiven zu geben.
Marco: Wir werden auch einen Raum der Stille anbieten, der vom LIB organisiert wird. Somit geben wir der Community einen Ort, um die Menschen zu betrauern, die wir durch cis Sexismus und Transphobie verloren haben, um in Stille zu verweilen und zusammen zu stehen, gemeinsam zu beten. Es wird sowohl ein nicht-religiöses Gedenken, als auch ökumenische und muslimische Gebete an diesem Tag geben.
Darvish: Und unser großes Spektakel ist ein Kiki-Ball in Zusammenarbeit mit der queeren Voguing-Community.
Achan: Für mich liegt als cis Person in dieser Konstellation meine Arbeit darin, Verbündete, also ally, zu sein und einen Raum zu ermöglichen, in dem sich meine trans und nicht binären Geschwister sicherer fühlen können.
„Gewalt gegen trans Menschen ist etwas so Strukturelles, das täglich Menschenleben fordert“
Was kann und muss unsere Community vom TDoR lernen?
Achan: Dieser Gedenktag begann mit einer Mahnwache für eine Schwarze trans Frau, die aufgrund von Transfeindlichkeit ermordet wurde. Gewalt gegen trans Menschen ist ein Problem auf der ganzen Welt. Und es ist etwas so Strukturelles, das täglich Menschenleben fordert. Es ist deshalb unerlässlich, sich jeden Tag darüber gewahr zu werden. Diese Gewalt ist strukturell, institutionell und tötet Menschen. Es ist also eine Frage der Menschlichkeit.
Darvish: Wir müssen uns daran erinnern, dass nicht alle Menschen gleich sind. Auch QTI*BIPoC United ist eine vielfältige Gruppe. Deshalb müssen wir alle, die in diesem binären Konstrukt leben – egal welchen Hintergrund, welche Sexualität oder welches Geschlecht wir haben –, Dinge lernen und verlernen, jeder für sich und gemeinsam als Community.
Marco: Was ich in diesem Jahr gelernt habe, ist, dass es tatsächlich Menschen gibt, die Menschen wie mich in den Mittelpunkt rücken wollen, und dass es tatsächlich Verbündete gibt, die helfen wollen, diesen Raum zu schaffen. Das war neu für mich.
Wie kann jede*r euer Kollektiv unterstützen?
Achan: Ich will nicht zu kapitalistisch klingen (lacht), aber wir haben eine GoFundMe-Seite und ein Paypal-Konto und ihr könnt uns Geld geben. Das brauchen wir momentan sehr. Und wenn ihr kein Geld habt, habt ihr vielleicht einen Space, den ihr teilen könnt, wie der wunderbare AHA e.V. Und wenn ein Event ansteht, helft aus.
Darvish: Und durch Lernen. Und wirklich unseren Anliegen, unserer Gemeinschaft und unseren Stimmen zuhören. Dem zuhören, was wir sagen wollen. Damit wir nicht nur in einer Bubble leben. Es wird nicht reichen, wenn nur eine Seite dabei ist. Eine Hand klatscht nicht von alleine.
Marco: Genau, und wenn wir über bestimmte Themen sprechen, dann ladet bitte die Expert*innen aus der Community ein, die die jeweiligen Themen leben. Und bezahlt sie dafür, dass sie ihre Erfahrungen teilen, bezahlt sie für die Bildungsarbeit, die sie leisten und rückt sie in den Mittelpunkt der Community. Geht nicht einfach davon aus, dass die Leute den ganzen Tag über ihre Identitäten und ihre Kämpfe reden werden, um andere gratis zu bilden. Das kostet viel emotionale Arbeit.
Veranstaltungen zum Transgender Day of Remembrance
Gedenkaktion zum Transgender Day of Remembrance
mit Workshops von QTI*BIPoC United und dem „Raum der Stille"
20.11., ab 10:30, AHA Berlin
The Trans* Identity Celebration Kiki Ball
Präsentiert von Ria 007 / Saint Laurent, in Kooperation mit QTI*BIPOC United
20.11., 16:00–22:00, Napoleon Komplex
44 Jahre SchwuZ
Jubiläumsparty zu Ehren des Transgender Day of Remembrance, mit Show, die trans* Held*innen feiern will
20.11., 23:00, SchwuZ
PSCODE: Transgender Day Of Remembrance
Gedenkveranstaltung und Kunstinstallation
20.11., 15:00, Alter St.-Matthäus-Kirchhof
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