Pinkwashing im Vatikan?
Papst Franziskus erließ kurz vor Weihnachten eine Erklärung zur Segnung von queeren Paaren. Was genau bedeutet das für LGBTIQ* in der katholischen Kirche und ist das ein Grund zur Freude? L-MAG-Chefredakteurin Sonya Winterberg kommentiert
Bereits der Beginn seines Pontifikats 2013 war eine Sensation. Mit nur wenigen Worten veränderte Papst Franziskus den Diskurs über LGBTIQ* in der katholischen Kirche, als er auf die Frage eines Journalisten nach seiner Haltung zu schwulen Priestern antwortete: „Who am I to judge?“ (dt. „Wer bin ich, das zu verurteilen?“)
Es ist zweifelsohne so, dass Franziskus in den vergangenen zehn Jahren viel dafür getan hat, dass sich der Ton und die Haltung gegenüber Queers in seiner Kirche veränderte, indem er sich konsequent weigert, sie auszugrenzen.
Jetzt erlaubt der Papst also die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. „Die Abgrenzung zum Sakrament der Ehe müsse jedoch gewahrt bleiben“, teilte der Vatikan mit. Kurz vor Weihnachten kam die Eilmeldung, die in der Einleitung als „Geschenk an das gläubige Volk Gottes“ bezeichnet wird. Meine erste Reaktion war Kopfschütteln. Wer meint, so ein „Geschenk“ führe zu einer echten Reformierung der katholischen Lehre, kann genauso gut an Einhörner glauben. Alles klang nach Pinkwashing vom Feinsten, versehen mit einem päpstlichen Siegel.
Aufgesetzter Jubelschrei
Worum geht es? Bei einem liturgischen Segen bittet der Priester, Gott um besonderen Schutz. Zwar werden Segnungen meistens von Priestern vollzogen, doch im Prinzip kann jeder Gläubige segnen und muss dafür nicht einmal um Erlaubnis bitten. Es ist von jeher Tradition in der katholischen Kirche, alles und jeden zu segnen, sogar Fahrzeuge! Zum Beispiel Familienkarossen, Schiffe, Eisenbahnlinien, Lokomotiven, Motorräder und schnöde Drahtesel. Warum also jetzt dieser aufgesetzte Jubelschrei?
Der Vatikan ist in seiner Wortwahl äußerst kreativ und zitiert im Text mehrfach den Papst in seinem Bemühen um eine „väterliche und pastorale Haltung“. Dass sich überhaupt etwas bewegt, ist dabei in erster Linie das Verdienst der katholischen Basis, in Deutschland besonders der „Kirche von unten“, die seit Jahren für Menschenrechte kämpft. Es sind (Ordens-)Frauen, Mitarbeiter*innen der Kirche, ihrer Gemeinden und der kirchlichen Organisationen, die Mitsprache einfordern und jene, die missbraucht, misshandelt wurden oder unter den hierarchisch-patriarchalen Strukturen gelitten haben.
Auch Alexander Thamm, ein schwuler Katholik, der sich 2022 öffentlich in Die Zeit zur Kirche äußerte, zieht ein bitteres Fazit, obwohl er den Schritt von Papst Franziskus begrüßt: „Für mich kommt dieser Schritt mindestens 30 Jahre zu spät, zumindest für mein eigenes Leben. Ich konnte nicht eine eigene, freie Identität als schwuler Mann in der Kirche aufbauen. Dies hatte natürlich großen Einfluss auf mein privates Leben, vielleicht auch ein Grund, keine Partnerschaft eingegangen zu sein. Dennoch freue ich mich jetzt für alle, denen der Schritt in ein eigenbestimmtes queeres Leben einfacher gemacht wird.“ Als schwuler Katholik, der sich für Reformen an der Basis einsetzt, sei es ein schwieriger Schritt gewesen, 2022 in die Öffentlichkeit zu gehen. „Ich habe mich gefreut, dass sich Freunde gemeldet haben. Aber die Kirche hat sich nicht gemeldet. Erst jetzt bin ich wieder im Dialog mit der Bischofskonferenz.“
„Für mich kommt dieser Schritt mindestens 30 Jahre zu spät.“
Die zum katholischen Glauben konvertierte Beatrice von Weizsäcker, lesbische Tochter des einstigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, geht in ihrer Kritik noch einen Schritt weiter. Auf Instagram schreibt sie: „Immerhin fühlt sich der Vatikan durch die Worte des Heiligen Vaters dazu eingeladen, sich ‚zu bemühen, die Bedeutung der Segnungen weiter zu fassen und zu bereichern‘. – Was für eine Ehre! Das, was heute aus dem Vatikan kam, ist eine Farce. Es ist entwürdigend. Für uns alle, die es betrifft.“
Und doch ist Papst Franziskus‘ Erklärung eine Abkehr der bislang gültigen Doktrin der Glaubenskongregation (immerhin die Nachfolgerin der Inquisition), wonach die Kirche keine Homo-Paare segnen darf, weil diese in Sünde lebten: „Gott kann keine Sünde segnen“. Zumindest der Papst scheint das jetzt anders zu sehen. Priester dürften sich nicht zu Richtern erheben, „die nur verweigern, ablehnen und ausschließen.“ Bleibt zu hoffen, dass sich der eine oder andere Amtsträger dies zu Herzen nimmt.
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