Schwuler Indie-Rock

Man On Man: „In der Queer Community spielt Zärtlichkeit oft keine Rolle“

21. Mai 2021 Linus Volkmann
Bild: Man On Man / Steven Harwick

Der Name ist für ein schwules Duo nicht gerade subtil gewählt: Man On Man. Dementsprechend geht es auch in den Clips von Joey Holman und Roddy Bottum (u. a. Keyboarder von Faith No More) zu. Das bärige Liebespaar tauscht Zärtlichkeiten aus, dazu läuft raue Gitarrenmusik. Auch ohne Nacktheit für die regressiven Schneeflocken von YouTube zu viel: Der Clip „Daddy“ ihres nun erscheinenden Debütalbums wurde gesperrt. Das aber haben die beiden nicht auf sich sitzen lassen.Mittlerweile ist der Clip wieder bei YouTube zu finden. Linus Volkmann sprach mit dem neuen schwulen Superduo über Corona in New York, Zärtlichkeit in der queeren Szene und die Darstellung von Schwulen in Mainstreammedien

Einen frühen Schrecken der Covid-Pandemie stellten 2020 die Bilder aus New York dar: überforderte Krankenhäuser, überlastete Bestattungsinstitute. Jetzt, über ein Jahr später, wie sieht die Welt heute aus bei euch in New York? Joey: Besser! Wir waren in ganz Amerika ja erst mal mit einer Regierung konfrontiert, die die Pandemie lange Zeit kleingeredet hat und sich so immer mehr Versäumnisse auftürmten. Jetzt ist auf jeden Fall eine wirtschaftliche Krise übrig geblieben, viele sind auf der Suche nach Arbeit, ich habe auch meinen Job verloren. Aber dennoch spürt man mittlerweile eine Erholung. Was dafür sehr wichtig ist: Im Staat New York funktioniert das mit dem Impfen sehr gut. Roddy hat seine Spritze bekommen, bei mir dauert es noch etwas. Roddy: Ich bin halt auch älter!

Man On Man ist in gewisser Weise ein Produkt der Pandemie. Was war da letztes Jahr los bei euch? R: Die Infektionszahlen um uns herum wurden immer höher, es war echt eine ganz gruselige Zeit. Man wollte nichts lieber, als sich einfach einschließen, doch dann wurde meine Mutter sehr krank, und wir sind ins Auto gestiegen und mussten während der Pandemie durchs ganze Land an die Westküste fahren. Wir waren an Stränden, in Krankenhäusern und am Ende auf einer Beerdigung, it was a hell of a trip. In Kalifornien hatten wir während der Reise für längere Zeit eine Unterkunft, hatten Keyboard, Mikrofone, Gitarre und all so was im Gepäck und fingen an, gemeinsam Musik aufzunehmen.

Ist die Band also auch eine Strategie gewesen, mit der extremen persönlichen wie allgemeinen Situation umzugehen? R: Ganz sicher. In die Musik konnten wir viel von dieser bizarren Reise und ganz viel von uns hineingeben. Das hat sich trotz der schwierigen Lage dann doch sehr privilegiert angefühlt. Auch die Videos sind Teil dieses Wegs und spiegeln weit mehr wider als nur den Willen, ein paar Songs mit Bildern zu unterlegen.

Öffentliche Intimität

Wenn man die omnipräsente Zärtlichkeit zwischen euch beiden in den Videoclips sieht, fragt man sich unweigerlich: Sind diese beiden Typen wirklich so eine Einheit? J: Wir sind jetzt zwei Jahre zusammen – und in unserer Beziehung dreht sich alles um gegenseitigen Support. Als wir uns kennenlernten, war es meine Mutter gewesen, die im Sterben lag. Ich bin zu ihr nach Georgia gereist, und auch wenn Roddy nicht physisch anwesend war, haben wir doch die ganze Zeit sehr engen Kontakt gehalten. Das hat uns viel gegeben – und eine solche Unterstützung haben wir zum Fixpunkt unserer ganzen Beziehung gemacht.

