Berlin gegen diskriminierende Reklame

Plakativ daneben: Sexismus in der Werbung

10. Mai 2021 Florian Bade
Bild: LADS

Sexistische bis homophobe Reklame kann seit Anfang des Jahres bei der neu einberufenen Berliner Jury gegen diskriminierende Werbung gemeldet werden. Wir sprachen mit Leo Yannick Wild, einem der Jurymitglieder

Es wurde Zeit! Schon 2016 wollte Außenminister Heiko Maas – damals noch Justizminister – eine Verschärfung der bundesweiten Gesetze gegen sexistische und diskriminierende Werbung auf den Weg bringen. Da der Gegenwind von CDU und FDP aber zu groß war, verlief dieses Vorhaben wieder im Sand.

Dabei folgte Maas eigentlich nur dem Vorbild von Friedrichshain-Kreuzberg, dem deutschlandweit ersten Bezirk, der 2014 diskriminierende Werbung im eigenen Kiez verboten hatte. Städte wie Leipzig, Frankfurt am Main und München schlossen sich dem Verbot an und letztes Jahr war es dann auch endlich in ganz Berlin so weit: Das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) wurde verabschiedet, im Januar 2021 nahm die Jury gegen diskriminierende Werbung ihre Arbeit auf und ist seitdem auch offizielle Anlaufstelle bei (ge-)werblichen Beschwerden. Die Zusammensetzung der ehrenamtlichen Jury ist dabei „multiprofessionell, divers, unabhängig, überparteilich und mindestens hälftig mit Frauen besetzt“, wie die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) erklärt.

Let‘s talk about sexism

Herabwürdigender Werbung wie jüngst der einer Polsterei – neben einer Frau der Slogan „Wir polstern deine Alte auf!“ – wird nun Paroli geboten. Jenes Negativbeispiel wurde in diesem Jahr bereits vom Deutschen Werberat, dem Selbstkontrollorgan der Werbebranche, gerügt. Kritiker*innen werfen diesem Rat aus Werbetreibenden aber mangelnde Objektivität und Trägheit vor – auf 70 Prozent der eingehenden Beschwerden werde nicht reagiert.

Lahme Bundespolitik und parteiischer Werberat zwangen zunächst feministische Organisationen wie Terre des Femmes, den Kampf mit sexistischer Werbung aufzunehmen. Ihre Website erinnert daran, wie gravierend die Auswirkungen von respektloser Reklame sind: „Frauenfeindliche Werbung ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Missstands und trägt zur Fortführung von geschlechterbasierten Unterdrückungsstrukturen bei.“

Berliner Kontrollinstanz

Deshalb ist die neue Jury als stadtpolitische Kontrollinstanz so wichtig. Leo Yannick Wild von der Schwulenberatung und eins der neun ehrenamtlichen Jurymitglieder ergänzt: „Mit der Jury ist jetzt ein Instrument da, das allen Berliner*innen und Besucher*innen der Stadt ohne großen Aufwand ermöglicht, diskriminierende Werbung direkt in ‚ihrer’ Stadt zu melden. Die Jury wird die Beschwerde prüfen und gegebenenfalls im Rahmen der Möglichkeiten einschreiten. Das finde ich ein ermutigendes Signal.“ 

Dass Berliner Werbung witzig sein kann, machen BVG und BSR vor. Die Plakatierung von öffentlichen Flächen ist aber auch meist nicht das Problem, da hier die Befugnisse klar beim Land liegen. Die Rechtslage bei privater Werbung – vom Flyer am Rad bis hin zum Logo am Firmenwagen – ist da schwieriger. Aber auch hier versucht die Jury zu handeln. „Die Interventionsmöglichkeiten bestehen hierbei vor allem in der Sensibilisierungsarbeit der Werbeverantwortlichen”, erklärt die LADS. „Es geht darum, die Unternehmen aufzuklären, warum die Werbung wie aufgenommen wird und wie sie es in Zukunft besser machen können.“

Natürlich ist dabei nicht nur Sexismus Thema. Jedwede Form der Diskriminierung wird geahndet. „Das LADG nennt diverse Merkmale, aufgrund derer Menschen diskriminiert werden, z. B. sozialen Status, ethnische Herkunft, Religion, geschlechtliche Identität, sexuelle Identität. Und auf Grundlage aller dieser und der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Merkmale machen wir unsere Arbeit“, so Leo Yannick Wild.

Manchmal ist es auch ein schmaler Grad zwischen Sexismus und sexueller Stereotypisierung. Selbst die BVG schrappte da an der Grenze entlang, als sie 2016 ihre Tageskarte mit zwei Lederkerlen als „typische“ Schwule mit dem Spruch „Bringt dich ans andere Ufer“ bewarb. Augenzwinkern? Pinkwashing? Stereotypisierung? Auf jeden Fall dünnes Eis! Großbritannien ist da schon weiter: Neben Diskriminierung ist auch sexuelle Stereotypisierung in der Werbung hier seit 2019 gesetzlich verboten.

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