Neustart nach Krise: Finna auf „Zartcore“-Tour
Die queerfeministische Rapperin Finna feierte bereits 2015 erste Erfolge. Aufgrund einer psychischen Erkrankung folgte ab 2016 eine Zwangspause. Nach einigen Single-Veröffentlichungen meldete sie sich im Frühling dieses Jahres mit dem fulminanten Album „Zartcore“ endgültig zurück. SIEGESSÄULE traf sie im Vorfeld ihrer Herbsttour in Berlin
Finna, im Mai ist dein erstes Album „Zartcore“ erschienen. Wie fühlt es sich an, die eigene Platte in Regalen stehen zu sehen? Ehrlich gesagt ist es mir voll schwergefallen, das Album loszulassen. Dass Leute es jetzt kommentieren und sich eine eigene Meinung von mir machen können, ist nicht einfach. Ich finde es manchmal richtig schade, dass ich nicht so ein Kunstprodukt bin, wo man sagen kann: „Okay, da wird jetzt halt nur die Figur kritisiert, aber das hat nichts mit mir zu tun.“ Mein Album hat nämlich total viel mit mir zu tun, alles ist echt, und ich glaube, das hat es mir schwer gemacht, loszulassen. Direkt nach der Veröffentlichung bin ich erst einmal in ein Loch gefallen, weil ich so lange dran rumgewerkelt habe und mich gefragt habe, wie es weitergeht. Ich bin auch nicht diejenige, die sagt: „Okay, direkt nächstes Album.“ Ich hatte gerade erst so viel auf „Zartcore“ gesagt.
„Während der Albumproduktion waren es meine Gedanken und auf einmal sind es unsere Gedanken und dadurch spürt man einen kollektiven Vibe.“
Es ist ein sehr persönliches Album. Ist es für dich einfacher, wenn du in die Tiefe gehst? Ich finde es befreiend, da ich Dinge aussprechen konnte, die man im Alltag nicht tagtäglich sagt, auch wenn sie einem die ganze Zeit im Kopf rumgeistern. In unserer Gesellschaft sind queere Mütter zum Beispiel noch voll speziell, für mich aber nicht, da es ja mein Leben ist. Mir fällt es dann auf Konzerten auf, wenn andere queere Mütter auf mich zukommen und mich auf meinen Song „Mudda“ ansprechen: „Ich mache das ähnlich, und es ist richtig nice, dass es da jetzt so einen Track gibt.“ Ich finde es voll schön, dass Leute was aus meiner Musik ziehen können und zu sehen, dass andere genauso denken wie ich. Während der Albumproduktion waren es meine Gedanken und auf einmal sind es unsere Gedanken und dadurch spürt man einen kollektiven Vibe.
„Ich glaube, ich bin ganz schlecht darin, meine Seele zu verkaufen, damit andere Leute damit Cash machen.“
In deinen Tracks kritisierst du die Leistungsgesellschaft und rappst darüber, wie du dich bewusst gegen Fame und für Integrität entschieden hast. Als ich in das Musikbusiness eingestiegen bin, hat mich das Thema des Ruhms sehr umgetrieben. Zu Beginn hatten Major Labels an mir Interesse. Man fliegt mit denen nach Finnland, nimmt Musik auf, und es ist total oberflächlich und hat nichts mehr mit Musik zu tun. Musik ist etwas total Persönliches, es ist eine Essenz von dir. Wenn man dann in die kapitalistischen Verwertungsstrategien reinschaut, fragt man sich: „Was hat das jetzt mit mir zu tun?“ Nichts. Ich glaube, ich bin ganz schlecht darin, meine Seele zu verkaufen, damit andere Leute damit Cash machen. Das fühle ich nicht (lacht). Ich glaube, mit der Einstellung habe ich mir vieles verbaut, aber das macht mich nicht traurig.
Integrität und Authentizität waren dir demnach wichtiger? Voll. Ich arbeite lieber mit Freund*innen zusammen, wo man Spaß und eine gute Zeit hat. Deswegen habe ich auf dem Album mit Leuten gefeatured, mit denen ich’s gefühlt habe, wie mit Saskia Lavaux auf „Slut Pride“ oder Mino Riot und Sayes auf „Staying Soft“. Früher wurden mir so viele Produzenten vorgeschlagen – ich gendere bewusst nicht (lacht) –, um ein Netzwerk aufzubauen, was für mich als sensible Person, die keine Lust auf Oberflächlichkeit hat, nicht funktioniert hat.
