John Olday wird 120: Schwules Leben in der Karikatur

Heute wäre der schwule Karikaturist, politische Aktivist und Schriftsteller John Olday 120 Jahre alt geworden. Seine Zeichnungen karikierten das zeitgenössische schwule Leben und zeigten Widerstand gegen das Nazi-Regime. Ein Porträt von SIEGESSÄULE-Autor Klaus Sator
Der deutsch-britische schwule Anarchist und Künstler John Olday wurde unter keinem guten Stern geboren, als er vor 120 Jahren am 10. April 1905 unter seinem bürgerlichen Namen Arthur William Oldag in London das Licht der Welt erblickte. Als unerwünschtes Kind, das der Lebensplanung seiner Mutter im Weg stand, wurde er im Alter von 8 Jahren in die Obhut seiner deutschen Oma übergeben. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Hamburg.
Aktivist, Künstler und Schriftsteller
Dort erlebte er den Ersten Weltkrieg und das damit einhergehende Leid der Menschen. Er organisierte sich schon früh in der sozialistischen Jugendbewegung und unterstützte in der Novemberrevolution die Spartakisten. Später kämpfte er im Widerstand gegen Hitler, zunächst in Hamburg und nach seiner Flucht aus Deutschland in England.

Olday war jedoch nicht nur politischer Aktivist, sondern auch Künstler, Schriftsteller und Journalist. Abschnitte in seinem Leben, in denen für ihn die Politik im Vordergrund stand, wechselten sich ab mit jenen, in denen sein künstlerisches Schaffen größeren Raum einnahm. Mit seinen Bildern, Zeichnungen und Karikaturen, seinen Liedern und Gedichten klagte er die gesellschaftlichen Missstände seiner Zeit an.
Als Maler, Sänger und Dichter verstand Olday sich vor allem als Sprachrohr der von der Gesellschaft Verachteten, Ausgegrenzten und Entrechteten. Dazu zählten für ihn auch queere Menschen, was zahlreiche seiner Karikaturen, Lieder und Gedichte belegen. Als überzeugter Anarchist und Freigeist trat er für die freie Entfaltung des Menschen und eine selbstbestimmte Sexualität ein.
Olday zeigte damalige Stereotypen
Seine Karikaturen über Schwule, ihren Alltag und ihre sexuellen Fantasien wurden in den 1970er Jahren in Schwulenmagazinen in Deutschland, England, den Niederlande und Schweden veröffentlicht. Für das Hamburger Schwulenmagazin HIM gestaltete er die Rubrik John Oldays 6-Zeichnungen. 1972 erschien sein Gay Liebesleben Bilderbuch.

Oldays Karikaturen und Comics präsentieren die Stereotypen schwuler Männer seiner Zeit, vor allem Matrosen und Tunten. Viele gelten Strichern. Sie zeigen die damaligen Orte schwuler Begegnungen wie Bars, Parks, Schwimmbäder, Klappen und Sexshops und karikieren peinliche Situationen bei oder nach einem Sexdate.
Einige seiner Karikaturen waren ausgesprochen politisch. Sie klagen die staatliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Sexualität an, kritisieren Polizeieinsätze an schwulen Treffpunkten und fordern die Abschaffung des § 175 (der noch bis 1994 Homosexualität kriminalisierte). Als Anarchist stand Olday der Forderung nach einer gleichgeschlechtlichen Ehe jedoch ablehnend gegenüber. Er verspottete sie als eine Verbürgerlichung von Schwulen und Lesben. Mit ihrer Direktheit haben seine Witzzeichnungen in Deutschland, wo es noch nicht die Comics von Ralf König gab, schwule Männer mit der überzeichneten Darstellung ihrer Lebenswelten teilweise gefremdelt und nicht bei allen Gefallen gefunden.

Olday, der bereits in den 1920er Jahre als Sänger in Hamburger Schwulenbars aufgetreten war, gestaltete Mitte der 1970er Jahre gemeinsam mit dem US-amerikanischen Liedermacher Eskit in London das Cabaret of the Minorities, das sich vor allem um das Leben und die Sexualität von Schwulen drehte und nur am Rande um Lesben. Die während seiner Zeit in Australien entstandene Unzuchtsballade, in der er die in sexuellen Dingen im Land vorherrschende Doppelmoral kritisierte, hatte ihm dort viel Kritik aber auch Zustimmung eingebracht.
Kurz nach der Vollendung seines 72. Lebensjahres erlag Olday seinem langjährigen Krebsleiden. Sein politischer und künstlerischer Nachlass befindet sich inzwischen im Archiv des Schwulen Museums in Berlin.
Folge uns auf Instagram
#Gay Liebesleben Bilderbuch#Arthur William Oldag#Karikatur#Widerstand#Olday