Melancholische Reiselieder
Lenz Lehmair und Reiner Sladek gehörten früher zu den Animal Crackers. Jetzt haben sie unter dem neuen Bandnamen Drei Sekunden das Album „Der Deutsche Frühling“ herausgebracht – mit minimalistischen queeren Reisesongs
Im vergangenen Jahr landete die Rapperin Céline mit dem Song „Drei Sekunden“ einen Hit, 2009 veröffentlichte das norwegische Autorenteam Roslund/Hellström einen gleichnamigen Kriminalroman, in der Biologie spricht man von der Drei-Sekunden-Regel, um die Aufmerksamkeitsspanne des menschlichen Gehirns zu bezeichnen. Und nun gibt es auch eine Band namens Drei Sekunden, genauer gesagt ein Duo, bestehend aus Lenz Lehmair und Reiner Sladek. Die beiden sind keine Neulinge in der deutschen Poplandschaft: Vor langer Zeit gehörten sie zur Postpunk-Band Animal Crackers, die zwischen 1987 und 1991 vier Alben beim Label ZickZack herausbrachte.
Im besten Sinne nostalgisch
Nach dem Ende der Animal Crackers gründete Lehmair die Band Monostars, die schwermütigen Indierock mit deutschen Texten spielte. Als sie sich für Drei Sekunden zusammenfanden, wollten Lehmair und Sladek ursprünglich elektronische Reiselieder aufnehmen, die „auf selbstverständliche und unaufgeregte Weise queer“ sein sollten, „wie ein Almodóvar-Film“. Herausgekommen ist ein Album, das mit „Der Deutsche Frühling“ einen sehr symbolträchtigen Titel trägt und das Reisethema eher assoziativ und frei interpretiert, wie im Song „Mein Querelle“, der natürlich auf Fassbinders homoerotischen Matrosen-Film anspielt. „Der Deutsche Frühling“ klingt im besten Sinne nostalgisch, wie eine melancholische Version von Suicide: Minimalistisch-elegant pluckernde Elektrosounds treffen auf Indiepop, mal treibend und tanzbar wie in „Ich bin dein Leben“, mysteriös in „Richterrot“ oder systemkritisch in „Schernikau (Ich will nach drüben)“.
Sladek etabliert in seinem Vortrag ein rollendes Rrrr, was in Kombination mit deutschen Texten ja nicht ganz unbelastet ist – doch Drei Sekunden sind zu nachdenklich und reflektiert, um auch nur in den Dunstkreis fragwürdiger Machwerke zu kommen. Sladek und Lehmair unterstreichen ihre skeptische Haltung durch repetitive Lyrics wie in „Ich entschuldige mich“ oder „Wir inszenieren“, drehen und wenden die Dinge, nehmen nichts hin, wie es ist. „Deutscher Frühling“ wirkt auf angenehme Weise aus der Zeit gefallen, wie eine Zeitreise an einen wohlig dunklen Ort, den nur manche von uns erinnern.
P.S.: Die Werke der Animal Crackers wurden kürzlich auf den bekannten Streaming-Diensten unter dem Titel „small loud songs. 1980–1991“ wiederveröffentlicht.
Drei Sekunden
Der Deutsche Frühling (ZickZack)
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