Neukölln

Neuer Buchladen für Frauen und Queers

6. Nov. 2020 Anja Kümmel
Bild: Victor Hensel-Coe
„She said“-Team: Cafémanagerin Fiamma Aleotti, Buchhändler Linus Giese und Inhaberin Emilia von Senger (v. l. n. r.)

Im November sollte „She said“ in Neukölln eröffnen – eine „Frauenbuchhandlung 2.0“, die auch queere Stimmen ins Zentrum setzt. Wegen Corona wurde der Eröffnungstermin verschoben, voraussichtlich auf Anfang Dezember. SIEGESSÄULE unterhielt sich schonmal mit Emilia von Senger und Linus Giese vom Team

Emilia, wie kamst du auf die Idee, eine Autorinnenbuchhandlung zu gründen? Die Idee ist schon Anfang 2019 entstanden. Aber erst mal musste ich im Buchhandel einiges lernen. Weil ich in der Schule und im Studium fast nur alte weiße Männer gelesen habe, wollte ich einen Ort schaffen, an dem weibliche, queere und diverse Stimmen im Vordergrund stehen.

Linus, du betreibst seit fast neun Jahren den Blog „Buzzaldrins Bücher“ und hast gerade dein erstes eigenes Buch veröffentlicht. Wie kamst du bei „She said“ mit ins Boot? Seit Juni 2017 arbeite ich als Buchhändler. Für mein eigenes Buch habe ich mir eine kleine Auszeit genommen, aber für mich stand immer fest, wieder zurück in den Buchhandel zu gehen. Als ich dann zum ersten Mal von „She said” hörte, dachte ich sofort: Das passt zu mir!

Welche Kriterien muss ein Buch erfüllen, um im Regal von „She said“ zu landen? E: Wir müssen es gut finden! (lacht) Und dann sollte es idealerweise von einer Frau oder einer queeren Person geschrieben sein. Bei Kinderbüchern ist uns vor allem der Inhalt wichtig – der soll empowernd sein, mit Genderstereotypen brechen und die Vielfalt unserer Gesellschaft darstellen.

Bei Rebecca Solnit las ich kürzlich das treffende Zitat: „Es ist auch problematisch, wenn Menschen zu wenig Zeit damit verbringen, jemand anders zu sein: Es lässt die Phantasie verkümmern.“ E: Jede Geschichte aus einer anderen Perspektive als unserer eigenen weitet unseren Blick auf die Welt. Es ist, als würde man eine neue Sprache mit neuen Begriffen lernen und plötzlich ganz andere Dinge wahrnehmen.

Sind denn Frauen* und Queers im deutschsprachigen Literaturbetrieb immer noch unterrepräsentiert? L: Ja, total! Das fängt häufig schon bei der Frage an, welche Bücher einen Verlag finden – und welche Bücher es dann in die Buchhandlungen und in die Feuilletons schaffen: Das sind immer noch häufig Bücher von heterosexuellen cis Männern. Nicole Seifert und Berit Glanz haben das mit ihrem Projekt #frauenzählen ganz gut sichtbar gemacht: Es erscheinen immer noch deutlich weniger Bücher von Frauen. Und da reden wir noch gar nicht von queeren Autor*innen, die haben es häufig noch schwerer!

Kulturkrise, Abgesänge auf das physische Buch – und jetzt noch Corona! Ist es derzeit nicht ein besonderes Wagnis, einen Buchladen aufzumachen? L: Wir glauben, dass die Eröffnung eines Buchladens, immer ein Wagnis ist – gleichzeitig glauben wir auch, dass es vielleicht noch nie so einen großen Bedarf an neuer Orientierung und Sichtbarkeit gegeben hat. Viele Menschen haben gerade Lust darauf, Bücher und Autor*innen abseits der ausgetretenen Pfade zu entdecken, und wir sehen auch den Bedarf nach einem sogenannten Safe Space, einem Ort, an dem all diejenigen einen Raum bekommen, die noch keine Räume haben.

Was lässt euch zuversichtlich bleiben? L: Da würden wir wiederum auch gerne Rebecca Solnit zitieren, die sagt: „Bis heute betrete ich jede Buchhandlung in der Überzeugung, eine Schwelle zu überschreiten, hinter der möglicherweise genau das liegt, was ich am meisten brauche.“ Wir hoffen, dass möglichst viele genau das bei „She said” finden werden!

She said, Kottbusser Damm 79

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