„Hör auf zu lügen“ – großes schwules Gefühlskino
Olivier Peyon hat den preisgekrönten Roman „Hör auf zu lügen“ von Philippe Besson verfilmt – mit dem Enkel von Jean-Paul Belmondo als einer der Hauptdarsteller. Ein bewegender Rückblick auf die Liebesgeschichte zweier Teenager, die nicht zusammenbleiben konnten, weil in ihrer Welt der 1980er-Jahre kein Platz für eine schwule Beziehung war
Philippe Bessons autofiktionaler Roman von 2017 erschien ein Jahr später auf Deutsch – mit einem Cover, das anders als die französische Originalausgabe nicht darauf hinweist, dass es um eine Reise in die emotionale Vergangenheit des Autors geht. Eine Reise, die ihn ins Jahr 1984 in ein südfranzösisches Provinznest zurückführt, wo er sich als 17-Jähriger Hals über Kopf in seinen Mitschüler Thomas verliebte.
Die Geschichte beginnt damit, dass der Erzähler Philippe an einer Pressereise teilnimmt, um als inzwischen gefeierter Romancier an einer Veranstaltung eines berühmten Cognac-Unternehmens teilzunehmen. Dadurch kehrt er erstmals zurück an den Ort, in dem er aufwuchs und sein Vater Schuldirektor war. Der hochbegabte Philippe war anders als die anderen Kinder, meist gefangen in Armut und heteronormativen Lebensentwürfen.
Auch der coole Thomas ist gefangen. Die Mädchen rennen ihm hinterher, wollen mit ihm Motorradfahren. Und mehr. Aber der einfache Bauernsohn will das nicht und verführt stattdessen den verblüfften Philippe, der für ihn eine Welt jenseits des Dorfs repräsentiert. Eine Welt, in die Philippe nach dem Abi aufbrechen wird. Und in die er Thomas mitnehmen will. Doch die Verhältnisse sind halt nicht so. Weswegen die Beziehung abrupt endet. Zurück bleibt unendliche Sehnsucht und ein fast überlebensgroßer Schmerz, der alles überschatten wird, was Philippe danach passiert.
Bei seinem ersten Besuch am Ort seiner Kindheit nach 30 Jahren trifft Philippe auf Lucas, der die Pressereise betreut. Dieser stellt sich als Sohn von Thomas heraus ... Ein Schock für Philippe. Lucas erzählt ihm, was mit seinem Vater nach dessen Schulzeit geschah. Aus dieser ergreifenden Story – Kritiker*innen bezeichneten sie als „Brokeback Mountain“ auf Französisch – hat Olivier Peyon nun einen Film gemacht. Die Hauptfigur heißt hier Stéphane Belcourt (gespielt von Guillaume De Tonquédec), die Rolle von Lucas hat Victor Belmondo übernommen.
Gefühlskino oder Kitsch?
Im Vergleich zum Roman ist die Story gestrafft, die Stationen von Thomas‘ Leben mit Ehefrau, Kind und Bauernhof flüchtiger behandelt. Dafür nimmt die Liebesgeschichte der Teenager – gespielt von Jérémy Gillet und Julien De Saint-Jean – breiteren Raum ein.
Zwischen den beiden entsteht nach ruppigem Anfang (Analsex in der Turnhalle mit Spucke als Gleitmittel) eine faszinierende Chemie, die einen nicht loslässt bis zum Showdown, der großes Gefühlskino darstellt. Manche werden das als totalen Kitsch abtun. Man kann es aber auch als Moment der Wahrhaftigkeit sehen. Obwohl der Roman diesen überwältigender schildert, einfach weil Besson den Horror eines Lebens im Prekariat krasser ausmalt als Peyon.
Der Filmtitel bezieht sich übrigens auf eine Mahnung von Philippes Mutter. Als dieser beginnt, erste Geschichten zu schreiben, sagt sie, er solle immer bei der Wahrheit bleiben. Dies tut er mit „Hör auf zu lügen“ erstmals in seiner Karriere. Dabei reflektiert er seine Verletzungen, Sehnsüchte und die Frage, wieso er den Weg zu einem offen schwulen Leben fand, Thomas dies aber nicht gelang.
Hör auf zu lügen,
Frankreich 2022,
Regie: Olivier Peyon.
Mit Guillaume de Tonquédec, Victor Belmondo, Julien de Saint Jean, Jérémy Gillet
Ab 16.11. im Kino
SIEGESSÄULE präsentiert:
MonGay, 13.11., 22:00, Kino International (Preview)
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