Marzahn Pride 2023
Am 24. Juni findet der vierte Marzahn-Pride unter dem Motto „Pride statt Leid” statt. Zum ersten Mal präsentiert der Berliner Bezirk eine ganze Pride Week
„Wir stehen in Solidarität mit allen LGBTIQ*, die in ihren Ländern nicht demonstrieren können”, betont Christina Shneydin gegenüber SIEGESSÄULE. Sie ist Projektkoordinatorin bei Quarteera, dem in Berlin ansässigen Verein russischsprachiger LGBTIQ* in Deutschland, der auch seit 2020 den Marzahn Pride organisiert. „Wir sind gegen militärische Aggression, Kolonialismus in der Welt, die Auferlegung von Religion als Denkweise und das Patriarchat.”
Um dagegen ein Zeichen zu setzen, möchte man am 24. Juni auf die Straße gehen. Treffpunkt ist um 14 Uhr vor dem S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße. Die Route führt dann über die Raoul-Wallenberg-Straße, Landsberger Allee und Marzahner Promenade bis zum Viktor Klemperer-Platz. Dort gibt es ab 16:00 Uhr Reden von Aktivist*innen und Politiker*innen und auch ein kleines Straßenfest mit Musik und Performances. Das genaue Bühnenprogramm wird noch veröffentlicht.
Erste Pride Week in Marzahn-Hellersdorf
Zum ersten Mal ist der Marzahn Pride Teil einer ganzen Pride Week, in der verschiedene Träger, Einrichtungen und Organisationen vom 17. bis zum 24. Juni queerrelevante Veranstaltungen anbieten. Das Programm reicht von Filmvorführungen, empowernden Workshops, Lesungen bis zu einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Warum braucht es eigentlich Pride?”, in der u. a. der Frage nachgegangen wird, warum es jetzt auch einen Pride in Marzahn gibt. Zu den Gästen gehört der ukrainische LGBTIQ*-Aktivist Bogdan Globa, Gründer der Organisation QUA - LGBTQ Ukrainians in America. Das komplette Programm gibt es auf berlin.de. Höhepunkt und Abschluss der Pride Week ist dann am 24. Juni der Marzahn Pride.
„Queer-Sein wird als eine Gefahr des Westens und häufig als Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine herangezogen.”
„Es wird bunt, laut und liebevoll!", verspricht Shneydin, die das Event mitorganisiert. „Auch werden sich bei dem Straßenfest so einige lokale queere und migrantische Organisationen vorstellen und die Möglichkeit geben, miteinander in Austausch zu treten.“
Migration ist ein häufiges Stichwort, das im Kontext vom Bezirk Marzahn-Hellersdorf fällt. Mit ca. 30.000 von insgesamt 270.000 Einwohner*innen ist jede*r Neunte in diesem Teil Berlins russischsprachig. „Für russischsprachige Menschen sind Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit an der Tagesordnung", führt Shneydin aus. „Einerseits führt dies zu einer Mehrfachdiskriminierung von queeren russischsprachigen Migrant*innen, andererseits gibt es weit verbreitete Vorurteile und Desinformation in der russischsprachigen Community. Queer-Sein wird als eine Gefahr des Westens und häufig als Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine herangezogen.”
Russischer Angriffskrieg als Zerreißprobe der Community
Man dürfe sich nicht daran gewöhnen, dass sich queerfeindliche Bewegungen auch innerhalb Europas und Deutschlands ausbreiten, betont Shneydin. „Wir sollten unser Privileg nutzen, um dagegen zu protestieren." Doch durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine steht auch die deutsche russischsprachige Community vor einer zusätzlichen Zerreißprobe.
„Vielen Menschen wurde bewusst, dass ihre Identität von russischer Sprache und Kultur dominiert wird. Das führte zu einem Umdenken, einer notwendigen Dekolonialisierung der PostOst-Staaten. Die Betroffenen besinnen sich auf ihre Wurzeln zurück und wollen Distanz zum Russischen gewinnen”, erklärt Shneydin die neuen Herausforderungen ihres Vereins. So wünschen sich Ukrainer*innen verständlicherweise Schutzräume, die sich davon abgrenzen. Dies stößt allerdings manche russischsprachigen Queers vor den Kopf, da sie selbst von Diskriminierung und Gewalt betroffen und vor diesen geflohen sind.
„Es ist gut und wichtig, diesen Konflikt auszutragen”, resümiert Shneydin abschließend: „Deshalb wollen wir bei dieser Pride auf die vielfältigen Hintergründe der einzelnen Individuen eingehen, die unter dem Schirm der Marzahn Pride als eine Gemeinschaft zusammen kommen.”
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