Klingt ebenso dramatisch wie rührend. In den Clips inszeniert ihr eure Beziehung aber auch sehr konkret, sehr körperlich. J:
Natürlich. Ich bin einfach immer noch verliebt – und wir sind beide nicht schüchtern darin, all unsere Gefühle in unsere Kunst einfließen zu lassen.

Trotzdem geht es nicht darum, die Songs einfach nur durch Sex visuell aufladen zu wollen, oder? J: Gerade in der Queer Community spielt das Zeigen von Zuneigung und Zärtlichkeit oft keine große Rolle, alles soll lieber grell, groß, krass und total kinky wirken. Wir haben allerdings sehr viel positives Feedback darauf bekommen, dass wir all diese Schichten abgetragen haben und zeigen, was darunter ist. Es ist natürlich auch o. k., das anders zu machen, aber uns geht es mit Man On Man darum, authentisch zu sein.

YouTube war aber auch das zu viel. Gleich euer erstes Video, das zu dem Song „Daddy“, wurde gelöscht. R:
Das war echt ein Schlag ins Gesicht für uns. Wir hatten uns von dem Clip gar nicht viel erwartet, aber er hat sich innerhalb kurzer Zeit sehr weit verbreitet. Und daraufhin, tja, wurde er von der Plattform geschmissen – wegen „sexueller Deutlichkeit“ oder so was. Ich meine, ganz YouTube quillt über von jungen Menschen, die ihre Heterosexualität erkunden und ausleben – auf weit extremere Art als wir es hier getan haben. Aber dennoch waren wir es, die als „falsch“ gelabelt wurden. Das haben wir schon als politischen Angriff gewertet – und uns mit rechtlichen Mitteln gewehrt. Mit dem Ergebnis, dass sie es wieder freischalten mussten. J: Zwei Männer kann man nur zeigen, wenn es ein Witz ist.Typen, die rumfummeln? Damit kommt man sogar ins TV – wenn sie straight sind und es lustig gemeint sein soll. Die Leute sind sehr am Schwulsein interessiert, aber nur solange es bitte bloß ein Gag bleibt. Wenn man es aber ernst meint, finden es die Leute dann doch eklig. Darum ging es bei der Sperrung unseres Clips, um nichts anderes.

Schwule als Witz

Adam Sandler und Kevin James als zwei heterosexuelle Feuerwehrmänner, die aus irgendeinem Grund heiraten müssen – ein Film- und Lacherfolg bei der ganzen Familie. J: Haha, nichts gegen die beiden. Humor ist keine schlechte Sache – doch wenn das die einzige Form ist, wie man mit Homosexualität umgehen kann, dann wird es problematisch. Dann bist du als schwuler Mann einfach ein Witz für die Leute.

Eure Musik erinnert an die späten Hüsker Dü oder die Band Future Islands – ist also verwurzelt im Gitarrenrock. Roddy spielt ja auch noch bei Imperial Teen und ist Gründungsmitglied von Faith No More. Dennoch auffällig, dass Rock abseits von einigen Queercore-Acts immer noch weitestgehend ohne schwule Einflüsse auskommt. Woran liegt das eigentlich? R: Gute Frage, die uns auch beschäftigt. Dance, Disco und alles, was irgendwie camp ist, sieht sich gut vertreten in unserer Community, das können wir echt gut! Aber wenn es um Musik wie unsere geht, wird es verblüffend dünn. Das empfinde ich einerseits als Mangel, andererseits muss ich ehrlich gesagt zugeben: das verleiht unserer Band natürlich auch ein wahnsinniges Alleinstellungsmerkmal. Ich bin ja schon lange im Musikgeschäft, aber ich habe noch kein männliches Paar gesehen, das sich so zeigt wie wir und vor allem so eine Musik spielt.

Bild: Man on Man / Af Cortes

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