Prince Charming: Nur schwule Stereotype?
Gestern Abend startete die zweite Staffel von „Prince Charming" im Free-TV. Bei der schwulen Datingshow versucht ein Mann anhand von Gruppen- und Einzeldates seine große Liebe zu finden. Jurassica Parka hat sich den Auftakt der Staffel angeschaut und entpuppt sich als absoluter Fan
„Und da ist der Lutschkeller!” Gino Bormann, in Berlin besser bekannt als Dragqueen Charlet Crackhouse, führt einen seiner zukünftigen temporären Mitbewohner durch die kretische Ferienvilla, ein imposantes sommerliches Anwesen. Der gefällige Post-Bauhaus-Bungalow begeistert mit großzügigen Chill-Areas, modernem Mittelmeer-Flair, Gemeinschafts-Kemenaten und einem Pool, der aufgeregt kreischen würde: „Zieh dich aus, zeig den Arsch”. Willkommen bei Prince Charming 2020 auf VOX. Bevor ich mißverstanden werde: ich liebe diese Show.
20 schwule Cis-Männer ziehen in eine Villa und buhlen um die Gunst von Prince Charming. Der ist, objektiv betrachtet, ein attraktiver Single-Mann: Alex, 30, aus Frankfurt am Main, macht irgendwas mit Marketing und will später mal Mann, Kinder und ein Haus auf dem Land. So weit, so spießig, Schwiegermutter-Material eben. Das ganze kennt man schon: 2003 startete „Der Bachelor" auf RTL, das heteronormative Original. Und das polarisierte damals stark. 20 Frauen boten sich da einem Mann an – Chauvi-Scheiße eben. Sicherlich saßen viele pubertäre Jungs hochrot wichsend vor dem Fernseher, während Mutti in der Küche Schnittchen schnitt. So viele Titten und das um 20.15 Uhr – da gab es noch kein Pornhub. Die Show läuft immer noch äußerst erfolgreich. Seit letztem Jahr gibts das öffentliche Balzen nun auch in schwul, zuerst nur auf dem Streaming-Dienst TVnow, dann auch im Fernsehen. Der Erfolg war so überraschend wie vielversprechend, seit gestern läuft die zweite Staffel nun auf VOX.
Der Cast findet sich nach und nach in der Villa ein. Zur Begrüßung wird gekreischt, gegockelt und getrunken. Vom Bürohengst über die Saftschubse, vom Personal-Trainer bis zum Make-Up-Artist ist alles mit dabei. Einige Protagonisten kennen sich schon aus dem echten Leben und zeigen ihr „Scheiße, wir haben schon mal gefickt”-Gesicht … wer kennt es nicht?
Gemessen am schwulen Cis-Universum und gegenüber der Vorgänger-Staffel ist der Cast einigermaßen divers. Vor allem bietet er Unterhaltungspotenzial. Trotzdem darf man natürlich nur moppelig sein, wenn man gleichzeitig ein bunter Vogel ist. Da bleibt die Sendung dem RTL-Universum treu.
Das große Beschnuppern der Kandidaten macht trotzdem unheimlich viel Spaß und erinnert schmerzlich daran, wie das mal so war - im Club vor dem Lockdown. Kommt mir vor wie eine längst vergangene Zeit. Als irgendwann der Prince Charming mit viel Tamtam das Anwesen betritt, hatte ich schon fast vergessen, dass der ja auch noch kommt! Es folgt eine Fließband-Kennenlernerei, unterbrochen von (teilweise bereits leicht angetüterten) O-Tönen der Kandidaten. Am Ende der Folge muss der zu Begattende bereits zwei Jungs rausschmeißen, indem diese keine Krawatte von ihm überreicht bekommen. Nach der ziemlich penetranten Produktplatzierung eines mal in den 90ern beliebten Kokoslikörs ist dann auch schon Schluss für heute.
Prince Charming wurde schon letztes Jahr oft dafür kritisiert, dass das Format nur schwule Stereotype zeige, alles kreischende Tunten, die den ganzen Tag Prosecco trinken. Dem möchte ich aber vehement widersprechen! Die schwule Lebenswelt wird eigentlich ziemlich gut abgebildet: von Lebensbeichten über Empowerment bis hin zu Tränen und Gezicke. Und seien wir mal ehrlich. Auch der hypermaskulinste Muskel-Gay ist in seinem Inneren eine kreischige Tunte, selbst wenn sich das viele nicht eingestehen wollen. Dass sich vielleicht nicht jeder Schwule von dem Cast abgeholt fühlt, ist natürlich klar. Die Show soll unterhalten, die Teilnehmer sind ohne Frage Selbstdarsteller!
Hier gehts dennoch um schwule Sichtbarkeit – und das, ohne vorzuführen. Dafür hat das Format letztes Jahr einen Grimme-Preis bekommen. Darüber kann man denken, was man will. Mich freut auf jeden Fall, dass es doch möglich ist, mit schwulem Content erfolgreiches Mainstream-TV zu machen und freue mich auf all die Tunten, die mich die nächsten Wochen köstlich unterhalten werden. Vielleicht auch im Lutschkeller.
Jurassica Parka: Pailette geht immer
Late Night, zu Gast sind die Kandidaten Gino und Lauritz aus der Datingshow „Prince Charming"
07.11., 23:59, BKA-Theater & Live-Stream
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