Gastkommentar

Präsidentschaftswahl in Polen: Homophobie für weitere 5 Jahre

15. Juli 2020 Mariusz Kurc
Bild: Krzysztof Pacholak / Greenpeace Polska CC BY-NC 2.0 Quelle
Protest eines LGBTI-Aktivisten auf einer Wahlkampfveranstaltung für Andrzej Duda

Seit Montag steht fest: Sieger der Präsidentschaftswahl in Polen ist der Amtsinhaber Andrzej Duda, der mit LGBTI*-feindlichen Aussagen Wahlkampf machte. In der Stichwahl am 12. Juli setzte sich Duda nur knapp gegen seinen Herausforderer Rafał Trzaskowski durch. Mariusz Kurc, Chefredakteur von Replika, dem einzigen LGBTI*-Magazin Polens, kommentiert

Als Andrzej Duda erneut zum Präsidenten gewählt wurde, verspürte ich im ersten Moment Angst, Enttäuschung und ein überwältigendes Gefühl der Hilflosigkeit. Während des Wahlkampfes hatte Duda gesagt, LGBTI* seien keine Menschen, sondern eine Ideologie, die genauso gefährlich sei wie der „Neobolschewismus“. Einer von Dudas Mitarbeitern behauptete: „Sie können LGBT-Menschen nicht mit normalen Menschen vergleichen.“

An solche hasserfüllten Worte hat sich die polnische Gesellschaft mittlerweile gewöhnt. Es gab ein paar Proteste von Intellektuellen, doch im Allgemeinen stieß die Behauptung, LGBT seien „keine Menschen“, auf Gleichgültigkeit. Die queere Community reagierte mit einer Kampagne in den sozialen Medien, in der LGBTI* auftraten und sagten: „Ich bin keine Ideologie, ich bin ein Mensch“. Ich nahm daran teil, auch wenn ich mich zutiefst gedemütigt fühlte. Es ist 2020 und ich, ein schwuler Typ, muss sagen, dass ich ein Mensch bin? Es ist 2020 und ich lebe in einem Land, in dem vor 80 Jahren der Holocaust stattfand und Gebiete als „judenfreie“ Zonen deklariert wurden, und in dem jetzt ein Drittel Polens – nach den Selbsterklärungen von mehr als 100 lokalen Regierungen – eine große „LGBT-freie Zone“ ist. Und doch kommt von der Europäischen Union, der Polen angehört, nichts außer ein paar vereinzelten symbolischen Gesten. Die Grundwerte der EU werden verletzt, doch ihre Institutionen reagieren darauf mit Desinteresse.

Bild: Silar CC BY-SA 4.0 Quelle
Homophobe Demonstration in Krakau, Polen

Ich wette, der Großteil der polnischen Gesellschaft weiß nicht, was „LGBT“ bedeutet und wofür diese Abkürzung steht. Sie haben wahrscheinlich nur eine vage Vorstellung. Sie glauben, dass es darum gehe, Kindern das Masturbieren beizubringen, oder darum, dass schwule Paare Kinder adoptieren, um sie zu vergewaltigen... oder andere ebenso absurde wie entsetzliche Dinge. Sie wissen nicht, dass L für Lesben, G für Schwule, B für Bisexuelle und T für Transgender steht. Ich habe noch nie eine richtige Erklärung für diese Abkürzung in den polnischen Mainstream-Medien gehört.

Der zentrale Gegner Dudas bei der Präsidentschaftswahl war Rafał Trzaskowski. Er ist der erste Bürgermeister von Warschau, der auch den dort stattfindenden Pride unterstützte – und seit dem ersten Pride in Warschau sind mittlerweile 20 Jahre vergangen. Trzaskowski ist zwar für eine eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare, aber gegen ein Adoptionsrecht. Zumindest einen Kandidaten gab es bei dieser Wahl, der die gesamte LGBTI*-Agenda unterstützt: Robert Biedroń, ein offen schwuler Politiker. Er erhielt nur 2,21% der Stimmen. Selbst die polnische LGBTI*-Community hat in ihrer Gesamtheit nicht für ihn gestimmt! Ich frage mich: Warum? Zum ersten Mal bei Präsidentschaftswahlen gab es einen Kandidaten, der alle unsere Rechte unterstützte – und wir lehnten ihn ab.

Es scheint so, dass auch die queere Community eine Lektion zu lernen hat. Viele LGBTI* in Polen erkennen immer noch nicht, dass ihre geschlechtliche und ihre sexuelle Identität politisch ist. Sie scheinen auch nicht zu realisieren, dass wir wirklich hart für unsere Rechte kämpfen müssen. Und dass wir dabei alleine sind. Ohne jede Unterstützung der Europäischen Union.

Wir stehen jetzt vor weiteren 5 Jahren mit einem homophoben Präsidenten und ich befürchte, dass das Verbot „homosexueller Propaganda“ nach Putin-Art bereits auf dem Tisch liegen könnte.

Mariusz Kurc, Cherfredakteur von „Replika"

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