CDU-Direktkandidat für Tempelhof-Schöneberg

Jan-Marco Luczak: „Die Nennung der sexuellen Identität im Grundgesetz macht einen Unterschied“

22. Feb. 2025 Interview: Christoph R. Alms
Bild: Sally B
Jan-Marco Luczak im Nollendorfkiez

Dr. Jan-Marco Luczak ist 49 Jahre alt, seit 2009 Mitglied im Bundestag und tritt als CDU-Direktkandidat für Tempelhof-Schöneberg auch im sogenannten Regebogenkiez Berlins erneut für die Bundestagswahl 2025 an. Was sagt er zur Queerpolitik in den vergangenen Jahren, in denen seine Partei der Opposition im Bundestag angehörte? SIEGESSÄULE-Autor Christoph R. Alms traf ihn im Nollendorfkiez zum Interview

Wie nehmen Sie den Wahlkampf derzeit wahr? Er ist als Winterwahlkampf vor allem sehr kalt. Ansonsten ist er sehr herausfordernd, wir haben eine politisch sehr turbulente Zeit. Viele Fragen und Themen, die uns derzeit auf der Bundesebene bewegen, gerade das Thema Migration, das interessiert auch die Menschen auf der Straße.

Unseren Leser*innen interessieren sich insbesondere für Queerpolitik. Wie positionieren Sie sich dazu, dass laut dem Wahlprogramm der CDU das Selbstbestimmungsgesetz wieder abgeschafft werden soll? Also ich bin da sehr klar. Ich war der einzige Abgeordnete der Unionsfraktion, der bei dem entsprechenden Gesetzesvorhaben in der vergangenen Legislatur nicht dagegen gestimmt hat – ich habe mich ganz bewusst enthalten. Denn ich beschäftige mich mit diesen Themen seit vielen langen Jahren und weiß, wie viele queere und trans* Menschen unter ihrer persönlichen Situation leiden. Es handelt sich hier oftmals um einen jahrelangen Prozess der Entscheidungsfindung, der mit einem hohen Leidensdruck einhergeht. Wir müssen also einen gesetzlichen Rahmen schaffen, der dieses Leiden verhindert.

Worin besteht dann Ihre Kritik am Selbstbestimmungsgesetz? Meine Kritik am Selbstbestimmungsgesetz ist dabei also nicht das Ziel, sondern die Umsetzung, die die Ampel-Parteien gewählt haben, da diese an vielen Stellen eben doch sehr, sehr weit geht. Ich finde es richtig, eine verpflichtende Beratung vorzusehen, die aber ergebnisoffen ist. Man muss sich beraten lassen und kriegt auch etwaige Konsequenzen beispielsweise hinsichtlich der Rechtsfolgen aufgezeigt. So wäre es möglich, eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen. Aber am Ende muss jeder diese Entscheidung selbst treffen und nicht etwa die Gerichte.

Wichtig sind auch weitere Punkte, die zunächst im Entstehungsprozess des Gesetzes zunächst noch vorgesehen waren. So sollte die Änderung des Geschlechtseintrags nach einem Wechsel des Geschlechts den Sicherheitsbehörden gemeldet werden, um dem Missbrauch von Identitäten und Identitätstäuschung vorzubeugen. Dies beruht vielleicht nicht auf riesigen Fallzahlen, aber die Möglichkeit besteht eben. Eine solche Maßnahme hat man jedoch im Gesetzgebungsprozess wieder gestrichen. In der Tat ist also auch das Selbstbestimmungsgesetz im Wahlprogramm aufgeführt. Hier geht es aber darum, das Selbstbestimmungsgesetz nicht als solches zu eliminieren, sondern eine angemessene Regelung zu finden, die jenseits des bisherigen Transsexuellengesetzes eine Transition erlaubt. Das bedeutet, dass wir die überzogenen Teile des Selbstbestimmungsgesetzes verändern wollen, aber natürlich muss es Regelungen für Menschen geben, die einen Geschlechtswechsel vornehmen können.

