Nasser EL-Ahmad: „Der CSD gehört auf die Straße!“
Da die „große“ Berliner CSD-Parade in 2020 vor allem digital stattfand, ergriff LGBTI*-Aktivist Nasser El Ahmad die Initiative und organisierte mit anderen Aktivist*innen eine eigene Berliner Pride-Straßendemo am 27. Juni 2020. Wir sprachen im Vorfeld mit Nasser über die Aktion
Nasser, was hat dich dazu bewogen, trotz der Coronakrise eine Pride-Demo anzumelden? Seit Beginn der Pandemie habe ich die Nachrichtenlage zum CSD verfolgt. Als feststand, dass die Demonstration (die Parade des Berliner CSD e.V. am 25. Juli, Anm. d. Red.) größtenteils online stattfinden wird, dachte ich: Das ist schön und gut, aber hat ein virtueller CSD wirklich die gleiche politische Schlagkraft wie eine Demo? Wir kennen die steigenden Zahlen zu homo- und transphober Gewalt. Diese Übergriffe finden nicht nur online, sondern vor allem im öffentlichen Raum und auf der Straße statt. Meiner Meinung nach gehört der CSD auf die Straße – auch in Zeiten einer Pandemie. Andere Menschen aus der Community teilen diese Meinung, z. B. Stefan Kuschner. Gemeinsam mit ihm und den Aktivist*innen Wolfgang Beyer, Christian Pulz und Anette C. Detering organisiere ich den CSD (die Demo unter dem Namen „Berlin Pride: Save our Community, Save our Pride“ am 27. Juni, Anm. d. Red.). Wir haben uns zusammengesetzt und gebrainstormt, da hab ich direkt den ersten Schritt gemacht und den Antrag bei der Versammlungsbehörde gestellt.
Der Berliner CSD e.V. hat, neben dem online-CSD-Stream, auch eine Reihe kleinerer Aktionen am 25. Juli 2020 angekündigt. Auf Facebook habt ihr eure Pride-Demo als „Pride Berlin: Save our Community, Save our Pride (OFFICIAL)“ betitelt. Der Zusatz „official“ ließe sich auch als Konkurrenz zu den geplanten Aktionen des Berliner CSD e.V. verstehen. Nein, es geht nicht um Konkurrenz, es ist eher eine Ergänzung. „CSD“ und „Pride“ sind keine geschützten Begriffe, jeder kann einen CSD anmelden. Ich habe die Pride-Demo bewusst nicht im Juli angesetzt und stattdessen den 27. Juni als Datum gewählt, also den Tag des Global Pride (ein weltweiter virtueller Pride, der am 27. Juni als Stream übertragen wird, SIEGESSÄULE berichtete). Damit wollte ich vermitteln, dass unsere Pride-Demo keine Konkurrenzveranstaltung zum online-CSD ist, der ja am 25. Juli stattfindet.
Seit der ersten Berichterstattung der SIEGESSÄULE über euren Aufruf auf Facebook habt ihr noch einiges daran geändert. Zum Beispiel stand dort zuerst eine Beschränkung der Teilnehmer*innenzahl, die jetzt nicht mehr genannt wird. Was ist der Stand der Dinge? Als wir die Veranstaltung zuerst öffentlich gemacht haben, stand nur ein Thema und das Motto fest: „Safe Our Community, Safe Our Pride“. Dabei geht es darum auf die queeren Bars, Cafés, Clubs und vielen weiteren Einrichtungen aufmerksam zu machen, die in der Corona-Krise um ihre Existenz kämpfen. Inzwischen sind weitere Themen hinzugekommen, z. B. die Lage von LGBTI* in Polen, in der Ukraine und in Russland. Die exakte Route unserer Demo steht noch nicht fest, wir haben als Startpunkt jedoch den Nollendorfplatz im Blick. Zu Beginn hatten wir noch angegeben, dass nur 1000 Demonstrierende mitlaufen können, auch das hat sich inzwischen geändert. Am 28. Mai hat sich der Berliner Senat darauf geeinigt, dass Demonstrationen wieder ohne zahlenmäßige Begrenzung stattfinden können. Deswegen wird es auch auf unserer Pride-Demo keine Begrenzung der Teilnehmer*innenzahl geben. (Versammlungen „unter freiem Himmel“ im Sinne des Demonstrationsrechts sind in Berlin ab dem 30. Mai wieder ohne zahlenmäßige Beschränkung möglich. Der Mindestabstand von 1,5 Metern und Hygieneregeln müssen weiter eingehalten werden, Anm. d. Red.).
Welches Feedback habt ihr bisher für eure Aktion bekommen? Es ist sehr zwiegespalten. Die einen haben große Sicherheitsbedenken, die anderen haben sich genau so eine Pride-Demo gewünscht. Zu unseren Unterstützer*innen zählen u. a. diverse queere Bars und Clubs, eine Gruppe polnischer Aktivist*innen sowie die Drag Queens Fixie Fate, Katy Bähm und Gloria Viagra.
Einige Stimmen aus der Community kritisieren euer Vorhaben, weil das Ansteckungsrisiko bezüglich des Coronavirus in großen Menschenmengen höher ist. Wie geht ihr mit dem Thema um? Die Corona-Krise belastet uns alle. Genau deshalb denke ich, dass es im Interesse jedes einzelnen Demonstrierenden sein muss sich an die Regeln zu halten – damit der CSD sicher und erfolgreich wird. Wir stehen mit den zuständigen Behörden in Kontakt und werden uns natürlich genau an die Vorgaben halten. Die konkreten Maßnahmen werden wir eine Woche vorher bekannt geben, weil sich in kurzer Zeit viel ändern kann. Allgemein haben wir vor, die Teilnehmer*innen immer wieder darum zu bitten, einen Mundschutz zu tragen und die Abstände einzuhalten. Sollte das nicht klappen, werden wir die Demo auflösen müssen. Das Risiko ist allein deshalb schon geringer, weil wir die Pride-Demo auf das Wesentliche reduzieren werden: Es wird kein kommerzieller CSD, es werden keine Großunternehmen oder Parteien kommen. Auch Essensstände oder eine Abschluss-Party wird es nicht geben. Es geht um unsere Sichtbarkeit und politischen Forderungen. Wir kehren sozusagen zu den Wurzeln zurück.
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