Homophober Vorfall beim CSD: „Wehrt euch!“
Drag-Queen Jurassica Parka wurde auf dem Berliner CSD vergangene Woche von einem Wagen-Ordner queerfeindlich beleidigt. Das war nicht der einzige homophobe Vorfall am Pride-Wochenende. „Bleibt ungehorsam und leistet Widerstand,“ so ihr Appell an die LGBTIQ*-Community
Leute, was für ein Pride-Monat – tatsächlich bin ich jetzt wirklich froh, dass der ganze Drops aber auch mal gelutscht ist. Versteht mich nicht falsch, die Pride-Saison ist für mich als queere Künstlerin was ganz besonderes! Aber ich mach den Bumms jetzt auch schon seit 20 Jahren mit, ich bin älter geworden und abgeklärter. Leider. Mir geht z. B. das Pinkwashing der vielen Unternehmen Jahr für Jahr mehr auf die Nerven.
Früher hab ich mich einfach über so viele Regenbogenflaggen gefreut, heute zerdenke ich viel – und das ist auch richtig so. Mir gehen die hohlen Phrasen auf den Keks, mit denen sich der eine oder die andere Politikbetreibende an den bunten lauten Karren des Prides schummelt. Und die ganze Feierei strengt mich an, aber das liegt am Alter. Diese Büchse der Pandora mach ich hier nicht auf, keine Sorge.
Beim Berlin Pride, dem großen Finale, hat mir dann die Wirklichkeit aber nochmal so richtig eine runtergehauen. Ich war auf dem Wagen eines Mobilfunkunternehmens gebucht und winkte mich so durch den Umzug. Die Parade war riesig und fröhlich und ausgelassen, toll! Dann bemerkte ich aber ziemlich schnell einen Ordner des gegenüberliegenden Trucks. Ordner, das sind die, die immer mit so einem Absperrseil mitlaufen, damit kein Idiot ins Fahrwerk gerät. Ihr wisst schon. Der besagte Ordner machte sich einen ziemlichen Spaß daraus, vorbeilaufende Queers auszulachen und hinterherzuspucken. Unfassbare Aktion! Ich schaute das Arschloch böse an und signalisierte ihm: The drag is watching you, baby! Ich zückte mein Smartphone und zeichnete die ganze Chose auf, aber der Scheißkerl machte munter weiter, deutete stolz auf seine Schuhsohlen und zeigte mir lachend den Fickfinger.
„Ich zückte mein Smartphone und zeichnete die ganze Chose auf, aber der Scheißkerl machte munter weiter.“
Während ich das sofort auf Instagram postete (bei homophoben Fickfingerzeigenden kenn ich ja nichts), ging mein Ehemensch Klausi einfach mal rüber zum besagten Wagen und teilte einer weisungsbefugten Person die traurigen Umstände mit. Das Arschloch bekam einen Rüffel, durfte aber erstmal am Platz bleiben. Der Umzug ging weiter, mich ließ das ganze grübelnd zurück.
Später wurde mir dann erst bewusst, was mein Insta-Post ins Rollen brachte – manchmal vergesse ich, dass ich als Jurassica Parka eben doch eine gewisse Relevanz und Reichweite besitze: Der CSD e. V. meldete sich noch am selben Tag und bat mich, die genauen Umstände zu schildern – der Verein wolle das ganze mit der Securityfirma klären und den Vorfall zu Anzeige bringen (was ein paar Tage später auch passierte). Am darauffolgenden Montag führte ich ein langes Telefonat mit dem Geschäftsführer der Firma Paradeking, auch die meldeten sich proaktiv bei mir persönlich aufgrund meines Postings.
Kurz erklärt: Paradeking wird vom CSD damit beauftragt, Ordner*innen bereitzustellen. Paradeking engagiert wiederum Subunternehmen, die sich dann darum kümmern, Menschen an die Trucks zu stellen – somit auch das Arschloch. Längere Befehlsketten also. Wir wissen ja aus unterschiedlichsten Geschäftsfeldern, dass das gern mal in die Hose geht.
Etwas später trudelte dann ein Anruf vom schwulen Überfalltelefon Maneo ein. Auch die wollten nochmal alles genau für ihre Statistik wissen. Hätte ich sowieso gemacht. Unlängst hab ich das Arschloch dann noch bei der Polizei angezeigt. Also ein Rattenschwanz an Nachbearbeitung, den ich aber nur allzu gerne in Kauf nehme – wehrt euch mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen!
Ich finde es eine sehr gute Entwicklung, dass dieser Vorfall sofort bei entsprechenden Institutionen auf großen Widerhall stieß. Ob das auch mit meiner Prominenz zu tun hat? Könnte durchaus sein, liegt aber im Graufeld der Mutmaßungen.
„Leider passierten auf dem Berlin Pride mehrere solche Vorfälle, teilweise auch tätliche Übergriffe gegen Queers auf den Straßen und in der BVG.“
Leider passierten auf dem Berlin Pride mehrere solche Vorfälle, teilweise auch tätliche Übergriffe gegen Queers auf den Straßen und in der BVG. Letztes Jahr wurden Ordner mit Nazi-Tattoos gesichtet. Es bleibt also noch einiges an Nachbereitung für den CSD e. V. übrig, Maneo berichtete mir, dass sie kaum noch hinterher kommen, alle gemeldeten Vorfälle einzuordnen.
Das hinterlässt einen sehr bitteren Nachgeschmack, macht mich traurig und boxt mich zurück in die Grübelecke. Was haben wir Queers nur getan? Wieso erzeugen wir so viel Hass? Wird das mehr? Statistiken scheinen das zu untermauern. Die Pride-Saison ist weiterhin absolut wichtig und richtig, gerade jetzt.
Und es ist an uns, wenn wir Feindseligkeit erduldet haben, sie dann umso vehementer öffentlich zu machen und zu bekämpfen. Gerade jetzt, wo diese Nazi-Partei mit dem roten Pfeil so erfolgreich wird. Sorry, wenn ich pessimistisch klinge, aber ich sorge mich um unser friedliches Miteinander mehr denn je. Der Drops ist also noch lange nicht gelutscht, merke ich gerade. Ich mache weiter! Bleibt ungehorsam und leistet Widerstand zu jeder Zeit.
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