Vielfältiges queeres Kinoprogramm

Highlights des Queerfilmfestivals 2024

3. Sept. 2024 Axel Schock, Manuela Kay
Bild: Salzgeber
Die melancholische Romanze „Chuck Chuck Baby“ von Janis Pugh.

Vom 5. bis 11. September präsentiert das queerfilmfestival 18 brandneue und handverlesene Spiel- und Dokumentarfilme aus aller Welt im Delphi Lux. SIEGESSÄULE präsentiert die Queer-Highlights, auf die wir uns besonders freuen

Filme erweitern bekanntlich den Horizont. Wer es sich beim diesjährigen „queerfilmfestival“ im Kinosessel bequem macht, kann sich que(e)r durch die Welt tragen lassen. Und fast immer geht es bei diesen ausgewählten Salzgeber-Neuveröffentlichungen, die bis auf einige Berlinale-Beiträge erstmals in Deutschland zu sehen sind, um die Liebe. Zum Beispiel um die allererste, wie in Anthony Schattemans „Young Hearts“. Hier verknallt sich der 14-jährige Elias heftig in den neuen Nachbarsjungen Alexander und ist völlig überfordert, dass dieser ganz offen mit seinem Schwulsein umgeht. Im neuen Film des Mexikaners Julián Hernández („Raging Sun, Raging Sky“) steht das junge Paar Orlando und Marco – Go-go-Boy und angehender Profitänzer der eine, Krankenpflegeschüler der andere – im Mittelpunkt. Gemeinsam kämpfen sie gegen die titelgebenden „Dämonen der Dämmerung“, die sich ihrer rauschhaften Romanze in den Weg stellen.

Zugegeben, Filmemacher*innen haben es mittlerweile schwer, der klassischen romantischen Liebeskomödie einen neuen Drive zu geben. Der walisischen Filme macherin Janis Pugh ist das mit „Chuck Chuck Baby“ zweifellos gelungen. Ziemlich trist ist das Leben der sanften Seele Helen, das sich einzig zwischen der Pflege ihrer kranken Mutter und der Arbeit in einer Hühnerfabrik abspielt. Doch dann taucht nach 20 Jahren ihre alte Jugendliebe Joane wieder auf. Das ist kein sonderlich origineller Plot, doch Janis Pugh erzählt diese melancholische Romanze mit viel Humor und vor allem viel Musik. Denn was da zufällig aus dem Autoradio schallt oder auf dem Plattenteller liegt, wird von den Charakteren spontan mitgesungen und vermittelt wie in jedem guten Musical die Gefühle besser, als es ein Dialog je könnte.

Elliot Page in „Close to You“

Dramatischer hingegen ist die Liebesgeschichte zweier junger vietnamesischer Bergarbeiter in Truong Minh Quys „Viet und Nam“, deren Beziehung zerbricht, als einer der beiden beschließt, versteckt in einem Schiffscontainer ein anderes, besseres Leben im Ausland zu suchen. Eine sich langsam, aber dennoch überraschend anbahnende Liebesbeziehung gibt es auch in dem kanadischen Independentdrama „Close to You“. Im Zentrum dieses dialoglastigen und emotionalen Films von Dominic Savage steht jedoch die Wiederbegegnung eines trans Mannes mit seiner Familie. In der Hauptrolle: Elliot Page, der als Produzent und Drehbuchautor hier unverkennbar eigene Erfahrungen verarbeitet. Auch in „Frau aus Freiheit“ geht es um eine Transition, doch das polnische Regieduo Małgorzata Szumowska und Michał Englert („Im Namen des ...“) erzählt diese Geschichte einer trans Frau über mehrere Dekaden und entlang der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen Polens. Ein bildgewaltiges Epos.

Wer es künstlerisch und ästhetisch überraschender möchte, wird bei „On the Go“ auf seine Kosten kommen. In diesem überdrehten Roadmovie der Regiedebütantinnen María Gisèle Royo und Julia de Castro brettern ein Grindr- und rachesüchtiger junger Mann („Élite“- Star Omar Ayuso), seine Freundin Milagro, die einen Samenspender sucht, und ein Überraschungsgast die andalusische Küste entlang. Umwerfend!

queerfilmfestival
05.–11.09.
delphi LUX
queerfilmfestival.net

SIEGESSÄULE Tipp: „Kamikaze Hearts“

Bild: Salzgeber
„Kamikaze Hearts“ ein Film von Juliet Bashore, USA 1986.

Zu seinem Erscheinen 1986 überforderte diese Quasi-Doku das Publikum mit seinen Themen Porno, Sex, Drogen und toxischem lesbischen Beziehungsdrama etwas. Heute sind wir schlauer und wissen: „Kamikaze Hearts", von Juliet Bashore ist ein echter Klassiker! Neu restauriert läuft diese Perle dieses Jahr beim queerfilmfestival.

Das Paar, um das sich der Film dreht, Tigr Mennett und Sharon Mitchell, sind von ihren echten Charakteren im Film praktisch nicht zu unterscheiden. Heute würde man vielleicht von „scripted reality" sprechen, wobei es eher wenig scripted und einfach nur schonungslos ehrlich und lebensnah rüberkommt. Tigr – mit dem schönsten Vokuhila der jüngeren Filmgeschichte – hat Sharon bei einem Pornodreh kennen- und lieben gelernt. Nun drehen sie gemeinsam eine Porno-Komödie, basierend auf der Oper „Carmen", Tigr als Regieassistentin und Sharon als Pornostar. Doch das ist nur die dünne Basis für die wirklich unter die Haut gehende Beschreibung einer durch und durch selbstzerstörerischen Liebesbeziehung, die ihren traurigen Höhepunkt im gemeinsamen Drogen injizieren vor der Kamera nimmt.

Außer der atemlos erzählten Pornoromanze, die wehtut, ist der Film zudem ein wichtiges Zeitdokument der 80er-Jahre. Denn die Stadt San Francisco war zu dieser Zeit Schauplatz der beinahe einzigartigen Liaison von sexpositiven Lesben, die sich in Sexarbeit verdingten mit einer breit aufgefächerten BDSM-Szene, einem sich öffnenden Porno-Business und einer lebendigen, wilden Lesbenszene. Ein sehenswertes, unbedingt kamikazeartiges Erlebnis!

„Kamikaze Hearts“
auf dem queerfilmfestival
8. September um 13:45
delphi LUX

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