Internationalist Queer Pride Berlin 2024
Die Internationalistische Queer Pride Berlin (IQPB) geht am 27. Juli 2024 bereits zum vierten Mal an den Start. Im Interview mit SIEGESSÄULE äußern sich die Organisator*innen nun zu ihren Plänen sowie zu Palästinasolidarität und Antisemitismusvorwürfen nach dem 7. Oktober 2023.
Organisiert von einem breiten Bündnis queerer antirassistischer, antikolonialer, propalästinensischer und linker Gruppen und Initiativen war die IQPB in den vergangenen Jahren ein Gegenangebot zur großen, eher kommerzialisierten Demo des CSD Berlin e.V. Allerdings war die IQPB in früheren Jahren wegen ihrer Israelkritik umstritten. Das Orga-Team nahm die Interviewanfrage an, unter der Bedingung, dass das Interview per E-Mail erfolgt, und antwortete als Kollektiv. Die Fragen stellte Tarek Shukrallah
Was sind die „Hard Facts“ eurer diesjährigen Demoplanung? Wie sieht die Route aus, wann geht’s los und was steht auf dem Programm? IQPB: Auch in diesem Jahr zieht die IQPB durch Neukölln und Kreuzberg. Für uns ist es wichtig, dass wir durch eine Gegend laufen, die für unsere Bewegungen und Communitys von Bedeutung ist. Für Uhrzeit und Details checkt unser Insta-Profil.
Wen sprecht ihr mit eurem Aufruf an? Wer soll mit euch demonstrieren? Unsere Demo ist für alle, die unsere Haltung teilen, dass queere Befreiung nur durch eine revolutionäre Politik erreicht werden kann: durch rebellische Existenzen, die die Gewalt von Geschlechterbinarität, normative Körper- und Sexualpolitiken, koloniale Unterdrückung, die Kriminalisierung von Sexarbeiter*innen und die ständige ökologische Krise herausfordern. Wir stehen für eine antikoloniale und antikapitalistische politische Perspektive.
In eurem Selbstverständnis schreibt ihr, dass ihr euch in einer antikapitalistischen, antirassistischen, internationalistischen Weise organisiert. Was heißt das? Queere Befreiungskämpfe waren schon immer antikapitalistisch, antirassistisch und internationalistisch. Allerdings werden sie zunehmend neoliberal vereinnahmt: Mit Regenbogenkapitalismus und Homonationalismus wird die militaristische Politik westlicher neoliberaler Staaten – besonders hier in Deutschland – gepinkwasht.
„Mit Regenbogenkapitalismus und Homonationalismus wird die militaristische Politik westlicher neoliberaler Staaten – besonders hier in Deutschland – gepinkwasht.“
Dem stellen wir uns entgegen. Darüber hinaus müssen wir gegen die Strukturen hier in Deutschland kämpfen, die von der Ausbeutung anderer Länder und der anhaltenden europäischen kolonialen Herrschaft weltweit profitieren. Die Forderung nach Gerechtigkeit und Reparationen für die Schäden, die Europa den Ländern der globalen Mehrheit zugefügt hat, ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir sind und bleiben solidarisch mit den Kämpfen für Befreiung, Freiheit und Gerechtigkeit in der ganzen Welt. Dazu zählen Abya Yala, Turtle Island, Congo, Haiti, Iran, Peru, Westsahara, Palästina, Kurdistan, Darfur, die Syrische Revolution, Aotearoa, Tamil Eelam, Kaschmir, Westpapua, die Aboriginal and Torres Strait Islander Peoples, die Amazigh, die Mapuche, die Uigur*innen und alle Menschen, die sich gegen anhaltende koloniale Gewalt wehren. Wir organisieren IQPB, um unsere eigenen Kämpfe zu reclaimen, und lassen nicht zu, dass Queers gegen andere unterdrückte Communitys ausgespielt werden oder unsere Kämpfe als Werkzeug der Unterdrückung gegen andere eingesetzt werden – ob es sich nun um Geflüchtete, Menschen aus der Arbeiter*innenklasse, Muslim*innen, Palästinenser*innen und/oder andere unterdrückte und kolonialisierte Menschen handelt. Keine*r von uns ist frei, solange wir nicht alle frei sind!
