Landtagswahlen in Brandenburg: „Wir haben die Wahl!“
Am 22. September wird in Brandenburg gewählt. Nach den Wahlerfolgend der AfD in Thüringen und Sachsen befürchten viele einen weiteren krassen Rechtsruck. Einer von ihnen ist der Schwarze schwule Berliner Schauspieler Pierre Sanoussi-Bliss. Deshalb beteiligt er sich mit weiteren ostdeutschen Schauspieler*innen bei der DEFA-Kampagne „Wir haben die Wahl!“ und ruft zum Wählen auf
In der DDR aufgewachsen, hat Pierre Sanoussi-Bliss schon im „real existierenden Sozialismus“ erlebt, was es heißt mit Neonazis konfrontiert zu werden – obwohl die DDR sich doch als absolut antifaschistisch definierte, ebenso als anti-rassistisch. Aber die Realität war halt nicht so, wie Sanoussi-Bliss in einer markanten Szene im Film „Coming Out“ (1989) zeigt, wo er in der Ostberliner S-Bahn von Skinheads zusammengeschlagen wird, die es offensichtlich „cool“ finden, sich gegen die Staatsdoktrin zu stellen.
„Ich lasse mich seit 30 Jahren in ‚Coming Out‘ für euch verprügeln, dass ihr ein bisschen aufwacht. Also geht wählen und macht euer Kreuz an der richtigen Stelle.“
Jetzt ist Sanoussi-Bliss mit genau dieser Szene Teil der Kampagne „Wir haben die Wahl!“ der DEFA-Stiftung: „Ich lasse mich seit 30 Jahren in ‚Coming Out‘ für euch verprügeln, dass ihr ein bisschen aufwacht. Also geht wählen und macht euer Kreuz an der richtigen Stelle.“ Zu SIEGESSÄULE sagt er zum möglichen AfD-Triumph im Osten dennoch optimistisch: „Das System ist stark genug, um solche Fuzzis und naiv-populistischen Scheißerchen auszuhalten. Sie werden sich, durch die zu erwartende Regierungstätigkeit, innerhalb kürzester Zeit entzaubern und disqualifizieren.“ Hoffen wir mal, dass er recht behält!
Zum Ursprung für diese Entwicklung im Osten meint Sanoussi-Bliss im SIEGESSÄULE-Interview: „Nach dem Mauerfall wussten viele Bürger*innen der DDR nicht, wo sie eigentlich hingehören, was aus ihnen wird. Das ‚betreute Aufwachsen‘ gab es nicht mehr. Die Welt war grenzenlos und das machte vielen Angst. Die Angst vor dem Fremden, Ungewohnten. Die Angst vor der eigenen Verantwortung. Die Angst vor der Freiheit. Auch gab der Westen, der uns Ossis innerhalb von Tagen seine komplette Kultur überstülpte … und unsere binnen kurzer Zeit verschwinden ließ, oder belächelte, nicht unbedingt das Gefühl der Wertschätzung für unsere Lebensleistung. Dabei erforderte es viel mehr Mut, ein Rückgrat zu bilden, wenn man in der DDR aufwuchs, als meinetwegen in München-Grünwald.“
Demokratie als Konstrukt der Vernunft
Und weiter: „Jetzt wieder geduckt zu werden, durch sehr viel westlich-dekadente Überheblichkeit, das schmeckte den Wenigsten. Verletzter Stolz und Scham waren die Folge. Viele westdeutsche Nazigrößen, wie der stockschwule Michael Kühnen, der 1991 an AIDS starb, ließen sich in die unkoordinierte, aufbegehrende Szene der DDR treiben. Kühnen gründete die Wehrsportgruppe Werwolf und verfasste 1990 den Arbeitsplan Ost, in dem er den Aufbau militanter rechtsextremer Strukturen auf dem Gebiet der ausblutenden DDR beschrieb. Dieser hahnebüchene Kladderadatsch fiel allerdings leider in der verunsicherten Bevölkerung breitflächiger als man es dachte auf fruchtbaren Boden. Diese Anleitungen kursieren immer noch. Inzwischen füllen ganze Parteien unter dem Deckmantel der Demokratie mit ihren ziemlich seltsamen Programmen die ungenutzten 90 Prozent in vielen Hirnen. Im Osten, wie im Westen. Wir sollten nicht vergessen, dass Demokratie nur ein Konstrukt der Vernunft ist, nicht des Herzens.“
„Seit über drei Jahrzehnten [wird] erfolgreich vergessen, dass es auch tausende Schwarze DDR-Bürger*innen gab, die sich durch den sozialistischen Alltag schlugen. Mich zum Beispiel.“
Zu seiner Teilnahme an der DEFA-Kampagne, zusammen mit ostdeutschen Schauspieler*innen wie Jaecki Schwarz, Carmen-Maja Antoni, Ute Lubosch und Jörg Gudzuhn, sagt Sanoussi-Bliss zu SIEGESSÄULE: „Ich fand die Idee super! Schon allein deshalb, weil in sämtlichen Filmen und Programmen gerade der öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch der Privaten, sowie im Kino seit über drei Jahrzehnten erfolgreich vergessen wird, dass es auch tausende Schwarze DDR-Bürger*innen gab, die sich durch den sozialistischen Alltag schlugen. Mich zum Beispiel.“
Als die Stasi – zweimal – bei ihm anklopfte, vermerkte sie in seiner Akte, er sei ein „sehr emotionsgeladener, politisch unbedachter Mensch“. Unbedacht oder nicht, gab Sanoussi-Bliss dem Ministerium für Staatssicherheit zweimal einen Korb, wie seine Akte belegt. Heute ergänzt er: „Ich bin für keinerlei Gruppierungen und Strömungen anfällig, deren Ziele dem gesunden Menschenverstand widersprechen.“
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