Interview mit Michael Späth

Neue LSBTI-Ansprechperson bei der Berliner Polizei: „besseres Verständnis für Themen der Community"

1. Apr. 2022 Philip Eicker

Seit Januar gibt es bei der LSBTI-Stelle der Berliner Polizei ein neues Gesicht: Michael Späth ist eine der beiden Ansprechpersonen, die sich um die Klärung polizeibezogener Fragen mit LSBTI-Bezug kümmern. Er arbeitet mit Anne von Knoblauch zusammen, die bereits seit fünf Jahren in dieser Position ist. Der 32-jährige Hauptkommissar wurde in Frankfurt am Main Polizist. 2019 wechselte er von Hessen nach Berlin. Im Gespräch mit SIEGESSÄULE erzählt er von seinem Werdegang und wirbt um das Vertrauen der Community

Michael, du bist bei der Polizei Ansprechperson für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen – ist das ein Vollzeitjob? Ja, tatsächlich. Meine Kollegin Anne und ich arbeiten beide Vollzeit in diesem Bereich. In Berlin hat die Stelle auch schon eine lange Tradition, es gibt sie seit 1992. Wir waren damals die Vorreiter in Deutschland.

Verstehst du deine Stelle als politisch? Die Polizei muss politisch neutral sein. Und so verhalten wir uns auch. Aber natürlich stehen Anne und ich im Fokus. Das bringt schon was Politisches mit sich – nicht nur, weil sich Abgeordnete und Medien an uns wenden, sondern auch weil Gewalt gegen LSBTI oft auch politisch motiviert ist.

Wie hast du dich für diese Aufgabe empfohlen? Irgendwie muss ich wohl überzeugt haben. (lacht) Ich habe im Bewerbungsverfahren natürlich gesagt, dass ich offen schwul bin und deshalb vielleicht ein besseres Verständnis für die Themen der Community habe. Aber bestimmt haben auch meine vorherigen Tätigkeiten eine gewisse Rolle gespielt.

Was hast du davor gemacht? Als ich 2019 nach Berlin gekommen bin, war ich erst Streifenpolizist im Abschnitt 51, also in Friedrichshain. Nach einem knappen Jahr bin ich zur neu gegründeten Brennpunkt- und Präsenzeinheit gewechselt. Wir waren an sogenannten Brennpunkten eingesetzt, die besonders kriminalitätsbelastet sind, zum Beispiel am Kottbusser Tor und am Görlitzer Park.

Was hat dich gereizt an deinem neuen Job? Ein Anlass war, dass ich immer häufiger von Übergriffen auf Leute aus der Community gehört habe – in den Medien, aber auch in meinem privaten Umfeld. Ich erinnere mich zum Beispiel an homophobe Übergriffe in der Hasenheide und in der U-Bahn. Oder an den schrecklichen Vorfall in Lichtenberg, wo ein Mensch mit einer Schusswaffe bedroht wurde. Ich wollte dieser Entwicklung entgegenwirken.

„Das ist ein wichtiges Signal an die Community: Gewalt gegen euch wird bestraft!"

Gibt es mehr Angriffe auf queere Menschen als früher? Das ist schwer zu messen, weil bei homo- und transphoben Straftaten das Dunkelfeld überdurchschnittlich groß ist. Mein Eindruck ist, dass nicht die tatsächliche Zahl der Straftaten wächst, sondern die Zahl der angezeigten Fälle. Es gibt inzwischen ein Bewusstsein dafür. Das ist hoffentlich auch ein bisschen der Verdienst unserer Stelle hier. Es ist also nicht nur negativ, dass die Zahlen derzeit steigen, sondern auch ein Zeichen, dass mehr dieser Straftaten angezeigt werden – und dadurch auch verfolgt werden können.

Wie misst die Polizei dieses Dunkelfeld, also die Zahl der Straftaten, von denen sie gar nicht erfährt? Da gibt es verschiedenen wissenschaftliche Methoden. Wir nutzen die Zahlen von Maneo. Die machen zum Beispiel regelmäßig Umfragen, um die tatsächliche Zahl zu schätzen. Sie gehen davon aus, dass höchstens 20 Prozent davon angezeigt werden.

Wie viele Anfragen kommen bei euch rein? Mehrere pro Tag. Trotzdem ist die Zahl immer noch erstaunlich gering, angesichts der vielen Menschen, die in Berlin zur Community gehören.

Und wie viele erstatten dann auch Anzeige? Fast alle. Wer bei uns anruft, ist meist entschlossen, eine Anzeige zu erstatten. Und wir bestärken sie darin und versuchen vorhandene Hürden abzubauen. Wir weisen auf die Möglichkeiten der Anzeigenerstattung auf der Internet-Wache hin, da die noch oft unbekannt ist. Darüber hinaus gibt es natürlich die Möglichkeit, auf jedem Polizeiabschnitt Berlins eine Anzeige zu erstatten.

