Erfahrungsbericht

Lemonade Queers: Wie feiert es sich auf einer Sober-Party?

12. Juli 2024 Christian Bojidar Müller
Bild: Benita Suchodrev
Die Jubiläumsparty „Lemonade Queers“ am 10. Juli in der Pepsi Boston Bar

Die drogenfreie „Lemonade Queers”-Partyreihe feierte am 10. Juli einjähriges Bestehen in der Pepsi Boston Bar. Die Bühnenshow war eindrucksvoll und das alkoholfreie Cocktail-Menü zum Niederknien, findet SIEGESSÄULE-Autor Christian Bojidar Müller. Außerdem regte die Party zum Nachdenken über Substanzkonsum in der LGBTIQ*-Community an. Ein Erfahrungsbericht

Mit einer Freundin betrete ich am Mittwochabend die Pepsi Boston Bar, wo sich die ersten Gäste locker um Mit-Organisator*in Momo Strödecke sammeln. Schüchtern geht es erstmal zur Bar, um uns für den einstündigen „Connection Space” mit Drinks auszustatten.

Zum Geburtstag der Veranstaltung gibt es „Yuzu Birthday Fizz“ und eine bunte Vielfalt an Mocktails, die uns staunen lässt. Selten findet man so viel Kreativität, Abwechslung und Liebe zum Detail auf einer alkoholfreien Karte! Doch fresh gemixt und sober wie die Cocktails sind auch die Gäste und Performer*innen an diesem Abend.

Um die schüchternen Nüchternen in Kontakt zu bringen, moderiert Momo liebevoll den „Connection Space” vor der Show. Wir beginnen locker damit, uns nach unseren Sprachenkenntnissen zu verteilen, um anschließend mit Menschen, die wir noch nicht kennen, ins Gespräch zu kommen. Ich unterhalte mich mit einem Mit-Organisator vom Stretch-Festival. So wie ich lebt auch er nicht durchgängig nüchtern, sondern ist vor allem hier, um mal wieder eine Veranstaltung als Teilnehmer zu genießen statt zu organisieren.

Dennoch tauschen wir uns über Konsum und Abstinenz aus. „Von allem, was härter als Alkohol ist, halte ich mich fern,“ erklärt er mir. „Ich beobachte wie Drogen und Tanzen oder Drogen und Sex für viele in der Community immer schwerer voneinander zu trennen sind, sobald man regelmäßig anfängt.”

„Für viele ‚lohnen' sich Clubbesuche und Sex ohne chemische Hilfsmittel nicht mehr.“

Eine Sache, die ich auch beobachte: Für viele „lohnen” sich Clubbesuche und Sex ohne chemische Hilfsmittel nicht mehr. Was harmlos wirkt, könnten aber schon erste Anzeichen für Suchtgefährdung und ein gestörtes Belohnungssystem sein.

Nach mehreren Gesprächsrunden ist die Hemmschwelle auch ohne Alkohol deutlich gesunken, ohne je ins Unangenehme abzurutschen. Ich und meine Begleitung fühlen uns wohl, im Raum und mit der Menge, die jetzt deutlich gewachsen und vielfältiger geworden ist.

Bild: Claudia Hammer
Vlad (li.) und Momo organisieren die „Lemonade Queers“-Partyreihe

Als Initiator und Mit-Organisator Vlady Schklover mit seiner charmanten Moderation beginnt, ist die Pepsi Boston Bar bereits mehr als gefüllt. Zum ersten Jubiläum hat er die Performer*innen der ersten Edition nochmal zusammenkommen lassen, bis auf eine krankheitsbedingte Ausnahme, für die Lawunda Richardson mit ihren berührenden Performances eingesprungen ist.

Drag-Artist Toylet Paypr heizt dem Publikum als Teufel ein während Comedian Philipp Leinenbach das Lachmuskel-Workout übernimmt und Musiker*in Vio & Band mit zärtlichen Sounds zum Träumen einlädt.

„Vlady und Momo wollen bewusst einen Raum schaffen, in dem Soberness nicht zum exotischen Dauerthema wird.“

Die Poetin und Autorin Gorjeoux Moon spricht mit starken Worten die Romantisierung von Suchtverhalten an, besonders unter Künstler*innen. Es ist eines der wenigen Male an diesem Abend, an dem die Themen Sucht und Nüchternheit stärker in den Fokus des Programms rücken. Denn mit Lemonade Queers wollen Vlady und Momo bewusst einen Raum schaffen, in dem Soberness nicht zum exotischen Dauerthema wird – wie so oft bei klassischen Partys, auf denen sich Menschen dafür rechtfertigen müssen, wenn sie „nur“ Cola trinken.

Offene und ausgelassene Atmosphäre

Mittlerweile sind weitere Freunde von mir dazugestoßen. Es war erstaunlich einfach, Menschen in meinem Umfeld für das Format zu begeistern. Bei Mocktail Nummer fünf wird es für mich dennoch emotional. Vlady erzählt uns, wie die Party ursprünglich entstand, um für ihn selbst einen Raum zum nüchternen Feiern zu schaffen. Heute als Host muss er wiederum aufpassen, durch den ganzen Organisationsstress nicht auf der Strecke zu bleiben.

Plötzlich fällt mir auf, dass ich an diesem Abend noch kein einziges Mal an meinen Tabak oder mein Gras gedacht habe, obwohl Raucherraum und Eingangsbereich theoretisch dazu einluden. Ich fühle mich verbunden: Mit meinen Freund*innen, mit der Menge, mit den Menschen auf und hinter der Bühne. Da ist keine Leere, die ich füllen, keine sozialen Ängste, die ich betäuben muss.

„Da ist keine Leere, die ich füllen, keine sozialen Ängste, die ich betäuben muss.“

Eine junge Frau neben mir stellt überrascht fest, wie ausgelassen und offen die Atmosphäre trotz ausbleibender Substanzen ist. Deutlich wird das im Anschluss an die Show als Mira Sonnenberg mit ihrem elektronischen Pop-Set die Bar in einen pulsierenden Dancefloor verwandelt.

Nach einer Stunde tanzen bin ich dann aber auch geschafft. Es ist Mitternacht, mitten in der Woche und eine gesunde Zeit, um beseelt nach Hause zu fahren. „Selten so viel gesoffen,” sage ich aus Spaß zu meiner Gruppe, und alle nicken. Wir haben verdammt viele Mocktails bestellt. Und wir werden es wieder tun.

Lemonade Queers – a Sober Party
Jeden zweiten Mittwoch im Monat,
ab 19:00 in der Pepsi Boston Bar
Mehr Infos: instagram.com/lemonadequeers

Bild: Denis Watson

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