Køpi, Mollies, Liebig34 und Co.

Kampf um queere und linksalternative Wohnprojekte in Berlin

14. Mai 2021 Amanda Beser
Bild: Brigitte Dummer

Freiräume für linksalternative Lebenskonzepte sind in Berlin bedroht. Nach der Räumung der Liebig34 sind derzeit zwei andere Wohnprojekte gefährdet: der Wagenplatz vorm legendären Punksquat Køpi und der queere Wagenplatz Mollies. Wir wollten wissen, wie es den ehemaligen Liebig34-Bewohner*innen heute geht und wie sich die Lage der anderen Räume entwickelt hat

Im Lockdown scheint das Leben in der Hauptstadt wie eingefroren. Partys gibt es nach wie vor nicht, die Bars bleiben zu. Doch die Gentrifizierung Berlins schreitet trotz Pandemie voran. Der Mietendeckel wurde letzten Monat vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Räumungen finden statt, wie Ende März im Fall der queeren Kreuzberger Kneipe Meuterei. Und nach dem Verschwinden des anarcha-queeren Hausprojekts Liebig34 letztes Jahr kämpfen zwei weitere linksalternative Wohnprojekte, die Stadtbild und Community-Strukturen prägen, ums Überleben.'

Anfang Februar erhielt das autonome Hausprojekt Køpi ein offizielles Schreiben: Die Hausbesitzerin Startezia GmbH wolle den vor dem Haus liegenden Wagenplatz räumen. Die Bewohner*innen ignorierten die Forderung, den sogenannten Køpiplatz bis Ende Februar zu verlassen.

„Viele der Freund*innen, die auf dem Wagenplatz wohnen, sind zur Familie geworden. Würden wir jetzt wirklich geräumt werden, würde das bedeuten, dass die Leute aus ihrem kompletten sozialen Umfeld rausgerissen werden würden“

„Nach mehr als 20 Jahren glaubt die Startezia GmbH, uns ohne Weiteres vertreiben zu können. Natürlich kamen und kommen wir dieser Forderung nicht nach, denn wir werden unser Zuhause keineswegs einfach aufgeben. Bisher gibt es keinen Gerichtstermin, doch dieser kommt bestimmt und das wahrscheinlich eher früher als später“, schreibt das Kollektiv auf seiner Website. Es fühle sich an, „als würde ein hundertjähriger Baum mitsamt den Wurzeln ausgerissen werden“, erzählt Køpi-Bewohnerin Alina im Interview mit SIEGESSÄULE. „Viele der Freund*innen, die auf dem Wagenplatz wohnen, sind zur Familie geworden. Würden wir jetzt wirklich geräumt werden, würde das bedeuten, dass die Leute aus ihrem kompletten sozialen Umfeld rausgerissen werden würden“, sagt sie.

Stress und Ungewissheit

Dem kleinen queerfeministischen Lichtenberger Wagenplatzkollektiv Mollies, das SIEGESSÄULE im letzten Herbst besuchte, droht weiterhin das Aus. Auf dem Gelände an der Rummelsburger Bucht, das dem Immobilienriesen Padovicz gehört, wird bereits seit November an Eigentumswohnungen gebaut.

Rory von den Mollies berichtet: „Der Stand bei uns ist auf jeden Fall ziemlich bedrohlich gerade, weil wir wegen der Bauarbeiten auf der Fläche immer näher zusammenrücken müssen. Man merkt schon sehr, dass wir auf einer Baustelle wohnen. Beinahe jeden Morgen wackelt der ganze Wagen vom Presslufthammer.“ Der Stress, dem die Bewohner*innen durch den Lärm und die Ungewissheit ausgesetzt sind, macht die Lage prekär, anstrengend und kräftezehrend.

