Spendenkampagne von AllOut

LGBTIQ* in Syrien nach dem Erdbeben: Zu queer für humanitäre Hilfe?

27. März 2023 Paula Balov
Bild: Pexels/Ahmed Akacha
Eine Person vor den Trümmern des Erdbebens in der syrischen Stadt Idlib

Im Februar lösten die schweren Erdbeben im Südosten der Türkei und im nördlichen Syrien eine humanitäre Krise aus. Dabei stoßen queere Syrer*innen in Not bei der Katastrophenhilfe immer wieder auf Barrieren. Wir haben nach den Hintergründen gefragt

Mit einem neuen Fundraising unterstützt das Kampganenbündnis AllOut die LGBTIQ*-Community in der syrischen Erdbebenregion. Die Erlöse gehen u. a. an die syrische Menschenrechtsorganisation „Guardians of Equality Movement“, die sich vor allem für queere Rechte einsetzt. Francois Zankih, der Vorsitzende der Organisation, erklärt im Interview mit SIEGESSÄULE, warum besonders queere Syrer*innen nach dem Erdbeben auf Hilfe angewiesen sind

Francois, warum ist die syrische LGBTIQ*-Community in dieser neuen Krise besonders vulnerabel? Wie wir wissen, treffen Krisen wie die Erdbeben in Syrien und der Türkei die Marginalisierten am stärksten. Syrische LGBTIQ*-Personen gehören sowohl in Syrien als auch in der Türkei zu den am stärksten marginalisierten Gruppen. Syrer*innen in der Türkei waren bereits vor der Katastrophe mit feindseligen soziopolitischen Bedingungen konfrontiert: mit erzwungener Rückkehr, fremdenfeindlichen Darstellungen in politischen Kampagnen und den Medien sowie restriktiven Gesetzen für Geflüchtete – nach türkischem Recht werden Syrer*innen nicht als Flüchtlinge anerkannt. 

Wie sah die Hilfe in Syrien aus? Syrien hat auch innerhalb der kritischen 72-Stunden-Frist für diese Katastrophe keine internationale Hilfe erhalten. Die Hilfskapazitäten in den von der Opposition und dem Regime gehaltenen Gebieten waren unzureichend, und die Infrastruktur, wie zum Beispiel Krankenhäuser, war bereits vor der Katastrophe durch jahrelange Angriffe des Regimes und der russischen Streitkräfte zerstört. Darüber hinaus war die Türkei die humanitäre Reserve für den Nordwesten Syriens, befand sich aber ebenfalls im Ausnahmezustand. Zusammen mit der eingeschränkten Zugänglichkeit und Sicherheit führte das dazu, dass Syrien nicht das optimale Maß an Hilfe erhielt.

„Homophobie ist auch in der humanitären Hilfe in Syrien und der Türkei an der Tagesordnung, selbst bei internationalen Organisationen.“

Auf welche Barrieren stoßen queere Syrer*innen in der humanitären Hilfe? LGBTIQ* werden in Syrien kriminalisiert und sind außerhalb des Gesetzes sozialem, kulturellem und institutionalisiertem Missbrauch ausgesetzt, der auch in der Diaspora weit verbreitet ist. In der Türkei sind LGBTIQ* zwar nicht kriminalisiert, aber dennoch demselben Missbrauch, derselben Diskriminierung und unverhohlener Homophobie ausgesetzt. Homophobie ist auch in der humanitären Hilfe in Syrien und der Türkei an der Tagesordnung, selbst bei internationalen Organisationen. Dies erhöht das Diskriminierungspotenzial für LGBTIQ*-Personen, die auf Hilfe angewiesen sind – insbesondere für trans- und nichtbinäre Personen, deren Identitäten stärker sichtbar sind. Die Katastrophe hat die Opfer in eine exponierte Lage gebracht: Sie befinden sich auf der Straße und in chaotischen Situationen. All dies trägt zur Entwicklung eines unbeständigeren Umfelds für gefährdete Gruppen wie syrische LGBTIQ* bei.

Bild: AllOut
Zitat eines queeren Betroffenen des Erdbebens in Syrien, Bild aus der AllOut-Kampgagne.

Vor welchen Herausforderungen stehen queere Syrer*innen nach dem Erdbeben? LGBTIQ* stehen nun vor zusätzlichen sozioökonomischen Herausforderungen wie dem Mangel an Unterkünften, Lebensmitteln, Medikamenten, Zugang zu medizinischer Versorgung und anderen Grundbedürfnissen. Viele Flüchtlinge in der Türkei arbeiten Tag für Tag für einen Tageslohn und haben aufgrund restriktiver Gesetze keine Ersparnisse – dies verschärft die durch die Katastrophe verursachten Herausforderungen noch weiter. Viele LGBTIQ* sind ebenfalls dringend auf eine Umsiedlung angewiesen, da sie aufgrund ihrer Identität durch ihre Gemeinschaften, Behörden und feindliche Kräfte gefährdet sind.

Die Spende der AllOut-Kampagne geht u.a. an Guardians of Equality Movement (GEM) – auf welche Weise kann eure Organisation die LGBTIQ* Community in Syrien unterstützen? In dieser Notsituation leistet GEM direkte Bargeldhilfe zur Deckung von Umzug, Unterkunft, medizinischen Kosten, Decken, Lebensmitteln, warmer Kleidung, Hygieneartikeln und anderen Grundbedürfnissen. GEM bietet auch spezialisierte MHPSS („Mental Health & Psychosocial Support“, Anm. d. Red.) für LGBTIQ*-Opfer mit Schwerpunkt auf PTBS-, Trauma- und Trauertherapien. GEM arbeitet auch an der Entwicklung anderer langfristiger Hilfsdienste und an der Überweisung an vertrauenswürdige, LGBTIQ*-freundliche Anlaufstellen.

AllOut: allout.org/de

Bild: AllOut
Zitat eines queeren Opfers des Erdbebens in Syrien, Bild aus der AllOut-Kampgagne.

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#AllOut#Spendenkampagne#Guardians of Equality Movement#Menschenrechtsorganisation#Syrien#Erdbeben

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