Out and Proud: Neue BVG-Chefin im Interview
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werben seit Jahren auch mit queeren Menschen und geben sich ein LGBTI*-freundliches Image. Die offen lesbisch lebende Eva Kreienkamp ist neue BVG-Vorstandsvorsitzende. Im Oktober 2020 hat sie ihre Stelle angetreten. SIEGESSÄULE sprach mit ihr über Vielfalt am Arbeitsplatz, queerfeindliche Übergriffe im öffentlichen Raum und die Frage, inwiefern sich das Unternehmen für die LGBTI*-Community engagiert
Frau Kreienkamp, die BVG wirbt mit Vielfalt und Queerness. Es gibt immer mal wieder Werbespots, in denen Schwule, Lesben oder Dragqueens vorkommen. Wie vielfältig ist die BVG wirklich? Oder ist das alles nur ein Marketing-Gag? Die BVG, mit ihrer mehr als 90-jährigen Geschichte, ist selbst schon sehr viel Berlin. Auch wir haben unterschiedliche Nationalitäten, sexuelle Orientierungen, Geschlechter und unterschiedliche Alter und kommen aus jedem Kiez der Stadt. In Berlin gibt es natürlich eine große LGBTIQ*-Community und auch dies spiegelt sich innerhalb des Unternehmens wider. Das finde ich schön, das ist für mich ein Grund, Berlin zu schätzen und damit natürlich auch die BVG.
Und wie LGBTI*-freundlich ist die BVG als Arbeitgeberin? Gibt es Schulungen für beispielsweise Kontrolleur*innen oder für andere Mitarbeiter*innen zum Thema LGBTI* oder auch zum Thema Rassismus? Wir haben Menschen unterschiedlicher Herkunft oder Nationalität, die hier im Unternehmen verankert sind. Und wir sind seit vielen Jahren Mitglied bei der „Charta der Vielfalt“ (eine Selbstverpflichtung von Arbeitgeber*innen zu mehr Vielfalt in der Arbeitswelt, Anm. d. Red.). Wir haben Diversity-Tage und sind zu den unterschiedlichsten Facetten von Diversity auch mit den Menschen innerhalb des Unternehmens im Gespräch. Wir machen mit unseren Kontrolleur*innen Schulungen, die zwar nicht LGBTI*-spezifisch sind, die aber in die Richtung gehen: Begegne den Fahrgästen, egal wer es ist, mit dem notwendigen Respekt!
„Mir geht es darum, jüngeren LGBTI* das Gefühl zu geben, dass es tatsächlich nicht relevant sein sollte, welche Ausrichtung oder Identität du in deinem Leben hast."
Sie präsentieren sich selbst sehr offen lesbisch. Auf Ihrem Profilfoto auf der BVG-Website tragen Sie einen kleinen Regenbogen-Sticker auf dem Jackett. Wie gehen Sie damit innerhalb des Unternehmens um? Spielt das überhaupt eine Rolle am Arbeitsplatz? Gefühlt, nein, und wenn doch, ist es mir persönlich inzwischen ziemlich egal. Aber den Menschen ist es nicht egal, weil das natürlich auch eine Form von Sichtbarkeit und Repräsentanz ist. Mir geht es darum, jüngeren LGBTI* das Gefühl zu geben, dass es tatsächlich nicht relevant sein sollte, welche Ausrichtung oder Identität du in deinem Leben hast. Aber solange das im Allgemeinen noch so ist, dass dies eine Rolle spielt, hilft es natürlich, wenn es Menschen gibt, die offen out sind.
