Homosexualität im Jazz

Musik für Darkrooms: Erik Leuthäuser im Gespräch

17. Jan. 2020 Kaey
Erik Leuthäuser

Im eher konservativen Jazzbereich ist Erik Leuthäuser eine Ausnahmeerscheinung. Wir fragten ihn, wie Plattenlabel und Jazzszene auf den offenen Umgang mit seiner Homosexualität reagieren

Der Berliner Sänger Erik Leuthäuser gehört zur Zeit zu den spannendsten Stimmen im Jazzbereich – nicht zuletzt, weil seine schwule Identität und seine Erfahrungen in der Community sich in seiner Musik widerspiegeln.

In der Bar jeder Vernunft startet er im Januar seine Musikreihe „Wünschen“, benannt nach seinem zweiten Studioalbum von 2018. Am 14. Februar erscheint sein neues Album „In the Land of Irene Kral & Alan Broadbent“

Erik, du hast etliche Musikpreise gewonnen, trittst regelmäßig auf der Bühne auf und bald erscheint deine neue Platte. Was bedeutet dir Erfolg? Erfolg bedeutet für mich nicht, ein Album zu machen, Preise zu gewinnen oder bei einer Plattenfirma unter Vertrag zu stehen. Sondern, die Freiheit zu haben, um musikalisch zu machen was ich möchte, und mit Menschen zu spielen, die ich mag. Das macht mich schon einigermaßen glücklich.

Kannst du von deiner Musik leben? Ja. Natürlich ist es von Monat zu Monat unterschiedlich und auch davon abhängig, wieviele Konzerte ich spiele. Ich unterrichte einmal in der Woche an einer Musikschule und arbeite bei Theaterprojekten mit. Mit all dem läuft es ganz gut.

Du gehst sehr offen mit deiner schwulen Identität um. In sozialen Medien postest du Fotos im Harness oder Jockstrap und auch von dem „Faggot“-Tattoo auf deinem Rücken. Die Jazzszene gilt aber als eher konservativ. Hast du schon negative Reaktionen bekommen? Als ich noch studierte, ist es schon vorgekommen, dass Leute, zu denen ich eigentlich ein recht gutes Verhältnis hatte, plötzlich sehr distanziert waren. Das lag dann wahrscheinlich daran, dass ich am Vortag etwas in den sozialen Medien gepostet habe, das sie nicht so toll fanden. Einmal hat sich auch jemand über mein Bühnenoutfit beschwert. Das Institut, an dem ich studiert habe, veranstaltet regelmässig Konzerte mit den Gesangsstudenten. Diese sind immer sehr gut besucht, vor allem von älteren Charlottenburger Damen und Herren. Nach einem dieser Konzerte hat eine der Damen eine Mail an den Leiter des Instituts geschrieben. Ich habe an einem Abend ein Crop Top auf der Bühne getragen und man konnte ungefähr fünf Zentimeter von meinem nackten Bauch sehen. Das fand sie nicht so toll. Daraufhin gab es intern sogar eine Diskussion, ob für Konzerte ein Dresscode für die Studierenden eingeführt werden soll. Mit mir hat man allerdings nie darüber gesprochen. Ich habe es erst durch Dritte erfahren, die mir ständig sagten, dass sie mein Outfit toll fanden und mich ermutigt haben, mich nicht unterkriegen zu lassen.

Gab es auch Kritik von deinem Plattenlabel? Mein Album „Wünschen“ habe ich erstmals mit einem größeren Plattenlabel, MPS (Musik Produktion Schwarzwald), produziert. Am Anfang gab es ein Meeting mit Marketing-Experten, die mich dann schon darauf aufmerksam gemacht haben, nicht so viel Privates zu posten. Es wurde auch hinterfragt, ob ich bei meinen Konzerten über meinen Freund sprechen soll. Er hat einmal zu mir gesagt, dass er sich manchmal wünscht, ich sei ein kleines Känguruh, das er immer bei sich tragen kann. Daraufhin habe ich den Song „Kannst du mein Kangaroo sein?“ geschrieben, der auch auf der Platte ist. Ich erzähle diese Geschichte gerne, bevor ich den Song auf meinen Konzerten singe. Da wurde dann tatsächlich überlegt, ob das nötig sei. Mittlerweile ist mir das aber auch egal. Ich bin nicht mehr bei diesem großen Label.

Es gibt wenige offen queere Jazz-Musiker*innen. Was denkst du, woran das liegen könnte? Meiner Meinung nach liegt das daran, dass Jazz institutionalisiert wurde. Er wird an Universitäten gelehrt und ist damit sehr verschult. Wenn man einen Musikstil in Prüfungen packen will, funktioniert das nur, wenn man sich an Traditionen und bestimmten Werten orientiert. Dabei sind deine technischen Fähigkeiten das Wichtigste. Diese traditionelle Herangehensweise lässt wenig Platz für Leute, die anders denken, und die die Musik mit ihrer Identität verbinden wollen. Allerdings gibt es mittlerweile auch Workshops an den Musikschulen, in denen es darum geht, zu definieren wer man ist und was man sagen will, und wie man das in der Musik ausdrücken kann. Solche Veränderungen passieren aber sehr langsam.

Im letzten Jahr bist du mit dem Projekt Music4Darkrooms aufgetreten. Was steckt dahinter? Das mache ich gemeinsam mit Natalie Greffel, mit der ich studiert habe. Sie war neben mir eine der wenigen offenen queeren Personen im Studium. Auf die Idee bin ich gekommen, weil mir aufgefallen ist, dass in manchen Darkrooms Musik läuft. Im Mutschmanns zum Beispiel legt immer ein DJ auf. Musik zu spielen, während andere Sex haben, fanden wir beide total spannend. Uns fasziniert es, in solchen Kontexten live aufzutreten. Also haben wir zusammen gejammt und dabei sind einige Stücke entstanden.

Das bedeutet, es soll eine Tour durch die Darkrooms und Sexpartys der Stadt geben? Das wäre natürlich eine tolle Idee und ein Wunsch. Aber Natalie ist oft in New York und das wird zeitlich eher schwierig.

Wollt ihr eine Platte aufnehmen? Wir werden sicher kein traditionelles Album aufnehmen, das dann bei einem Jazzlabel raus kommt. Ziel ist, in diesem Jahr auf ein paar Festivals zu spielen. Natürlich gerne auch im queeren Umfeld. Mal schauen, was sich ergibt. Wir sind für alles offen.

Interview: Kaey

Erik Leuthäuser & Gäste: „Wünschen“,
17.01., 20:00, Bar jeder Vernunft
16.03., 20:00, Bar jeder Vernunft

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#Jazz#darkroom#Homosexualität

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