„Ziemlich monogam“: Mr. Leather Berlin im Gespräch
Beim Oster-Ledertreffen 2023 wurde Miroto Markov zum 7. Mister Leather Berlin gewählt und repräsentiert seither weltweit die Hauptstadtfetischszene. SIEGESSÄULE sprach mit dem 40-Jährigen über Veränderungen in der Szene, über Monogamie und darüber, warum er sich als „Mister“ speziell gegen Shaming innerhalb der Fetisch-Community einsetzt
Was bedeutet für dich Folsom? Als Student war ich vor 20 Jahren schon beim allersten Mal Folsom dabei. (lacht) Ich bin in der Fetischszene groß geworden und habe in verschiedenen Fetischläden gearbeitet, um mein Studium zu finanzieren. Die Fetischwelt war mein Zuhause. Dann bin ich nach Gran Canaria gezogen und erst seit einem Jahr zurück in Berlin.
Was war damals anders? Es war alles sehr klein, auf der Fuggerstraße standen 50 bis 60 Leute. Seither ist das Event explodiert. Die Menschenmenge ist riesig geworden, aber die Straße ist genauso klein geblieben.
Wie erklärst du dir die Veränderungen? Für viele geht es schlicht um die Optik. Die Berliner Szene ist schon immer sehr fetischlastig gewesen. Ich bin als Student, aus Bulgarien kommend, im KitKatClub großgeworden. Damals waren alle Gender, Altersgruppen, Fetische zusammen auf den Partys. Heute gibt es das nicht mehr nur in einem Club, sondern überall. Dazu hat das Berghain viel beigetragen. Dann kam noch Folsom dazu. Und so ist Berlin das Zentrum der Fetischszene Europas geworden.
„Die Berliner Szene ist schon immer sehr fetischlastig gewesen.“
Was ist dein persönlicher Fetisch? Ich würde mich selbst als versatile beschreiben. Ich stehe auf Stiefel, Motorradklamotten, Masken, Lederkleidung, Gummi, Helme, Bondage, Fisting, Puppyplay. Es gibt wenige Sachen, die ich nicht ausprobiert hätte.
Wie hat sich die Fetischszene im Laufe der 20 Jahre – seit dem ersten Folsom – weiterentwickelt? Leider negativ. Damals haben alle Gruppen, egal ob sie Army-, Leder- oder Gummi-Outfits anhatten, zusammen gefeiert. Jetzt hat sich die Szene zerteilt, Gruppen bleiben unter sich. Dann gibt’s noch die BLUF-Community („Breeches and Leather Uniform Fanclub“). Die sind alle schwarz angezogen und in Volluniform, unnahbar und sie sprechen mit niemandem, der nicht genauso aussieht wie sie. Früher gab’s auch kein „Shaming“: Manchmal, wenn ich in Gummi ausgehe, sagen Leute zu mir: „Du bist doch Mr. Leather, wieso läufst du im Gummi-Outfit rum?“ Sie verstehen nicht, dass man mehr als einen Fetisch haben kann. Ich weigere mich, in eine Nische gesteckt zu werden.
„Ich weigere mich, in eine Nische gesteckt zu werden.“
Was bedeutet „Leder“ für dich? Ich bin Motorradfahrer und Ich war von diesen Outfits fasziniert und habe in meiner Motoradkleidung sogar geschlafen, noch bevor ich ein Motorrad hatte. (lacht) Später entdeckte ich den KitKatClub und mein Gehirn explodierte, als ich die ganzen Fetischleute sah. Es kam dann die sexuelle Komponente dazu: Die Lederklamotten bringen etwas Männliches und Hartes ins Spiel, was mir gefällt.
Wie ist das für dich beziehungstechnisch, Mr. Leather Berlin zu sein? Mr. Leather ist ein Vollzeitjob. Und ich arbeite sechs Tage die Woche im Hotel. An den Wochenenden fliege zu Events. Darunter leidet jede Beziehung. Aber ich nehme meinen Partner oft mit.
Du hast demnach einen festen Partner? Ja. Aber er hat mich nicht als Mr. Leather kennengelernt. (lacht)
Bei vielen CSDs wurden zuletzt Fetischgruppen ausgeschlossen – mit dem Argument, man müsse die Kinder „schützen“ vor solchen Anblicken. Die Kinder werden das sowieso sehen. Es ist gut, wenn sie früh erkennen, dass es so etwas gibt. Super wäre, wenn ihnen die Eltern das erklärten, warum mache Menschen sich solche Outfits anziehen.
