Gesetzesentwurf steht

Neues Selbstbestimmungsgesetz stößt auf Kritik

28. Apr. 2023 pb

Endlich geht es weiter mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz für Trans*: Nach etlichen Verzögerungen haben das Bundesjustiz- und das Familienministerium einen gemeinsamen Gesetzesentwurf vorgelegt. Vor allem die darin enthaltenen Regelungen zum Hausrecht, zur Bedenkzeit und zum Kriegsfall stoßen auf Kritik

Die Bundesministerien für Justiz (FDP) und Familie (Grüne) haben sich auf den Gesetzesentwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz geeinigt. Am 27. April gab der Queer-Beauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann auf dem Kurznachrichtendienst Twitter bekannt, dass die Ressortabstimmung begonnen hat.

Für die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer ist das ein „historischer Schritt“. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz werde endlich auch trans- und intergeschlechtlichen Menschen das Grundrecht auf ein selbstbestimmtes Leben zugesprochen, das ihnen lang vewehrt blieb. „Damit stärken wir aber auch die Grundrechte für alle, denn für uns ist das Selbstbestimmungsgesetz nicht nur eine faktische Verbesserung im Leben einiger“, betonte die Grünen-Politikerin.

Wie bereits in dem im Juni veröffentlichten Eckpunktepapier angekündigt, ist das Ziel des Gesetzes, die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens „zu vereinheitlichen, zu entbürokratisieren und eine selbstbestimmte Änderung der Geschlechtsidentität zu regeln“, so steht es im Gesetzesentwurf.

In Zukunft soll eine einfache Erklärung beim Standesamt ausreichen, um den Geschlechtseintrag zu ändern. Bislang war nach den Bestimmungen des „Transsexuellengesetzes (TSG)“ eine Personenstandsänderung erst nach zwei teuren psychologischen Gutachten und einem Gerichtsverfahren möglich. Diesen Prozess beschreiben viele Betroffene als entwürdigend.

Jugendliche über 14 Jahren brauchen für die Änderung des Geschlechtseintrags die Zustimmung ihrer Sorgeberechtigten. Bei Kindern unter 14 Jahren dürfen nur Sorgeberechtigte die Erklärung zum Geschlechtseintrag abgeben. Die Änderung wird erst nach einer Bedenkzeit von drei Monaten wirksam. Eine erneute Änderung ist frühestens nach einem Jahr erlaubt.

Darüber hinaus bewertet das im Gesetz enthaltene „Offenbarungsverbot“ erstmals Deadnaming, Zwangsouting und Misgendern als Ordnungswidrigkeit. Bei Verstoß drohen Strafen von bis zu 10.000 Euro.

Kritik von der Linkspartei

Der Entwurf stellt auch einige Punkte klar, die aus der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz entstanden sind (SIEGESSÄULE berichtete). Das betrifft beispielsweise den kontroversen Passus über den Zugang zu Frauensaunen, Frauenhäusern oder Umkleiden: In diesem Fall gelte weiterhin das Hausrecht zum „Schutz der Intimsphäre und persönlichen Sicherheit“. Allerdings heißt es in den Erläuterungen zum Gesetz auch, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und damit auch der bestehende Diskriminierungsschutz für trans* Personen unverändert bleibe. Demzufolge ist es nicht erlaubt, trans* Personen pauschal wegen ihrer Geschlechtsidentität den Zugang zu verwehren, sondern nur in besonderen Einzelfällen. Unklar bleibt weiterhin, weshalb der Passus zum Hausrecht überhaupt in den Entwurf aufgenommen wurde.

Maja Tegeler, Vorstandsmitglied der Linkspartei sowie die Bundessprecher von DieLinke.queer Frank Laubenburg und Daniel Bache werfen der Bundesregierung vor, unnötigerweise „auf die frei erfundene Mär von der angeblichen Gefährdung von Schutzräumen durch trans Personen“ reagiert zu haben und kritisieren in einer Pressemitteilung, dass im Zweifelsfall „erst vor Gericht die Einhaltung der Regeln des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) auch für trans Personen“ durchgesetzt wird.

Auch weitere Sonderregelungen im Gesetzesentwurf stoßen auf Kritik. Zum Beispiel sollen gesetzliche Leistungen der Krankenkassen von den Änderungen des Geschlechtseintrags unberührt bleiben: „Auf den aktuellen Geschlechtseintrag kommt es nicht an, wenn medizinische Leistungen zu ergreifen sind“, heißt es im Gesetzesentwurf. DieLinke.queer befürchtet „individuelle Kämpfe mit Krankenkassen und Gerichtsverfahren“ als Folge. Ebenso kritisiert DieLinke.queer die Bedenkzeit von drei Monaten, da dadurch von Betroffenen erwartet werde, ohne Grund über Monate „in einem Wartestand zu verharren.“

Neu ist auch der Paragraph, nach dem im Kriegsfall der Geschlechtseintrag nicht mehr verändert werden darf, um zu verhindern, dass sich cis Männer über das Selbstbestimmungsgesetz der Einberufung entziehen. „Erschreckend ist, dass nun in einem Gesetz bereits ein eventueller Kriegsfall mitgedacht wird und vorsorglich Grundrechte verwehrt werden sollen“, sagt Kathrin Vogler, die queerpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag. „Wir werden uns im parlamentarischen Verfahren genau anschauen, welche Einschränkungen in das Gesetz aufgenommen werden sollen. Ob Hausrecht, Anwartschaftszeit oder Sonderregelungen für den Sport – einiges erscheint mir nicht plausibel und im Sinne der Betroffenen geregelt.“

Im Anschluss an die Ressortabstimmung stehen eine Verbändeanhörung und der Kabinetts­be­schluss über den Gesetzentwurf an. Nach dem Kabinettsbeschluss müssen der Bundestag und der Bundesrat ihr grünes Licht geben, ehe das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft treten kann.

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