Straßenfest und Ausstellungen

Ostberlins queere Wegbereiter*innen: Der Sonntags-Club wird 50

6. Juli 2023 Klaus Sator
Bild: Kathrin Schultz*
Nicole Otte, Sven Hasse, Nadia Juhnke und Helmut Beyer vom Vorstand des Sonntags-Clubs (v.l.n.r.)

Der Sonntags-Club feiert sein 50-jähriges Bestehen: Am 8. Juli steigt ab 15:00 Uhr das Straßenfest „Queer im Kiez!“ und ab dem 20. Juli präsentiert das Schwule Museum eine Ausstellung zur Geschichte der Institution. Zum Jubiläum blickt Klaus Sator zurück auf die bewegte Geschichte des Ladens

Es war ein langer Weg, bis der Sonntags-Club zu dem werden konnte, was er heute ist: Ein Treffpunkt für über 20 Gruppen aus der queeren Community mit einem täglich geöffneten Café und zahlreichen Veranstaltungen und Beratungsangeboten für LGBTIQ*.

Begonnen hat alles mit der Ausstrahlung von Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ am 15. Januar 1973 zu später Stunde in der ARD. Während der Bayerische Rundfunk sich ausschaltet und den in seinem Sendegebiet lebenden Menschen den Film vorenthält, sitzen in Ostberlin einige schwule Männer im privaten Kreis vor dem Fernseher und sind begeistert. Sie teilen die Auffassung des Filmemachers, dass Homosexuelle ihre Angst und Ohnmacht nur überwinden können, wenn sie für ihre gesellschaftliche Anerkennung kämpfen.

Sie wollen schwulenpolitisch aktiv werden und treffen sich fortan unter dem Namen „Homosexuelle Interessensgemeinschaft Berlin“ (HIB). Lesben, trans* Personen und Transvestiten stoßen dazu. Die Anerkennung als Verein wird ihnen jedoch von der Regierung der DDR verweigert. Zusammenkünfte sind nur in Privaträumen möglich. Mitte der 70er-Jahre finden sie über längere Zeit im Gründerzeitmuseum von Charlotte von Mahlsdorf statt. Neben Diskussionsrunden gibt es Kleinkunstabende und Partys. Doch 1978 setzt die Stasi diesen Zusammenkünften ein Ende. Für annähernd ein Jahrzehnt sind Treffen und politische Aktivitäten kaum noch möglich.

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre initiiert die lesbische Aktivistin Ursula Sillge aus dem Umfeld der HIB den „Sonntags-Club“. Denn nur an Sonntagen und unter Verleugnung von Anliegen und Identität ist es möglich, einen Raum zu bekommen. Seitdem finden an unterschiedlichen Orten wieder Veranstaltungen der HIB statt. Als einer der größten Erfolge in seiner fünfzigjährigen Geschichte benennt Kathrin Schultz* vom Sonntags-Club seine „Anerkennung als Verein“.

Noch zu DDR-Zeiten erfolgt am 7. Juli 1990 der Eintrag ins Vereinsregister in Berlin-Mitte. Damit, so Schultz*, „gab es plötzlich die Möglichkeit, Gelder vom Staat zu bekommen“.

Unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer wird am 10. November 1989 die Vereinsgründung beschlossen und zwei Tage später seine Satzung verabschiedet. Noch zu DDR-Zeiten erfolgt am 7.Juli 1990 der Eintrag ins Vereinsregister in Berlin-Mitte. Damit, so Schultz*, „gab es plötzlich die Möglichkeit, Gelder vom Staat zu bekommen“. Nunmehr können Räumlichkeiten angemietet (zunächst in der Rhinower, ab 1999 in der Greifenhagener Straße) und Stellen zur Professionalisierung der zuvor ausschließlich ehrenamtlich organisierten Angebote an die Community geschaffen werden.

Erster Zusammenschluss für LGBTIQ* in der DDR

Schultz* verweist darauf, dass es sich beim Sonntags-Club um den ersten Zusammenschluss queerer Menschen in der DDR handelt und dieser über Ostberlin hinaus in andere DDR-Bezirke hineingewirkt habe. Weiterhin sei er über lange Zeit einer der wenigen Orte gewesen, in denen sich trans* Personen treffen konnten. Und sie erwähnt das vom Sonntags-Club gestartete Projekt queerhome*, das bundesweit erste Beratungsprojekt zu Wohnraumfragen für LGBTIQ*. Die Bedeutung und die gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit des Vereins dokumentiert sich auch in zwei Auszeichnungen, die der Sonntags-Club 2019 erhalten hat, dem „Magnus-Hirschfeld-Preis“ der Berliner SPD für besondere Verdienste im queeren Leben Berlins sowie dem vom Land Berlin vergebenen „Blauen Bär“ für besonderes ehrenamtliches Engagement für Europa.

Straßenfest und Ausstellungen

Anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens soll am 8. Juli das Straßenfest „Queer im Kiez“ am Sonntags-Club im Prenzlauer Berg stattfinden – mit Ständen und einer großen Bühne für Reden, Musik und Comedy. Zudem werden zwei Ausstellungen gezeigt, eine kleinere im Sonntags-Club selbst (Eröffnung am 29. Juli 2023) und eine größere im Schwulen Museum (SMU, Eröffnung am 20. Juli 2023). Während sich die Ausstellung im SMU eher auf die Geschichte des Sonntags-Clubs als Verein konzentriert, wird sich die Ausstellung im Club auf die verschiedenen Gruppen fokussieren.

sonntags-club.de

Straßenfest: „Queer im Kiez!“, 08.07.,15:00, am Sonntags-Club

Doppelausstellung: „lieben. kämpfen. tanzen. – 50 Jahre Sonntags-Club“
20.07.–31.12., Schwules Museum, Vernissage: 20.07., 19:00
ab 29.07., Sonntags-Club Vernissage: 29.07., 18:00

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