Judy Garland: Jenseits des Regenbogens
Am 10. Juni 2022 wäre die Schauspielerin und Sängerin Judy Garland 100 Jahre alt geworden. Anlässlich ihres Geburtstags gedenkt unsere Kolumnistin Michaela Dudley der LGBTIQ*-Ikone
Geboren wurde sie am 10. Juni 1922 in Grand Rapids, Minnesota, im hohen Norden des Mittleren Westens. Francis Ethel Gumm, so hieß sie bürgerlich, die jüngste von drei Schwestern. Ihr Vater Frank leitete ein Kino und während der Pausen ließ er gleichsam die Puppen tanzen. Genau genommen trat die ganze Familie mit Musik- und Steppeinlagen auf die Bühne. Der Publikumsliebling bei den kurzweiligen Nummern war eindeutig die süße Francis Ethel.
Mitte der 1920er Jahre zog die Familie nach Kalifornien. Hoffnungen auf Hollywood wurden in Lancaster bei Los Angeles gehegt und gepflegt. Kleinbürgerliche Verhältnisse zwischen Blütenträumen und Börsenkrach. Mit der Großen Depression von 1929 schlug die Armut zu, die Ambition freilich auch. Der American Dream schien sich für Francis Ethel allerdings zu bewahrheiten. Bereits 1927 hatte sie als Siebenjährige eine singende Rolle in dem Film „The Big Revue" bekommen. 1931 trat sie auf der Weltausstellung in Chicago auf. Ein paar Jahre später stand sie unter Vetrag mit den mächtigen Studios von Metro-Goldwyn-Mayer. Inzwischen reüssierte sie als Judy Garland, ihr Pseudonym ehrte angeblich den Filmkritiker Robert Garland. Auf alle Fälle stieß sie auf riesige Resonanz, häufig an der Seite von Mickey Rooney in der Andy-Hardy-Filmserie sowie in der Verfilmung des Musicals „Babes In Arms".
Ihren Zenith erreichte sie 1939 als Dorothy in dem Technicolor-Klassiker „Der Zauberer von Oz", und zwar mit dem balladenartigen Gassenhauer „Over The Rainbow". Weißbrot-Klänge mit farbenprächtigen Tönen, die auch meine junge Black Mama zum Fan werden ließen. Judy bekam 1940 den Jugend-Oscar. 1944 glänzte sie im MGM-Streifen „Meet Me In St. Louis". Der Rest war, wie man so schön salopp und sarkastisch sagt, Geschichte. Ihr wurden noch zahlreiche Ehren zuteil, der Grammy, der Golden Globe, der Tony, weitere Oscar-Nominierungen. Aber es war wie der Abstieg vom Everest. Sie rutschte ins Tal ab. Am Set galt sie als schwierige Diva, wobei die ihr von den Studios laufend verabreichten Aufputschmittel die Lage kaum entschärften.
„Judy Garland war eine meiner allerersten Role Models."
Die Skandalgeschichten rissen nicht ab. Versuchter Selbstmord, drei blitzartige Ehen, darunter mit Regisseur Vicente Minelli, mit dem sie unter anderem Liza zeugte. Dazu litt sie unter chronischem Geldmangel, von ihrer Mutter sei sie ausgebeutet worden. Ausgebuht wurde sie aber nicht, als sie 1961 mit dem Doppelalbum „Judy At Carniege Hall" die Spitze der US-Popcharts eroberte.
In meiner Jugend Mitte der 1960er Jahre in den USA krabbelte und später saß ich vor dem Fernseher und ergötzte mich an ihren glitzernden Abendkleidern. Zunächst heimlich, zog ich mich weiblich an und ließ mich von meiner eingeweihten Cousine und später von meiner erstaunlich weltoffenen Oma, der Tochter von ehemaligen Sklaven, gerne schminken. Judy Garland war eine meiner allerersten Role Models. Aber ihre TV-Show und ihr Comeback, wie ihr Leben überhaupt, waren so kurz wie das kunterbunte Funkeln am Firmament nach dem Sturm.
Mit 47 Jahren starb die Vollblutentertainerin 1969 an einer Überdosis Schlaftabletten in London. Kurz daraufhin wurde sie in New York beigesetzt, und die große Welle der Anteilnahme erfasste ihre geliebte queere Community. Wenig später brachen die Stonewall-Unruhen aus. Marsha P. Johnson galt auch als Verehrerin.
Heute wäre Judy 100 Jahre jung geworden. Einst wie die kleine Dorothy vom Wirbelsturm weggepustet und jenseits des Regenbogens befördert, lebt sie bei uns dennoch in den Herzen und in den Ohren weiter. 🎵 Someday, I'll wish upon a Star...
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