Neuinterpretation von „Ein Sommernachtstraum“ im Staatsballett

Mit seiner Ballettadaption von Shakespeares Komödie begibt sich Edward Clug mit dem Berliner Staatsballett in die Wirrspiele des Begehrens
Bei Antritt seiner Intendanz vor eineinhalb Jahren formulierte Christian Spuck den Wunsch, die großen Namen der Ballettwelt mögen sich beim Staatsballett die Klinke in die Hand geben. Mit diesem Konzept ist er bereits recht weit gekommen: Mit „William Forsythe“ begeisterte er das Publikum mit Werken des legendären Choreografen, und in „Minus 16“ kombinierte er eine Arbeit von Nahad Oharin mit der von Sharon Eyal, die inzwischen als umjubelte Hauschoreografin gelten kann. Jetzt geht Christian Spuck noch einen Schritt weiter. Er beauftragte den begehrten rumänischen Choreografen Edward Clug mit einer abendfüllenden Eigenproduktion: einer Neuinterpretation von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“.
Queere Begehrensformen
Wie Spuck selbst gilt der künstlerische Leiter des Nationalballetts im slowenischen Maribor als Spezialist für Handlungsballette, denen er jenseits von platten Illustrationen neue überraschende Aspekte abgewinnt. Dabei schafft er es zuverlässig, die schwierige Balance zwischen Tiefsinn und Unterhaltung zu halten – und bietet damit natürlich beste Vorraussetzungen für eine intelligente Bearbeitung von Shakespeares fantasiereichen Stücken. „Bisher teilen alle Geschichten, die ich interpretiert habe, das Element des Unsichtbaren und des Unwirklichen“, so Edward Clug. „Ich fühle mich zu dieser imaginären Welt hingezogen, besonders wenn sie mit unserer interagiert. Shakespeare öffnet das Tor zur unvorhersehbaren Welt unserer eigenen Instinkte.“
„Shakespeare verwirrt seine Charaktere mit großem Geschick, bevor er am Ende die Harmonie herbeiführt.“
Die Zutaten im „Sommernachtstraum“ sind bunt gemischt: ein magischer Wald, Feen und Hofnarren, dazu vier Paare, die in wechselnde Konstellationen und Konflikte verstrickt sind. Die Wandelbarkeit von Liebe und Begehren ist das Hauptthema, um das sich die unterschiedlichen Erzählstränge winden. „Shakespeare verwirrt seine Charaktere mit großem Geschick, bevor er am Ende die Harmonie herbeiführt“, so Clug. „Das ist eine sehr reichhaltige und amüsante Erfahrung für das Publikum, und mein Ziel ist es, dessen Erwartungen mit unerwarteten Lösungen zu erfüllen.“
Es geht tatsächlich wild durcheinander in Shakespeares Zauberwald. Die damit einhergehende Infragestellung normativer Liebesvorstellungen lässt dabei durchaus auch eine queere Lesart des Stückes zu. So kann die berühmte Szene, in der sich die Feenkönigin Titania durch Zauberkraft in einen eselsköpfigen Handwerker verliebt, als Metapher für queere Begehrensformen gelesen werden. „Ich verbringe viel Zeit damit, die Geschichte zu untersuchen, und ich studiere jeden Charakter und die Motive, die sie antreiben, im Detail“, sagt Clug. „Wenn ich anfange, mit den Tänzern zu kreieren, erlebe ich Shakespeare instinktiv und spüre seine Anwesenheit in meinem gesamten Körperausdruck.“
„Die Musik sollte meine Rezeption der Geschichte verstärken und mich nicht davon ablenken.“
Für die Musik hätte sich eigentlich eine original Berliner Komposition angeboten: 1843 schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy eine Schauspielmusik zum „Sommernachtstraum“. Clug aber entschied sich gegen diese naheliegende Option: „Die Musik sollte meine Rezeption der Geschichte verstärken und mich nicht davon ablenken“, meint der Choreograf. „Dies war bei Mendelssohn der Fall, seine musikalische Vorstellung des Stücks ist in der Tat schön, aber ich wusste von Anfang an, dass ich mehr als das brauchte.“
So betraute er den slowenischen Komponisten Milko Lazar mit einer Auftragskomposition. Seit 17 Jahren arbeiten sie zusammen. In enger Abstimmung entstand so eine maßgeschneiderte zeitgenössisch klassische Ballettmusik, die vom Orchester der Deutschen Oper beim Premierenabend uraufgeführt wird. Bei der visuellen Umsetzung der temporeichen, Fantasy-artigen Handlung setzt Edward Clug auf eine schnelle Abfolge von großen Bildern und leeren Räumen: „Wir wollen spezifische Illustrationen vermeiden und setzen stattdessen auf die Kraft der Suggestion, die die Vorstellungskraft der Zuschauer*innen und ihre innere Beteiligung auf dieser aufregenden Reise anregt!“
SIEGESSÄULE präsentiert „Ein Sommernachtstraum“
01.03., 19:30
09.03., 18:00
10.03., 19:30
30.03., 14:30 + 19:00
Deutsche Oper staatsballettberlin.de
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