Nachbericht zur Demo am Prinzenbad

Mehr Polizei in Berliner Freibädern: Schutz für LGBTIQ?

24. Juli 2023 Ella Strübbe
Bild: Ella Strübbe
Aktivist*innen bei der Kundgebing vor dem Prinzenbad

Am 23. Juli demonstrierten Aktivist*innen vor dem Prinzenbad gegen die erhöhte Polizeipräsenz und Ausweiskontrollen in Berlins Bädern. Queere Aktivist*innen der Initiative „Columbiabad für alle“ kritisierten, dass die LGBTIQ* Community instrumentalisiert werde, um migrantische Jugendliche zu kriminalisieren

Rund 200 Menschen standen am Sonntag, den 23. Juli, vor dem Sommerbad Kreuzberg in der Prinzenstraße. Aber nicht wie sonst an heißen Tagen in der Warteschlange, sondern vor einem weißen Pavillon, wo die „Kundgebung gegen rassistische Hetze und Bullen in unseren Freibädern“ stattfand. Zur Demonstration aufgerufen hat Migrantifa, das anti-rassistische Netzwerk für und von Migrant*innen.

Mit Redebeiträgen beteiligten sich u. a. queere Aktivist*innen des Bündnisses „Columbiabad für alle“, die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), die Rote Hilfe und anonyme Beschäftigte der Berliner Bäderbetriebe.

Das Ziel: Ein „mediales Gegenbild“ setzen – einerseits gegen die Kriminalisierung migrantischer Jugendlicher und andererseits gegen die Instrumentalisierung queerer Menschen, erklärt Malik Martin*, der die Kundgebung mit einer Rede eröffnet. In der aufgeladenen Debatte um Sicherheit in den Berliner Bädern werden migrantisierte Jugendliche und die LGBTIQ* Community gegeneinander ausgespielt, so die Kritik.

Mehr Polizei und Security in Berliner Bädern

Wie verschiedene Medien berichteten, kam es in den vergangenen Wochen vor allem in den Sommerbädern am Columbiadamm und im Prinzenbad immer wieder zu Ausschreitungen. Im Fokus der Berichterstattung standen „testosteron geladene Männer, (…) die vielleicht auch einen kulturellen Hintergrund mitbringen, (…) wo das Macho-Gehabe ohnehin sehr ausgeprägt ist“. So beschrieb ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei die potentiellen Täter*innen im rbb-Inforadio.

Daraufhin kochten die Gemüter auch in der Politik hoch und Innensenatorin Iris Spranger rief am Abend des 11.07. eine Krisensitzung ein: Für einen sicheren Badebetrieb beschlossen Vertreter*innen von Innenverwaltung, Polizei, Bäderbetrieben und Sozialvereinen, Ausweiskontrollen in allen Berliner Freibädern einzuführen und die Installation einer mobilen Wache. Mit anderen Worten: Sicherheit und Ordnung durch Polizei und externe Security-Mitarbeitende.

Aber Sicherheit für wen eigentlich? Die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen seien auch dafür da, um Minderheiten wie queere Menschen zu beschützen – so lautet ein häufiges Argument in der Debatte.

Gute Minderheiten, schlechte Minderheiten

„Wir sind immer nur dann relevant, wenn’s den Politiker*innen in die eigene Stoßrichtung passt“, sagt die Sprecherin des Bündnisses „Columbiabad für alle“. Es sei interessant, wie viel Eile die Politik darin sähe, LGBTIQ* vermeintlich zu schützen, wenn es darum ginge, von Rassismus und Klassismus betroffene Jugendliche zu schikanieren. Dabei seien viele LGBTIQ* neben Queerfeindlichkeit selbst auch von Rassismus und Klassismus betroffen.

Eine zweite queere Person des Bündnisses erklärt im Interview nach der Kundgebung, auf welche Weise und durch welche Bilder die Debatte unterschiedliche Minderheiten spalte: „Es ist diese klassische Dämonisierungsstrategie, ,migrantischer Mann vergeht sich an weißer Frau', die spaltet.“ In diesem konkreten Fall wird nicht die weiße Frau, sondern die LGBTIQ* Community als Opfer des migrantischen Mannes dargestellt.

Eine Spaltung zwischen queeren Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund sei aber ein inszeniertes Problem und würde migrantische Queers ausblenden, kritisieren die Aktivist*innen vor Ort. Mehrfach diskriminierte Menschen wie Leila von Migrantifa nehmen die erhöhte Polizeipräsenz rund um die Berliner Freibäder als hohe Belastung wahr. Eine Sprecherin der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt teilt diese Ansicht: „Mehr Polizei für maginalisierte Gruppen bedeutet mehr Gewalt, mehr Racial Profiling und mehr Tod.“

Lösungen für soziale Probleme

Die Zahl der Straftaten in Schwimmbädern bundesweit hat entgegen des medialen Rummels um das Thema nicht zugenommen, sondern war in den vergangenen Jahren sogar rückläufig. Dies belegen Recherchen der ARD und des Spiegel. Vor und im Berliner Prinzenbad sind dennoch Polizist*innen in Vollmontur mit Waffen und Pfefferspray unterwegs.

Wenn Ausweiskontrollen zur Regel werden, müsse man sich die Frage stellen, wer überhaupt noch Zugang zum Schwimmbad hat, so die Pressesprecherin von Migrantifa Anissa Diop. Gemeinsam mit den Anwohner*innen wollen sie gegen die Spaltung in „gute“ und „schlechte“ Migrant*innen kämpfen. Statt Polizeipräsenz fordern sie soziale Lösungen für soziale Probleme. Im Kleinen heißt das höhere Löhne für Bademeister*innen und mehr Personal in den Berliner Bäderbetrieben. Im Großen fordern sie den Stopp der Sozialkürzungen: Für den Bezirk Neukölln sieht der Haushalt 2024/2025 Einsparung von insgesamt 22,8 Millionen Euro pro Jahr vor. In der Folge könnten Jugendeinrichtungen, soziale Freizeit- und Wohnprojekte oder Frauenhäuser wegbrechen, kritisierten die Aktivist*innen. „Berlin nimmt sich die Dreistigkeit raus, mobile Wachen aufzustellen und streicht an anderen Stellen Gelder“, so ein*e anonyme Mitarbeiter*in des Prinzenbades.

*Die Namen der Interviewpartner*innen wurden in diesem Artikel verändert

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