Wie bewerten Sie die Tatsache, dass es in der Legislaturperiode nicht zu einer Änderung des Grundgesetzes kam, um queere Menschen explizit zu schützen, obwohl es dafür theoretisch eine demokratische Mehrheit gegeben hätte? Vor allem der CDU wird vorgeworfen, diesen Prozess gebremst zu haben ... Ich habe hier eine sehr klare Auffassung: Ich bin für eine Änderung des Grundgesetzes, das auch schon seit Jahren. Ich kämpfe und werbe auch in meiner eigenen Fraktion dafür. Jenseits der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, die ja über Artikel 3 des Grundgesetzes bereits Schutz gewährt, macht die ausdrückliche Nennung der sexuellen Identität einen Unterschied. Das Grundgesetz ist der zentrale Rechtstext, den wir für die Werteentscheidungen in unserer Gesellschaft haben. Durch die Ergänzung der expliziten Nennung wird es überhaupt sichtbar, dass queere Menschen selbstverständlich dazugehören und integraler Bestandteil unserer Gesellschaft sind und deswegen nicht diskriminiert werden dürfen, das hat einen Wert. Die ausdrückliche Erwähnung im Text des Grundgesetzes, dass die sexuelle Identität verfassungsrechtlichen Schutz genießt, verhindert auch, dass Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wieder zurückgenommen werden.

„Die ausdrückliche Erwähnung im Text des Grundgesetzes, dass die sexuelle Identität verfassungsrechtlichen Schutz genießt, verhindert auch, dass Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wieder zurückgenommen werden. “

Ferner ist es wichtig für viele Menschen, die jetzt in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, die mit unseren Werten und mit Homosexualität oftmals nicht nur nichts anfangen können, sondern die dem sogar feindlich gegenüberstehen, in unserem Grundgesetz ein klares, nachlesbares Signal zu finden: Schwule, Lesben, queere Menschen gehören zu uns, sie sind selbstverständlicher Bestandteil unserer Gesellschaft und genießen hier Schutz wie jeder andere auch und sie können leben und lieben wie sie wollen… und das habt ihr gefälligst zu akzeptieren, wenn ihr in unserem Land leben wollt.

Das gilt ja dann auch für Menschen ohne Flucht- oder Migrationsgeschichte … Soll nur die die „sexuelle Identität” aufgenommen werden, die „geschlechtliche Identität” jedoch nicht? Das ist ein schwieriges Thema, am Ende ist es auch eine rechtstechnische Frage. Ich spreche mich für die Aufnahme der sexuellen Identität aus, um die notwendige Zweidrittelmehrheit zusammenzubekommen, die für eine Änderung des Grundgesetzes notwendig ist.

Was halten Sie von politischen Forderungen, die sogenannte „Ehe für alle” für gleichgeschlechtliche Paare wieder abzuschaffen? Um Gottes willen … gar nichts. Ich habe sehr dafür gekämpft und vielleicht auch einen Beitrag dafür geleistet, dass eine Mehrheit im Deutschen Bundestag da war und sich auch etwa ein Viertel meiner Fraktion für die Ehe für alle ausgesprochen hat.

Braucht es in Ihren Augen einen Queerbeauftragten der Bundesregierung? Wir als Union treten insgesamt dafür ein, die Zahl der Beauftragten zu reduzieren. Wichtig ist, dass das Thema Queerpolitik Sichtbarkeit erfährt, es muss auf der Tagesordnung stehen und in den Ministerien einen starken Rückhalt haben. Aber das muss nicht zwingend durch einen eigenen Beauftragten sein.

Kurz und knapp nachgefragt… Regenbogenfahnen an Regierungsgebäuden wie dem BMFSFJ, ja oder nein? Ich habe selbst schon Regenbogenfahnen gehisst. Das gehört zu einer bunten Hauptstadt wie Berlin einfach dazu. Ich glaube auch, dass dies mittlerweile sehr breit akzeptiert ist.

Soll die CDU auf den CSDs Präsenz zeigen? Ich wünsche mir natürlich, dass wir als Union und als LSU dabei sind.

Generisches Maskulinum oder Gendersternchen? Generisches Maskulinum.

Eher ein Schnitzel mit Alice Weidel oder eine vegane Currywurst mit Annalena Baerbock? Die vegane Currywurst, auch wenn sie vegan ist.

Lieber ein warmes Bier mit Markus Söder oder eine alte Brezel mit Friedrich Merz? Ich tunke die alte Brezel ins warme Bier ein… und rede mit beiden.

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