Gerade jetzt in der Corona-Krise ist die LGBTI*-Community besonders betroffen. Unternehmen wie Google und Facebook haben finanzielle Unterstützung für kleinere Unternehmen oder Communitys zugesagt. Gibt es bei der BVG auch Ansätze, LGBTI*- oder andere Communitys zu unterstützen? Nein, wir sind ein öffentliches Unternehmen, und wir haben damit einen öffentlichen Auftrag. Der lautet: Produziere guten öffentlichen Nahverkehr für diese Stadt. Und dem gehen wir nach und machen das tatsächlich für alle „diskriminierungsfrei“. Da wir aus Steuergeldern und Fahrscheinerlösen finanziert werden, sponsern wir nicht. Was wir aber natürlich tun ist, in unserer Kommunikation verschiedene Arten von Vielfalt darzustellen. Und damit zumindest deutlich zu machen, dass Diskriminierung bei uns kein Thema sein darf. Was wir zusätzlich machen, sind öffentliche Ausschreibungen für Leistungen. Da freuen wir uns über jedes Unternehmen, das sich auf Dienstleistungsaufträge von uns bewirbt; das ist natürlich auch für LGBTI*-geführte Unternehmen von Interesse.
In den öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin kommt es immer wieder auch zu Übergriffen auf LGBTI*. Was kann die BVG tun, um dem im öffentlichen Nahverkehr entgegenzuwirken? Welche Maßnahmen greifen? Wir haben einen gut aufgestellten Sicherheitsdienst. Wir haben Überwachungskameras in den Bahnhöfen und in den Fahrzeugen, und wir werten das auch aus, für den Fall, wenn etwas passiert. Was wir tun, ist sehr an Sicherheit orientiert. Und zwar nicht nur in dem Sinne, dass die Fahrzeuge sicher sind, unsere Fahrerinnen und Fahrer gut ausgebildet, sondern auch, dass die Aufenthaltsqualität in unseren Fahrzeugen oder in unseren Stationen als sicher empfunden wird und es auch tatsächlich ist. Wenn es zu Übergriffen kommt, die wir nicht verhindern konnten, dann wird sehr klar mit der Polizei zusammengearbeitet, damit die Leute, von denen diese Übergriffe ausgingen, gefunden werden.
Welche Auswirkungen hatte die Krise 2020 auf die BVG? Dadurch, dass weniger gefahren wurde, hatten wir dieses Jahr Verluste. Wir hatten nur ungefähr 70 Prozent der Fahrgastzahlen, die wir letztes Jahr hatten. Das ist für alle ÖPNV-Unternehmen (Unternehmen im öffentlichen Personennahverkehr, Anm. d. Red.) die gleiche Situation, und das macht es natürlich schwierig. Gleichzeitig hat der Bund einen sogenannten ÖPNV-Rettungsschirm aufgespannt. Er gibt also Geld, damit die Verluste der ÖPNV-Unternehmen zumindest teilweise ausgeglichen werden. Wir haben auch mit dem Land Berlin Vereinbarungen getroffen, dass ein Teil unserer Verluste ausgeglichen wird. Und wir haben von unserer Seite Einsparpotenziale gefunden, welche die Leistungen nicht reduzieren. Einige Neueinstellungen und Investitionen werden auf einen späteren Zeitpunkt gelegt. Trotzdem immer mit dem Hintergrund, dass wir auch weiter investieren – in unsere Fahrzeuge, ins Netz und in die Qualität, um auch gestärkt aus der Krise herauszukommen.
Anlässlich der US-Wahl hat euer Marketingteam, im Namen der BVG, auf Twitter einen Post abgegeben, der eine versteckte politische Positionierung enthielt. Der Post hatte den Text: „Als öffentliches Unternehmen dürfen wir nicht verraten, wem wir den Wahlsieg gönnen. Deswegen nur so viel: Wir wünschen’s b(e)iden.“ Das „e“ im Wort „beiden“ war dabei fast von einem Sternchen verdeckt, sodass man den Namen Biden las. Wie viel politisches Statement darf ein öffentliches Unternehmen tätigen? Zunächst einmal ist es natürlich nicht unsere Aufgabe, politisch Stellung zu beziehen und vor allem auch nicht zu einer Wahl. Das war eine absolute Ausnahme! Aber zu diesem Thema ist wahrscheinlich die ganze Republik sehr emotional gefärbt gewesen und so auch unsere Fahrgäste. Hier wollten wir zeigen, dass wir diese besondere Situation verstehen. Aber, wie gesagt, dies war eine Ausnahme.
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