Für euch ist Solidarität mit Palästinenser*innen fundamental. Was bedeutet das nach dem 7. Oktober 2023? Wir stehen seit 2021 an der Seite antikolonialer Kämpfe weltweit, auch in Palästina. IQPB wurde damals aus Frustration über antipalästinensischen Rassismus auf früheren alternativen Prides gegründet. Dort wurden unsere Stimmen zum Schweigen gebracht und selbst ernannte „Linke“ haben wegen unserer Palästinasolidarität die Polizei gerufen. Dieses Jahr ist die Internationalistische Queer Pride Berlin angesichts der Verschärfung des Genozids in Gaza, ein Vorwurf, der auch laut der Einschätzung des Internationalen Strafgerichtshofs (IGH) plausibel ist, und der staatlichen Repression und Zensur von propalästinensischen Stimmen, besonders hier in Deutschland, wichtiger denn je. Deutschland liefert massiv Waffen an den Staat Israel und profitiert enorm von diesem völkerrechtswidrigen Krieg. Aufgrund der massiven Unterstützung des Staates Israel in Deutschland rechnen wir damit, dass die Demo auf noch mehr Gegenwind stoßen wird als in den Vorjahren.
Immer wieder ist euch wegen eurer Haltungen zu Palästina/Israel Antisemitismus vorgeworfen worden. Wie geht ihr mit diesen Vorwürfen um? Wir haben uns immer konsequent gegen verschiedene Formen systemischer Gewalt, einschließlich Antisemitismus, gestellt. Unsere Kritik am israelischen Staat richtet sich nicht gegen Juden*Jüdinnen, sondern gegen das gegenwärtige koloniale Apartheitsprojekt, mit seinen ungleichen Rechten für ungleiche Bürger*innen. Die Gleichsetzung von Zionismus und dem Staat Israel mit allen jüdischen Menschen ist selbst antisemitisch, denn es unterstellt allen Juden*Jüdinnen eine bedingungslose Unterstützung des israelischen Kolonialprojekts und macht antizionistische Juden*Jüdinnen unsichtbar. Die deutsche Staatsräson führt aktuell dazu, dass Deutschland zwar den israelischen Staat verteidigt, nicht aber hier lebende jüdische Menschen – insbesondere Juden*Jüdinnen, die sich aktiv palästinasolidarisch zeigen. Jede*n als antisemitisch abzustempeln, die*der die auch laut IGH plausibel genozidalen Handlungen des Staates Israel kritisiert, ist gefährlich und kontraproduktiv. „Nie wieder“ muss „nie wieder“ für alle Menschen heißen.
„Jede*n als antisemitisch abzustempeln, die*der die auch laut IGH plausibel genozidalen Handlungen des Staates Israel kritisiert, ist gefährlich und kontraproduktiv.“
Die IQPB ist nicht die erste alternative Pride-Demonstration in Berlin. Woran knüpft ihr an und was macht euch besonders? Wir sehen IQPB in der Tradition der Stonewall-Riots gegen queerfeindliche Polizeigewalt und Rassismus. Das ist besonders in der aktuellen Situation in Berlin wichtig, wo Polizeigewalt zunehmend auf unseren Straßen präsent ist und propalästinensischer Aktivismus unterdrückt und kriminalisiert wird.
Internationalist Queer Pride Berlin
27.07., 15:00
Hermannplatz
Mehr Infos: instagram.com/ iqpberlin
Folge uns auf Instagram
#antikapitalistisch#antifaschistisch#IQPB#antikolonial#Internationalistische Queer Pride#Internationalist Queer Pride#antirassistisch