Poesiestar zu Gast in Berlin: Logan February mischt die Literaturwelt auf
Zur Premiere seines*ihres neuen Gedichtbands „Mental Voodoo“ im Literarischen Colloquium Berlin (LCB) reist Logan February aus den USA in die deutsche Hauptstadt. Der*die nicht binäre Lyriker*in ist beim LCB gern gesehen: 2020 war Logan hier Stipendiat*in, noch im September gab der*die gebürtige Nigerianer*in im Video-Talk Einblicke in seine*ihre Arbeit. SIEGESSÄULE-Autor Marlon Jungjohann hat mit February gesprochen
Logan, Berlin ist bekannt für Partydrogen, seine Clubszene und Sexkultur. Es ist also ganz anders als das kleine amerikanische Uni-Städtchen, in dem du seit drei Jahren lebst und studierst. Was für Berlin-Pläne hast du, nachdem du deinen Gedichtband im renommierten LCB vorgestellt hast? (lacht) Auf jeden Fall will ich das Berlin-Feeling voll in mich aufnehmen und mich dazu inspirieren lassen, etwas über Spaß und Genuss zu schreiben. Ich glaube, dafür ist Berlin genau die richtige Stadt! Aktuell befinde ich mich in einer Phase, in der ich tanzen und raven will. Darauf freue ich mich besonders, denn in Lafayette, im US-Bundesstaat Indiana, wo ich derzeit wohne, fehlen mir die Kultur und das Tanzen. Ich freue mich einfach auf lustige Begegnungen in Berlin und darauf, spannende neue Freundschaften zu schließen. Die Male, die ich kurz in der Stadt war, hatte ich das Gefühl, dass es auf Grindr eine wirklich große Vielfalt gibt, sowohl an Menschen als auch daran, wonach ich suche ... denn ich hoffe, neue Erfahrungen zu sammeln, eine neue Offenheit in Bezug auf mein eigenes Verhalten zu erleben und neue Seiten an mir zu entdecken. Schließlich braucht man als Dichter*in immer Inspiration!
„Mich fasziniert das Verlangen – warum wir verlangen, was wir verlangen, wie positiv oder negativ sich unser Verlangen auf uns auswirkt.“
Stichwort Grindr: Die Gedichtreihe „Fuckboys“ in deinem Buch wartet mit stark erotischen Texten auf. Was reizt dich daran, „sexy“ Gedichte zu schreiben? Für mich geht es darum, Schamgefühlen entgegenzutreten und auch selbst herauszufinden, was mir gefällt oder meine Neugier weckt. Manchmal sind diese Gedichte meditativ, sehr einfach. Oder sie sind sehr ernst und behandeln gesellschaftliche Normen. Mich fasziniert das Verlangen – warum wir verlangen, was wir verlangen, wie positiv oder negativ sich unser Verlangen auf uns auswirkt. Und: Queere Sexualität ist etwas Einzigartiges. Sie ist so anders als die Sexualität, die ich als cis und heterosexuelle Person erleben würde. Ich finde aufregend, zu zeigen, dass es mehr als eine Weise gibt, unsere Sexualitäten, Liebe und Verlangen darzustellen.
Andere deiner Gedichte in „Mental Voodoo“ drehen sich ums „prähistorische Afrika“ und die Liebe zum Kontinent. Sie klagen auch die Queerfeindlichkeit in der nigerianischen Bevölkerung, Anti-LGBTIQ*-Gesetze, Steinigungen und Massenverhaftungen schwuler Männer an. Wie ist dein Verhältnis zu Nigeria? Mit Nigeria verbinde ich fast nur, wie schlecht das Land queere und junge Menschen behandelt. Darum beschäftige ich mich nicht zu tiefgehend mit Nigeria. Ja, es ist Teil meiner Identität, aber ich bin nicht sicher, wie viel Liebe ich dem Land gegenüber hege. National verwurzelt fühle ich mich nirgends – das ist die Tragik hinter der LGBTIQ*-Situation in Westafrika. Als ich dort angefangen hatte zu studieren, versuchte ich, Schamgefühle abzubauen. Ich lief über den Campus meiner Uni und erzählte allen, dass ich schwul bin – um sie zu schockieren und damit sie nicht sagen konnten, sie hätten nie einen schwulen Menschen getroffen. Als Angehörige*r der Yoruba und Afrikaner*in fühle ich mich jedoch meinem kulturellen Erbe sehr verbunden: Es bestimmt meinen Blick auf die Welt.
„National verwurzelt fühle ich mich nirgends – das ist die Tragik hinter der LGBTIQ*-Situation in Westafrika.“
Wen spricht deine Kunst an? Ich habe ein großes queeres Publikum, nicht nur unter Nigerianer*innen und in Nigeria. Komischerweise bestand schon ein großes afro-diasporisches Interesse an meiner Arbeit, bevor ich in die USA ging. Meinen Übersetzer*innen, etwa Ezequiel Zaidenwerg, Christian Filips und Peter Dietze, die meine Werke jeweils für Spanien und Argentinien und für Deutschland aufbereiten, bin ich sehr dankbar. Weil meine Gedichte also in Sprachen verfügbar sind, in denen ich gar nicht schreibe, sind die Rückmeldungen vielfältig. Auch in Südamerika gibt es eine Afro-Latinx-Nachfrage nach meinen kulturell-spirituellen Texten.
Logan February:
„Mental Voodoo: Gedichte“, Reihe Poesie Dekolonie,
a. d. Engl. u. hg. v. Christian Filips,
Engeler Verlag,
243 Seiten, 24 Euro
28.02., 19:30
Aufgrund des Bahnstreiks wurde die Veranstaltung vom 29. Januar auf den 28. Februar 2024 verschoben.
Literarisches Colloquium Berlin
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