Interview mit Festivalleiterin Fatma Parmaksiz

14. Kurdisches Filmfestival mit LGBTIQ*-Fokus

8. Okt. 2024 Axel Schock
Bild: Fatma Parmaksiz
Festivalleiterin Fatma Parmaksiz im Interview.

Eine Woche lang präsentiert das 14. Kurdische Filmfestival Berlin über fünfzig Filme von Filmschaffenden aus kurdischen Regionen und der Diaspora. Im Zentrum stehen in diesem Jahr Filme zu LGBTIQ*-Themen. Ein Gespräch mit der Festivalleiterin Fatma Parmaksiz

Insgesamt zwölf Kurz-, Spiel- und Dokumentarfilme zu queeren Themen gibt es dieses Jahr. Wie schwer war es, diese Filme im kurdischen Kontext zu finden? Die Auswahl an deutschen Produktionen ist natürlich weitaus größer, aber ich war selbst doch erstaunt, wie viele Filme zu LGBTIQ*-Themen von kurdischen Filmschaffenden in den zurückliegenden Jahren gedreht wurden. Das mag womöglich daran liegen, dass innerhalb des Nahen Ostens im kurdischen Volk vergleichsweise offen mit Homosexualität und Transidentität umgegangen wird.

„Das kurdische Siedlungsgebiet verteilt sich auf die Türkei, Irak, Iran und Syrien. Auf Länder, in denen Homosexualität kriminalisiert wird. (...) Daher ist gut zu verstehen, weshalb sich Filmschaffende erst im Exil, solchen Themen widmen.“

Auffällig ist: Sehr viele der ausgewählten Arbeiten stammen von Filmschaffenden, die im Exil leben. Das kurdische Siedlungsgebiet verteilt sich ja auf die Türkei, Irak, Iran und Syrien. Auf Länder also, in denen Homosexualität kriminalisiert wird. Im Irak wurde erst dieses Jahr ein Gesetz erlassen, das gleichgeschlechtliche Beziehungen mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft. In der Türkei ist Homosexualität offiziell zwar legal, ein Pride ist dort dennoch seit 2015 verboten und LGBTIQ*-Menschen sind wachsenden Repressionen ausgesetzt. Daher ist gut zu verstehen, weshalb sich Filmschaffende erst im Exil, wo sie sich freier ausdrücken können, solchen Themen widmen.

Gleich eine ganze Reihe der ausgewählten Filme beschäftigt sich mit der Lebenswirklichkeit von trans* Frauen. Wie lässt sich dieses besondere Interesse erklären? Meine Vermutung ist, dass die kurdische trans Aktivistin Hande Kader hier viel in Bewegung gesetzt hat. Sie wurde 2016 in Istanbul Opfer eines transfeindlichen Hassverbrechens. Sie hat nicht nur viele Aktivist*innen inspiriert, sondern offenbar auch Filmschaffende, sich nun mit der Lebenssituation von trans* Menschen auseinanderzusetzen.

Auch Zwangsverheiratungen und Scheinehen schwuler Männer spielen immer wieder eine Rolle, etwa in den Produktionen „Veşartî“ oder „Bu Ben Değilim“. Wie werden solche Filme innerhalb der kurdischen Community aufgenommen? Bei der Frage der Zwangsverheiratungen ist die kurdische Community gespalten: Kurd*innen in der Diaspora sind eher liberal und weltoffen. In Ländern wie der Türkei oder dem Iran ist das Thema hingegen tabu. Dort wird man LGBTIQ*-Filme und solche, die sich kritisch mit der Zwangsverheiratung queerer Menschen auseinandersetzen, überwiegend als Angriff auf die eigenen traditionellen Werte verstehen. Es ist jedoch wichtig, dass auch dieser Teil der kurdischen Realität gezeigt wird und man darüber spricht.

Auch der Schweizer Film „Beyto“ verhandelt eine Zwangsheirat. Zum Festival ist Yusuf Yeşilöz zu einer Lesung eingeladen, der dazu die Romanvorlage, „Hochzeitsflug“, geliefert hat. Als das Fokus-Thema des diesjährigen Festivals feststand, war für mich gleich klar, dass wir Yusuf Yeşilöz nach Berlin bringen müssen. Und das nicht, weil er zufällig mein Onkel ist! (Lacht) Yusuf Yeşilöz ist selbst nicht schwul. Umso bemerkenswerter, dass er sich so intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und ihm sogar eine Romantrilogie gewidmet hat.

SIEGESSÄULE präsentiert Kurdisches Filmfestival
09.–15.10.
Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz
kurdischesfilmfestival.de

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