„Ich brauche ein Umfeld, in dem ich nicht perfekt sein muss und in dem auch mal Sachen schiefgehen dürfen.“
Letztlich bin ich daran kaputtgegangen, weil ich dachte, dass ich das alles mitmachen muss, weil es meine einzige Chance im Leben war, als Musikerin erfolgreich zu sein – vielleicht stimmt das auch, aber das ist okay. Ich brauche ein Umfeld, in dem ich nicht perfekt sein muss und in dem auch mal Sachen schiefgehen dürfen.
Du hast dich zwischen 2016 und 2020 nicht nur wegen einer Abneigung gegen die kapitalistische Ausrichtung des Musikbusiness zurückgezogen, sondern wegen psychischer Probleme. Ich habe Schizophrenie, eine bipolare Störung und eine posttraumatische Belastungsstörung – also einen ganzen Katalog an Diagnosen (lacht). Was mich 2016 rausgehauen hat, war die Schizophrenie, weil sie da erst diagnostiziert wurde. Das war sehr anstrengend, da ich mein Leben erst einmal wieder neu sortieren und mich mit der Diagnose arrangieren musste, ohne mich als Haufen Scheiße zu fühlen. Der Druck von außen, Sachen leisten zu müssen. Ich war alleine auf Tour, habe große Shows gespielt und war total verloren. Ich bin sehr froh, dass ich mir die lange Pause genommen habe, um zu überlegen, ob ich überhaupt weiter im Musikbusiness aktiv sein möchte und wenn ja, unter welchen Umständen, und das klappt seit 2020 gut.
„Meine Tochter ist da ein richtiger Hoffnungsbatzen für mich. Sie ist noch so offen und das finde ich toll.“
Du hast eine neunjährige Tochter. Wie viel von Finna bringst du nach Hause? Sie nennt mich Finna, wie eigentlich fast alle in meinem Umfeld. Mit dem Namen Jana kann ich nichts anfangen, auch weil ich damit viele Erinnerungen aus meiner Familie verbinde. Meine Familie ist schwierig, deswegen ist es auch so wichtig, sich eine eigene Wahlfamilie zu machen, mit der man happy ist, die einen auffängt und versteht. Ich könnte mit meinen Eltern zum Beispiel nicht darüber reden, wie mich der Tod von Malte C. mitgenommen hat. Sie können nicht nachvollziehen, was das mit unserer Community macht. Meine Tochter ist da ein richtiger Hoffnungsbatzen für mich. Sie ist noch so offen und das finde ich toll.
Ich habe gelesen, dass du queere Jugendarbeit machst. Magst du darüber etwas mehr erzählen? Angefangen hat das im Mädchen*zentrum in Eimsbüttel. Da habe ich Rap-Workshops für junge FLINTA* und queere Jugendliche gegeben, wo sie sich in einem Safe Space Rap-mäßig austoben können. Das habe ich einmal pro Woche gemacht und mir irgendwann gedacht, dass ich das gerne mobiler und nicht nur in Hamburg machen möchte. Mit Maja Classen und Katja Ruge habe ich dann das „Body*Love“-Rap-Projekt gegründet. Mit diesem gehen wir an Grundschulen, rappen mit den Kindern und reden über Queerness, Rassismus, Mobbing und andere Themen, die in der Schule nicht behandelt werden, aber sollten.
„Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so geile Workshops gegeben, wie in diesem Projekt.“
Wir wollen so die Lehrpläne durch Projektwochen ergänzen. Dann gibt es noch das Queerienprogramm, ein queeres Ferienprogramm in Hamburg-Barmbek für queere Jugendliche. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so geile Workshops gegeben, wie in diesem Projekt. Die Jugendlichen waren einfach so krass. Ich bin immer noch komplett davon umgehauen, dass so viele Jugendliche da hingehen. Das Interesse an Queerness, sich in Drag zu kleiden, in Raptexten auszuprobieren. Queerness zum Mitmachen ist einfach so nice.
Machen dir diese Projekte Hoffnung auf die Zukunft für kommende Generationen? Voll! Auf den CSDs in diesem Jahr waren so viele junge Queers, wo ich dachte: „Wow, die sind einfach schon so weit.“ Da waren 14-Jährige mit der Trans*flagge um den Schultern. In dem Alter war ich noch lange nicht an diesem Punkt.
Uns haben damals die Identifikationsfiguren gefehlt. Heutzutage wird Queerness so vielschichtig präsentiert und nicht nur durch die Handvoll, die man aus dem Fernsehen kennt, wie in unserer Jugend. Wen gab es damals für dich? Walter aus dem Frauenknast war meine erste Identifikationsfigur (lacht).
SIEGESSÄULE präsentiert:
Finna „Zartcore Tour 2022“, 11.11., 20:00, Badehaus
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#hiphop#queerfeministisch#Musik