Lindy Larsson: „Carmen heute zu spielen heißt, sie zu dekonstruieren“

Lindy Larsson spielt Carmen. Der Schauspieler, Sänger und Romani-Aktivist verkörpert die Heldin der berühmten Oper Bizets in einer Inszenierung von Christian Weise am Gorki Theater. Grund genug, Lindy Larsson besser kennenzulernen
Den Traum, Schauspieler zu werden, hatte Lindy Larsson schon als Teenager. Geboren und aufgewachsen in einem kleinen Gebiet in Schweden, das er liebevoll „Astrid-Lindgren-Areal“ nennt, stammt der virtuose Künstler aus einer großen Romani-Travellerfamilie. Während der Schulzeit erlebte Larsson homophobes Mobbing und Gadjé-Rassismus (Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja). Lindy wollte Schauspieler werden, „nicht um Hamlet zu spielen, sondern eher weil ich dachte, Schauspieler seien extrovertiert und haben keine Angst, öffentlich zu sprechen – alles, wovor ich Angst hatte, konnten sie in meinen Augen“, erinnert sich Larsson.
Debüt in Berlin mit „Roma Armee“
Nach der Schule studierte der introvertierte Junge am University College of Acting in Stockholm. Zu seinen beruflichen Stationen gehören die wichtigsten Theater Schwedens, vom Königlichen Dramatischen Theater über das Stadttheater Stockholm bis hin zur Oper Malmö. Nach Berlin und ans Gorki kam Larsson 2017 mit dem mittlerweile kanonisch gewordenen Stück „Roma Armee“ unter Regie von Yael Ronen. Hier beginnt auch Larssons politischer Romani-Aktivismus. 2019 erscheint Ida Persson Lännerbergs Dokumentarfilm „Lindy the Return of Little Light“ über sein Leben, seine künstlerische Arbeit und sein Romani-Erbe. Gemeinsam mit seinem Ehemann verfasst Larsson „Tschandala – The Romani Version (Sweden’s Dirty Little Secret)“ am Gorki, eine theatrale Selbsterzählung und kritische Relektüre von Strindbergs antiromaistischem Roman „Tschandala“. Er erhält dafür vier Preise.
„Das Wichtigste für uns ist, Carmen eine Stimme zu geben, die in der Oper nicht vorhanden ist.“
In der aktuellen Carmen-Inszenierung von Christian Weise wird die selbstbewusste Romni und Fabrikarbeiterin Carmen aus Sevilla in Form einer queeren, campy, genderfluiden, Slapstick-Melange mit Voguing-Elementen auf die Bühne gebracht. Larsson machte sich schon in zwei vorhergehenden Inszenierungen im Staatstheater Malmö und im Roma Theater Gotland mit der obsessiven Liebesgeschichte zwischen Carmen und Don José vertraut. „Ich liebe Carmen, es ist ein klassisches Meisterwerk, aber eines, das sehr problematisch ist. Es ist frauenfeindlich, sexistisch und natürlich ist es voller antiziganistischer Stereotype. Wir müssen uns wirklich mit ihnen auf der Bühne auseinandersetzen und sie kommentieren, bloßstellen, zerstören. Carmen heute zu spielen heißt, sie zu dekonstruieren. Aber das Wichtigste für uns ist, Carmen eine Stimme zu geben, die in der Oper nicht vorhanden ist.“
Inspiration holte sich Lindy Larsson dafür bei seiner Mutter: „Sie hat nie Angst gehabt, unbequem zu sein und Regeln zu brechen. Sie schreibt Briefe an die Regierung, kämpft für Romani-Rechte. Sie ist eine echte Rebellin und genau so stelle ich mir auch Carmen vor: als eine sehr stolze Romni, die sich nichts gefallen lässt.“
Carmen
11.+12.02., 19:30,
25.+26.02., 19:30,
Maxim Gorki Theater
gorki.de
Folge uns auf Instagram
#Roma#Maxim Gorki Theater#Carmen#Romn*ja#Oper#Christian Weise#Lindy Larsson#Premiere