Es gab innerhalb der queeren Szene viel Kritik an der Hypermaskulinität, die in der Lederszene dominant ist. Was ist deine Haltung dazu? Solange solch eine Form von Männlichkeit jemandem gefällt, wird es sie weiterhin geben. Über Fetisch und Geschmack kann man sich nicht streiten.
„Über Fetisch und Geschmack kann man sich nicht streiten.“
Musst du immer mit deiner Scherpe rumlaufen? Nein, die trage ich nur zu offiziellen Events, wenn ich als Mr. Gay Leather Berlin eingeladen bin.
Ist das nicht ein bisschen albern mit der Scherpe – so wie die Weinkönigin von Posemuckel? Früher dachte ich, nur die „Misses“ laufen so rum. (lacht) Aber nachdem ich bei dem Leder-Wettbewerb mitgemacht habe, habe ich begriffen, wofür das alles steht, Scherpe inklusive. Ich reise als Repräsentant der Berliner Fetischszene rund um die Welt. Oft werde ich eingeladen, das meiste muss ich aber selbst bezahlen.
Das viele Reisen gibt sicher viele Möglichkeiten für Sex … Ich habe meinen Partner. Und ich bin ziemlich monogam.
Wirklich? Ja, und das ist schön, wenn du jemanden findest, der deinen Fetisch versteht und akzeptiert. Wenn ich als Mr. Leather verreise, tue ich das nicht wegen des Sex. Meine Botschaft ist auch keine sexuelle, eher eine gesellschaftspolitische.
„Meine Botschaft ist auch keine sexuelle, eher eine gesellschaftspolitische.“
Ist Fetisch und Sex nicht das gleiche? Es gibt zwei Typen von Leuten: Die einen ziehen die Fetischklamotten nur an, weil es für sie einfacher ist, dadurch Sexpartner zu finden. Die anderen „erleben“ über diese Outfits ihren Fetisch, denen ist der Sex nicht so wichtig wie das tägliche Tragen der entsprechenden Klamotten. Für sie sind diese Outfits ein Lebensgefühl.
Wie viel Kontakt hast du, als Mr. Leather, mit der Lesbenszene? Mit Frauen habe ich wenig zu tun. Aber wir stehen natürlich beim CSD Seite an Seite, und das finde ich super. Und: Neulich gab’s in Hamburg einen Vorfall rund um den „Mr. Handler Europe“, (Person, die die Puppys rumführt). Es war eine lesbische Frau, die den Titel gewonnen hat, davor waren es immer Männer. Zum Event, auf dem alle neuen „Mister“ präsentiert werden sollten durfte sie als Frau nicht rein. Daraufhin haben wir anderen „Mister“ uns abgesprochen und beschlossen, nicht hinzugehen. Diese Frau hat so viel für die Fetischszene in Europa geleistet. Dass sie dann nicht in eine schwule Lederbar reinkommt, ist Schwachsinn. Deshalb sind wir alle ferngeblieben. Denn unsere Botschaft lautet: Akzeptanz, Anti-Diskriminierung und Anti-Bullying.
„Unsere Botschaft lautet: Akzeptanz, Anti-Diskriminierung und Anti-Bullying.“
Wir leben in Zeiten von Gender-Debatten. Hörst du davon etwas in der Szene? Fetisch kennt kein Gender und hat kein Alter. Ich bin im KitKatClub groß geworden, da lief damals alles gemischt rum. Ohne Ausgrenzung. Ich habe dieses Jahr erstmals so viele Frauen mit Puppymasken gesehen, wie nie zuvor in meinem Leben. Ich finde es schön, dass sich die Fetischszene erweitert.
Wer hat dich beim Ostertreffen eigentlich gewählt? Es gibt eine internatonale Jury, bestehend aus dem letzten Mr. Leather Berlin, dem Chef von Mr. B in Amsterdam, außerdem war der Internationale Mr. Leather, der in Chicago gewonnen hat, dabei. Es war ein Riesenevent, das fünf Tage dauerte. Jeder Kandidat musste der Jury Einzelinterviews geben, Fragen des Publikums beantworten, auf einer Bühne auftreten. Man muss eine Show vorbereiten. Man sammelt fünf Tage lang Punkte. Und am Ende wird gewählt, auch das Publikum stimmt ab.
Klingt ein bisschen wie der Eurovision Song Contest … (lacht) Es ist tatsächlich so! Ich kann nur allen empfehlen mitzumachen. Es gibt sehr viel positives Feedback für alle.
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