„Beinahe jeden Morgen wackelt der ganze Wagen vom Presslufthammer“

Die Bewohner*innen des Wagenplatzes haben immer noch keine Alternative gefunden. Rory ärgert sich über die immer noch ausstehende Unterstützung der Berliner Politik bei der Suche nach geeigneten Ersatzflächen: „Wir haben trotz der Versprechungen der BVV Lichtenberg keine konkrete Perspektive in Aussicht. Derzeit sieht es aus, als ob wir, wenn überhaupt etwas funktioniert, ziemlich weit raus an den Stadtrand ziehen müssen.“

Die aktuell bedrohten Wohnprojekte fühlen sich vom rot-rot-grünen Berliner Senat im Stich gelassen. Sie wünschen sich mehr Unterstützung bei der Suche nach Ausweichflächen. „Wir sind offen, mit der Politik zu sprechen, offen zum Fragen beantworten, offen, in die Diskussion zu gehen“, sagt Køpi-Bewohner Ronny.

Corona macht die Lage schlimmer

Auch die derzeitige Corona-Ausnahmesituation setzt den Wohnprojekten stark zu. „Während einer Pandemie geräumt zu werden ist richtig unangenehm“, berichtet Caro, eine ehemalige Bewohnerin des Wohnprojekts Liebig34, das im Oktober 2020 mit hohem Polizeiaufgebot geräumt wurde. „Wir mussten direkt danach in Quarantäne, hatten aber gar kein richtiges Zuhause“, erinnert sie sich.

Ein halbes Jahr nach der Räumung haben einige der ehemaligen Bewohner*innen immer noch keinen festen Wohnsitz. Manche mussten bei Freund*innen auf der Couch unterkommen, in WGs zur Untermiete oder fanden Platz in anderen Hausprojekten und auf Wagenplätzen. Das Haus in der Friedrichshainer Liebigstraße steht seit der Räumung leer.

„Es hinterlässt ein komisches Gefühl, wenn über 30 FLINTA-Personen während einer Pandemie aus einem Haus rausgezerrt werden, und dann stehst du regelmäßig vor dem Haus, und es ist leer, weil nichts damit passiert“, erklärt Caro. Nach der Räumung sei es für alle schwer, wieder an einem Ort anzukommen. Sie wünschen sich ihren „Traum-Safer-Space“ zurück, in dem sie sich auch eine Bar, einen Sportraum und eine Werkstatt eingerichtet hatten.

„Es hinterlässt ein komisches Gefühl, wenn über 30 FLINTA-Personen während einer Pandemie aus einem Haus rausgezerrt werden, und dann stehst du regelmäßig vor dem Haus, und es ist leer, weil nichts damit passiert“

Da es im Moment keine Möglichkeit gibt, Veranstaltungen zu organisieren, versuchen alle Projekte, über verschiedene andere Kanäle Aufmerksamkeit für ihre Situation zu generieren. Um der aufgestauten Wut Ausdruck zu verleihen und dem Vergessen etwas entgegenzustellen, veranstaltete das Kollektiv der Liebig34 im April, ein halbes Jahr nach der Räumung, eine Erinnerungskundgebung mit Konzerten am sogenannten Dorfplatz vor dem leer stehenden Gebäude. „Den wollen wir immer wieder bespielen, damit nicht vergessen wird, welches bunte Leben da eigentlich rausgezerrt wurde und nun durch was weiß ich ersetzt werden soll“, kündigt Caro an.

„Protestwochenende“ der Køpi am 15. und 16. Mai

Die Køpi plant ihrerseits am Wochenende vom 15. und 16. Mai eine Wagenplatzdemo und -kundgebung, um gegen die geplante Räumung zu protestieren.

Trotz der als traumatisch erlebten Erfahrung der Räumung betont Caro von der Liebig 34, dass es das Kollektiv noch gibt, auch wenn es nicht mehr unter einem Dach zusammenwohnt: „Wir sind noch aktiv dabei und treffen uns regelmäßig, auch für die emotionale Aufarbeitung der Räumung. Wir machen immer noch Küfa in unserem alten Kiez, wenn es die Corona-Bedingungen gerade zulassen, sind an Kundgebungen beteiligt und mit der Interkiezionale sowie weiteren räumungsbedrohten Projekten vernetzt, um diese zu unterstützen. Wir hatten diese Idee der L34, dazu wurde uns der Wohnraum genommen. Aber wir versuchen trotzdem, weiterzumachen und uns nicht unterkriegen zu lassen.“

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