HIV-Tests im Arbeitsleben verbieten!
Corona-Kollateralschaden: Eine Veränderung im Infektionsschutzgesetz könnte zu Diskriminierung von Menschen mit HIV führen. Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe fordert klare Worte
In der Krise ticken die Uhren anders. Unseren Alltag hat Corona weitgehend lahmgelegt, Gesetzgebungsverfahren jedoch werden dramatisch beschleunigt. Die Eindämmung der Epidemie verändert auch die parlamentarischen Spielregeln.
So erneut geschehen beim „Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, auch bekannt als „Pandemieschutzgesetz“. Bundestag und Bundesrat haben das Maßnahmenpaket mit Eingriffen in verschiedene andere Gesetze Mitte Mai innerhalb weniger Tage abgesegnet.
Das mag nötig gewesen sein. Feinheiten bleiben bei solchen beschleunigten Verfahren jedoch manchmal auf der Strecke. Obwohl das Kleingedruckte bekanntlich gewichtige Folgen haben kann.
So droht nun ein Kollateralschaden für Menschen mit HIV: Arbeitgeber_innen im Gesundheitswesen könnten Mitarbeiter_innen oder Bewerber_innen in Zukunft häufiger fragen, ob sie HIV-positiv sind.
Dabei spielt eine HIV-Infektion im Job keine Rolle. Eine Übertragung im Arbeitsalltag ist nicht möglich. Zugleich haben Menschen mit HIV mit Diskriminierung zu rechnen, wenn ihr HIV-Status bekannt wird.
Neues Gesetz öffnet Missbrauch Tür und Tor
Es gibt also gute Gründe dafür, warum es unzulässig ist, nach einer HIV-Infektion zu fragen. Das wird rein rechtlich auch so bleiben. Doch das neue Gesetz öffnet Missverständnissen und Missbrauch Tür und Tor.
Der Reihe nach: Paragraf 23 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erlaubt Arbeitgeber_innen im Gesundheitswesen fortan, Daten über Infektionen oder Immunreaktionen (zum Beispiel Antikörper) ihres Personals zu „verarbeiten“. Gefragt werden darf danach ausdrücklich nur zwecks Vermeidung von Übertragungen bei der Arbeit im Gesundheitswesen.
Die Idee entspricht der des Immunitätsausweises: Wessen Immunsystem gegen einen Erreger gewappnet ist – sei es durch Impfung oder eine durchgemachte Erkrankung – kann ihn nicht mehr bekommen und damit auch nicht übertragen.
Die Formulierung wird nun manchen Arbeitgeber_innen im Gesundheitswesen aber gerade recht kommen, die ihre (potenziellen) Mitarbeiter_innen gerne auf HIV testen würden, sei es bei der Einstellung oder im Rahmen von betriebsärztlichen Routineuntersuchungen.
Nicht wenige interessieren sich für den HIV-Status ihrer Beschäftigten
Schon heute interessieren sich nicht wenige für den HIV-Status ihrer Beschäftigten. Sie fürchten – vollkommen zu Unrecht – HIV-Übertragungen im Arbeitsleben, für die sie verantwortlich wären. Andere Ängste und Bewertungen mögen ebenfalls eine Rolle spielen.
Da ein HIV-Test nicht erlaubt ist, wird er manchmal als „freiwillig“ deklariert. Aber was heißt das, wenn man einen Job bekommen oder behalten möchte? Die Ablehnung des Tests macht „verdächtig“. Schon das „Angebot“ ist deswegen diskriminierend.
Als der erste Entwurf des Pandemieschutzgesetzes vorlag, hat die Deutsche Aidshilfe davor gewarnt, dass es ungewollt auf HIV bezogen werden könnte. Wir trafen dabei in der Politik durchaus auf offene Ohren.
Ein Zusatz im Gesetzestext legt nun fest: Die Regelung gilt nicht für Infektionen, die bei einer medikamentösen Therapie nicht mehr übertragbar sind. Das ist bei HIV der Fall. HIV ist also ausgeschlossen, ohne dass es beim Namen genannt wird.
Alles gut also? Leider nein.
Viele Arbeitgeber_innen dürften die Einschränkung nicht verstehen, weil ihnen das Wissen fehlt, dass HIV unter Therapie nicht übertragbar ist. Zudem suggeriert das Gesetz, nur unter Therapie könne jemand im Gesundheitswesen gefahrlos arbeiten. Arbeitgeber_innen könnten glauben, sie müssten testen und gegebenenfalls überprüfen, ob eine Therapie vorliegt.
Das wäre ein fataler Irrtum, denn HIV ist auch ohne Therapie im Arbeitsleben nicht übertragbar. Die Frage nach Infektion und Therapie ist und bleibt irrelevant.
HIV-positive Menschen haben also zwar weiterhin das Recht auf ihrer Seite. Doch wer sein Recht einfordern muss, hat bei HIV oft schon verloren, kommt doch der Protest einem Outing gleich.
Frage nach HIV sowie HIV-Tests im Arbeitsleben müssen verboten werden
Diese Benachteiligung und die Angst vor dem Test im Vorstellungsgespräch muss endlich ein Ende haben.
Es ist Zeit, endlich klipp und klar in ein Gesetz zu schreiben, dass die Frage nach HIV sowie HIV-Tests im Arbeitsleben verboten sind. Es muss von vornherein eindeutig sein, dass rechtswidrig handelt, wer es trotzdem probiert. Was ohnehin nicht erlaubt ist, gehört klar benannt. Damit es keine Ausflüchte mehr gibt.
Ein solcher Hinweis im Gesetz ist schon lange überfällig. Da nun die Bekämpfung der einen Epidemie zu Rückschritten bei einer anderen führt, bedarf es erst recht einer Formulierung, die keine Spielräume für Diskriminierung lässt.
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