Neues Stück von Falk Richter über die Mauer des Schweigens in der Familie
Im Theaterstück „The Silence“ an der Schaubühne ist Dramatiker und Regisseur Falk Richter so persönlich und schonungslos offen wie nie zuvor, schreibt SIEGESSÄULE-Autor Ecki Ramón Weber. Die Hauptrolle übernimmt der gefeierte Kino- und Netflix-Star Dimitrij Schaad („Kleo“)
Die Stücke von Falk Richter fühlen den Puls der Gegenwart. Es geht um Beziehungen und Entfremdung in Zeiten von Neoliberalismus, Globalisierung und Digitalisierung, um Homophobie und Rechtsex-tremismus. In Berlin war dies etwa in „Never Forever“ und „FEAR“ an der Schaubühne oder in „Small Town Boy“ am Gorki Theater zu sehen. 2022 gab es beim Kunstfest Weimar „Welcome to Paradise Lost“, eine Oper von Jörn Arnecke über die Klimakrise auf ein Libretto von Richter. Sein neues Werk „The Silence“ geht dagegen in die Vergangenheit.
Eine Figur namens Falk ist der Protagonist. Im Fokus steht Richters eigene Familie, exemplarisch für bundesdeutsche Verhältnisse. Das Schweigen in „The Silence“ steht für die unbewältigte Aufarbeitung von NS-Diktatur, Shoah, Krieg, Vertreibung, Flucht und Nachkriegszeit. „Wie bestimmte Traumata und Narrative oder Skripte weitergegeben werden an spätere Generationen, das ist auch ein Thema in meinem Stück“, erklärt Falk Richter.
„Wie bestimmte Traumata und Narrative oder Skripte weitergegeben werden an spätere Generationen, das ist auch ein Thema in meinem Stück.“
Wie viele seiner Generation hat Richter als schwuler Jugendlicher in den 1980er-Jahren Homophobie selbst in der eigenen Familie erlebt: „Reste unreflektierter Nazi-Ideologie, die gingen durch die gesamte Gesellschaft in der Bundesrepublik. Auch bei meinen Eltern, die überhaupt keine Nazis waren, sondern Liberale, gab es noch Teile rechter Ideologie, etwa beim Thema Homosexualität“, erzählt er im Interview mit SIEGESSÄULE, „das hat sich erst später geändert, als ich erwachsen war und sie mich mit meinen Partnern in Beziehungen erlebten. Und als mit Wowereit und Westerwelle auch schwule Männer in führenden Positionen in der Öffentlichkeit Sichtbarkeit erlangten.“
Als Jugendlicher hat Richter in der niedersächsischen Provinz, wo er aufwuchs, auf offener Straße homophobe Gewalt erfahren: Faustschläge ins Gesicht, verpasst von Schwulenhassern. Das kommt im Stück vor, angesichts zunehmender Fallzahlen heute nach wie vor aktuell: „Ich finde es wichtig, den Angriff auf mich öffentlich zu machen und ihm einen politischen Rahmen zu geben, indem ich frage: Wieso wird queeren Menschen eigentlich nicht geholfen? Wieso gibt es diese Leute, die daneben stehen und sich das bloß angucken, womöglich sogar den Täter noch anfeuern? Warum ist das noch immer so? Das muss sich ändern“, erklärt Richter.
Komik allzu menschlicher Absurditäten
Überhaupt reichen mehrere Stränge von „The Silence“ in unsere Gegenwart. „Bei der Arbeit am Stück hat mich der wieder aufkommende Faschismus beschäftigt, die Gefährdung bestimmter Gruppen, auch der queeren Community. Zwischenzeitlich gab es eine Phase der Hoffnung, wo es wirklich mehr Freiheit für queere Menschen gab, aber im Moment bewegt es sich in vielen Teilen der Welt ja gerade zurück, queere Menschen sind wieder Zielscheibe rechter Politik.“
Mögen sie noch so politisch, kritisch und tragisch sein, oft erhalten die Stücke von Falk Richter eine tröstende Leichtigkeit und Empowerment durch leidenschaftlich vorgetragene Songs oder durch Situationskomik, Ironie oder Groteske. In „The Silence“ gibt es vor allem dokumentarische Videosequenzen mit Gesprächen zwischen Richter und seiner Mutter und autofiktionale Passagen auf der Bühne.
„Bei der Arbeit am Stück hat mich der wieder aufkommende Faschismus beschäftigt, die Gefährdung bestimmter Gruppen, auch der queeren Community.“
Schwer vorzustellen angesichts der verhandelten Themen, aber auch hier blitzt die Komik allzu menschlicher Absurditäten auf, die Richter zuspitzt. Etwa wenn sich die Figuren beharken, um die eigene Position zu stärken. Die Hauptfigur Falk spielt an der Schaubühne übrigens Dimitrij Schaad, wie Richter betont, „ein Schauspieler mit einem großen komischen Talent. Er geht sehr auf die Zuschauer*innen zu, spielt sehr zugewandt. Er gibt dem Abend oftmals eine Leichtigkeit, weil er einen anderen Abstand hat.“
Schaad werden viele vermutlich kennen aus der Verfilmung des Bestsellers „Die Känguru-Chroniken“, wo er die Hauptrolle des Kleinkünstlers Marc-Uwe übernahm, auch im Netflix-Hit „Kleo“ spielte er neben Jella Haase die männliche Hauptrolle. Es ist also eine ausgesprochen prominente Besetzung.
The Silence
Regie: Falk Richter,
Schaubühne (Globe),
21.11., 21:00,
22.11., 20:00,
05.12., 20:00,
06.12., 20:00 u.a.
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