Keine Behandlungen mehr für trans* und nichtbinäre Patient*innen?
Trans* und nichtbinäre Patient*innen wandten sich empört an uns: Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Uhlandstraße habe ihre Behandlungen gecancelt. SIEGESSÄULE ist dem nachgegangen
Ohne Vorwarnung brach das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Uhlandstraße – das unter anderem auf Hormontherapien spezialisiert ist und bisher eine Anlaufstelle für trans*, inter* und nichtbinäre Patient*innen war – die für diese Community spezifischen medizinischen Behandlungen ab. Bereits vereinbarte Termine wurden gestrichen. Mehrere Betroffene wandten sich mit dieser Info brüskiert an SIEGESSÄULE.
„Ich bin ängstlich und wütend”, beschwert sich eine nichtbinäre Person, die anonym bleiben will. „Es gibt ohnehin schon so wenig gute Einrichtungen für uns. Jetzt haben wir noch eine verloren.” Die augenscheinliche Entscheidung des MVZ, spezifische Behandlungen für bestimmte Gruppen nicht mehr anzubieten, wirke willkürlich, wie der eigene Fall zeige: „Bei meiner letzten Behandlung kam heraus, dass ich aufgrund meiner gesundheitlichen Verfassung bis ans Ende meines Lebens Hormone nehmen muss. Ich würde auf jeden Fall männliche Hormone nehmen, da ich mich nicht, wie bei meiner Geburt zugeschrieben, weiblich fühle. Würde ich weibliche Hormone nehmen, könnte ich weiterhin im MVZ bleiben, aber mit männlicher Hormonersatztherapie würde ich als trans gelten und von der Patient*innenliste gestrichen werden.”
Einem anderen Patienten, der trans ist, ist genau dies passiert. Seine behandelnde Ärztin habe ihm allerdings versichert, „sie wolle dafür eintreten, dass weiterhin trans* Menschen dort behandelt werden”.
Neuer Behandlungsschwerpunkt
Auf schriftliche Anfrage von SIEGESSÄULE gab das MVZ bekannt, ab dem 01.10. dieses Jahres sei „ein neuer Behandlungsschwerpunkt“ gesetzt worden. Der Schwerpunkt sei nun „auf die Betreuung von schwangeren Frauen und Kinderwunschpatienten begrenzt“. Auf die Frage, ob dies auch trans*, inter* oder nichtbinäre Personen mit Kinderwunsch einschließt, ging das MVZ in seiner Antwort nicht ein.
„Wir sind keine Traumpatient*innen, was den Umsatz betrifft."
Psychologin Ria Cybill Geyer von der Deutschen Gesellschaft der Transidentität und Intersexualität (dgti) sieht den Fall nüchtern. „Ein MVZ ist ein medizinisches Profit-Center. Unterm Strich sind wir keine Traumpatient*innen, was den Umsatz betrifft. Es ist ein freier Markt. Die Entscheidung mag zwar hart sein, ist aber rechtens.” Vereinzelt höre die dgti von solchen Vorfällen, ein bundesweiter Trend in diese Richtung sei derzeit zum Glück nicht zu erkennen. Die Art und Weise, wie das MVZ die Änderung vermittelt hat, kritisiert Geyer jedoch: „Trans* Personen haben oft Traumata durchlebt. Abweisungen können von ihnen als sehr verletzend empfunden werden. Das MVZ hätte zumindest Alternativen aufzeigen und sanft überleiten müssen.”
Gut geschulte und sensible Fachkräfte fehlen
Noch immer sind trans*, inter* und nichtbinäre Menschen in den Curricula von medizinischem Personal kaum Thema. Somit ist es für diese Patient*innen schwierig, gut geschulte und sensible Fachkräfte zu finden. Was bleibt Betroffenen also übrig? Ria Cybill Geyer empfiehlt Medicover als Behandlungszentrum, das auch zwei Standorte in Berlin hat. „Das Personal ist sehr gut geschult, hat langjährige Erfahrung und behandelt auf Augenhöhe.”
Die dgti arbeitet derzeit an einem Qualitätsmanagementsystem, das Ärzt*innen befähigen soll, besser mit der Thematik umzugehen. Die Zusammenarbeit zwischen Psychotherapeut*innen, Endokrinolog*innen und Operateur*innen soll dabei optimiert werden. „Wir wollen auch ein Zertifikationssystem erstellen. Dies ist noch in der Erprobungsphase. Bis Frühjahr nächsten Jahres soll es aber in den Praxen erhältlich sein.” Bleibt also zu hoffen, dass es neben den schlechten Nachrichten auch bald gute geben wird.
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