Jota Kayodê Ramos: Ausstellung beleuchtet transmaskuline Identitäten
Jota Kayodê Ramos, transmaskuliner multidisziplinärer Künstler aus Brasilien, lebt und arbeitet in Berlin. Durch Performance, Video, Installation, Fotografie und Poesie beleuchtet seine Schau in der Galerie im Saalbau die Komplexität marginalisierter Identitäten
„Es geht um den Kampf, ein Schwarzer Mensch zu sein, weil es unmöglich ist, nach draußen zu gehen und nicht diskriminiert zu werden.“ So eindringlich beschreibt Jota Kayodê Ramos gegenüber SIEGESSÄULE seine erste große Performance. In der isst er gemeinsam mit seinem Freund Gabriel Faria Benfeito rohen, weißen Fisch. Sie erbrechen ihn immer und immer wieder, weil es schwer ist, ihn zu verdauen. Ein Sinnbild dafür, wie Jota Diskriminierung erlebt. „Wenn wir auf der Straße mit Gewalt konfrontiert werden, geht die Person, die sie dir angetan hat, nach Hause und lebt ihr Leben weiter. Aber wir gehen nach Hause und müssen alles verarbeiten. Das braucht manchmal eine Weile und manchmal bleibt es für immer.“
Trotz aller Wut, trotz des Schmerzes und der Diskriminierung, die Jota erfahren hat, steht er fröhlich lachend inmitten seiner Werke in der Galerie im Saalbau. 33 Jahre alt, ein attraktiver Mann mit leichtem Bartwuchs. Wer aber versucht Jota in seinem Video zu entdecken, wird scheitern. Denn das Video ist nicht nur eine seiner ersten Arbeiten als Künstler, sondern er lebte damals noch nicht binär in einem weiblich gelesenen Körper. Er hat kein Problem, seinen vergangenen Körper überlebensgroß zu sehen. „Es ist Teil meiner Geschichte. Ich werde nicht auslöschen, was vor meiner Transition war, denn es ist immer noch ein Teil von mir. Vor allem weil es eines meiner ersten Werke als Künstler war. Ich bin sehr stolz darauf.“
„Es ist Teil meiner Geschichte. Ich werde nicht auslöschen, was vor meiner Transition war, denn es ist immer noch ein Teil von mir.“
Jotas Geschichte ist eine voller Kraft, Mut, Entschlossenheit und vor allem Freude. Vor fünf Jahren lebte er noch in einer kleinen Stadt am Meer in Brasilien, zwei Flugstunden von Rio entfernt. Bis er die Kunst entdeckte, arbeitete er als Krankenschwester. Dann ging er nach New York, um dort erfolgreich zu werden. Doch dort hieß es, der Hotspot für Künstler*innen sei Berlin. Also landete er im Dezember 2019 ebenda und steckte fest, denn bald darauf begann der Lockdown. Eine Zeit der Besinnung und genug Zeit für Kunst und für sich selbst. Daneben ließ er zu, was er schon immer geahnt hatte: dass er ein trans Mann ist. „Ich habe es immer gewusst, aber hatte damals nicht die Worte.“ Durch Drag entdeckte er, dass er „24/7 Drag leben wollte“ und beschloss die Transition. „Es war für mich magisch, endlich in dem Körper zu sein, in dem ich mich schon immer gefühlt habe.“
Heilung durch Kunst
Für ihn ist trans zu sein politisch, das spiegelt sich in seiner Kunst und in seinen Aussagen. „Ich bin eine trans Person und bin sehr stolz darauf. Ich werde es nie verstecken.“ Die Risiken nimmt er in Kauf. In seiner Heimat Brasilien werden trans* Personen regelmäßig attackiert. In Berlin wurde er bislang einmal am Hermannplatz ins Gesicht geschlagen. Er rief keine Polizei, denn das die ihm hilft, glaubt er nicht. „Ich spreche kein Deutsch, bin Migrant, Schwarz und trans. Die Polizei wird mir nicht zuhören.“ Wenn er an das Erlebnis erinnert wird, kommt die Wut wieder hoch, doch er lässt sich nicht aufhalten.
Mittlerweile hat er ein Visum und kann von seiner Kunst leben. In seiner Ausstellung in der Galerie im Saalbau sind vor allem „schöne“ Arbeiten zu sehen. Zumindest auf den ersten Blick. Videoinstallationen aufgenommen in Düsseldorf oder Brasilien. Schöne Bilder, schöne Menschen. Auf den Widerspruch angesprochen, nennt er die Werke „ästhetisch“. Es ist dort kaum etwas von der Wut zu spüren, die er als Schwarzer trans Mann fühlt. „Ich nutze die Kunst als Heilungsprozess. Für mich ist es ein Weg, die Narben zu heilen, die ich habe.“ Es scheint zu wirken, denn im Gespräch ist er ein fröhlicher, impulsiver, immer lächelnder, energiesprühender Mann. Neben seiner Kunst gibt er Workshops, lädt zu Diskussionen ein, trainiert seine Stimme, damit sie dunkler wird, schreibt Gedichte und sucht Gelder für Projekte. Ein Gesamtkunstwerk. Übrigens möchte Jota nach einem erfolgreichen Künstlerleben in seiner Heimat alt werden. „I am a tropical man“, erklärt er. Bis dahin wird er hoffentlich weiter in Berliner Wintern seine Wut in Kunst ausdrücken.
Jota Kayodê Ramos: A man of many parts,
noch bis 27.10., tgl. 10:00–20:00, Galerie im Saalbau, Karl-Marx-Str. 141, Neukölln
Panel Diskussion: Transmaskulinität auf dem Prüfstand,
02.09., 19:00
Workshop der Ballroom-Kultur (ausschl. für transmaskuline Menschen),
24.10., 18:00
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