Warum sind Anzeigen so wichtig? Erstens, weil nur so ein Verfahren beginnen und eine Strafe verhängt werden kann. Das ist ein wichtiges Signal! Eins an die Community: Gewalt gegen euch wird bestraft! Und eins an potentielle Täter*innen: Ihr kommt mit sowas nicht davon! Und zweitens, weil homo- und transphobe Straftaten nur dann spezialisiert bearbeitet werden können. Beim Landeskriminalamt gibt es eine eigene Abteilung für Hasskriminalität, genauso bei der Staatsanwaltschaft. Homo- und transphobe Beleidigungen und Tätlichkeiten werden als politisch motivierte Straftaten angesehen und auch so behandelt. Ein Gericht kann dann empfindliche Strafen verhängen. Nur als Beispiel: Eine homo- oder transphobe Beleidigung kann den oder die Täter*in einen hohen vierstelligen Betrag kosten, wenn die Staatsanwaltschaft das Mittel der Strafverschärfung nutzt.

„Zeig jeden Vorfall an, so aufwendig es auch sein mag."

Besonders trans und nichtbinäre Personen werden oft angegriffen. Trotzdem gehen viele nicht zur Polizei. Maneo berichtet zum Beispiel von einer trans Frau, die angegeben hat: „Das lohnt sich nicht. Das ist mir zu viel Arbeit.“ Sie müsste dann jeden Tag vier Anzeigen erstatten. Was würdest du ihr raten? Aus Sicht der Polizei kann ich nur sagen: Zeig jeden Vorfall an, so aufwendig es auch sein mag. Natürlich ist es eine Belastung, aber die Polizei kann nur dann etwas machen, wenn die Straftat angezeigt wird. Und erst dann kann die Staatsanwaltschaft tätig werden.

Kannst du nachvollziehen, dass queere Menschen der Polizei misstrauen? Ja, klar, auch aufgrund der Historie. Aber genau deshalb sind Anne und ich ja da! Wir wollen sichtbar sein, Gesicht zeigen und verhindern, dass die Polizei wie eine große, anonyme Behörde wirkt. Deshalb ist uns der persönliche Dialog mit der Community so wichtig: Wir sind mit einem Infostand auf Communityveranstaltungen; wir machen Rundgänge durch den Regenbogenkiez in Schöneberg; wir verteilen in Lokalen unseren Flyer „Zeigen Sie es an!“. Im Februar war ich zum ersten Mal bei einem Rundgang dabei, begleitet von Kolleg*innen in Uniform. So versuchen wir, die Anonymität abzubauen und das Vertrauen in der Community auszubauen. Ich bin überzeugt: Wenn man ein Gesicht mit der Polizei verbindet, ist es einfacher, Kontakt zur Polizei aufzunehmen und letztendlich auch eine Anzeige zu erstatten.

Die Berliner Polizei hat auch mit dem Verein „Liebe wen du willst“ zusammengearbeitet. Zumindest war euer Logo auf den Vereinsseiten angegeben. Nun hat sich herausgestellt, dass die Beratungsarbeit des Vereins unprofessionell war. Hast du davon etwas mitbekommen? Das war noch vor meiner Zeit. Aber ich weiß: Eine formale Zusammenarbeit zwischen dem Verein und der Polizei Berlin gab es nie. Es gab lediglich Gespräche mit dem Vorsitzenden, Herrn Hildebrandt, im Rahmen von LSBTI-Veranstaltungen. Und der Verein hat Straftaten beim zuständigen Fachkommissariat angezeigt, so wie das zum Beispiel auch Maneo tut. Diesen Anzeigen sind war natürlich nachgegangen – das ist unser Job! Im August 2019 wurde dem Verein erlaubt, die Wortbildmarke der Polizei Berlin online zu zeigen. Im September 2021 wurde das überprüft und schließlich aberkannt. Der Verein hat das dann auch zeitnah umgesetzt. Kooperationen zwischen Vereinen und Polizei gibt es durchaus, aber nur nach vielen Jahren der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Ein Beispiel: Mit der Opfervertretung „Weißer Ring“ hat die Polizei Berlin erst nach 30 Jahren eine Kooperationsvereinbarung getroffen. Mit so einer Zusammenarbeit hatte der Kontakt mit „Liebe wen du willst“ nichts zu tun.

Ansprechpersonen für LSBTI:
Anne von Knoblauch
Michael Späth

Columbiadamm 4, 10965 Berlin
Tel.: (030) 4664-979444
E-Mail: lsbti@polizei.berlin.de

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