Her mit dem Selbstbestimmungsgesetz, weg mit der Angstmacherei!
Zum Transgender Day of Visibility am 31.03. kommentiert Nora Eckert das politische Gezerre um das geplante Selbstbestimmungsgesetz
Was war das für ein schöner Sommer, als im Juni letzten Jahres die Familienministerin Lisa Paus und der Justizminister Marco Buschmann vor die Presse traten, um Eckpunkte zu einem Selbstbestimmungsgesetz (SBG) vorzustellen – nämlich als ein zentrales queerpolitisches Vorhaben der Ampelkoalition. Eine historische Chance, fürwahr.
Dass zu dem Zeitpunkt bereits ein Gesetzentwurf versprochen war, lassen wir mal beiseite, denn endlich kam in Sicht, worauf trans* Personen schon so lange warteten: Selbstbestimmt leben zu können und das mit dem richtigen Vornamen und dem passenden Personenstand (Geschlechtseintrag). Genau das soll das geplante SBG regeln und nichts weiter, jedoch anders als das nach wie vor in Kraft befindliche sogenannte Transsexuellengesetz per Selbstauskunft für Menschen ab 18 und ohne entwürdigende, weil pathologisierende Begutachtung.
Mit jeder Verschiebung wuchs die Verunsicherung
Der Gesetzentwurf sollte im Herbst folgen. Doch irgendwo hakte es, und es hieß schließlich: Das SBG würde der Weihnachtsmann bringen. Aus dem Weihnachtsgeschenk wurde bekanntlich nichts und nun gilt das Versprechen, das lang Erwartete im Osternest zu finden. Mit jeder Verschiebung wuchs die Verunsicherung und jeder weitere Monat des Wartens ließ es mächtig brodeln in der Gerüchteküche, während die gegnerische Front bedrohlich anschwoll, bestehend aus „Demo für alle“, „FrauenAktionsBündnis“, „Lasst Frauen sprechen“, Rechtsextremen jeglicher Provenienz, AfD, EMMA und was da sonst noch im gruseligen Chor mitsingt, um den Untergang des Abendlandes als Teufel an die Wand zu malen. Und wie es scheint, hat es dieser Teufel jetzt bis ins Bundesjustizministerium geschafft. Was ist passiert?
Während der letzten neun Monate des bangen Wartens wurde es der trans* Community immer banger. Denn von Zeit zu Zeit trat Herr Buschmann vor ein Mikrofon, um mal laut zu denken. Und mit einem Mal tauchte das berühmte Frauensauna-Thema auf, verbunden mit der Frage, wer denn da überhaupt reindürfe. Frauen natürlich. Aber wer ist eine Frau?
Und plötzlich sah offenbar nicht nur die Anti-SBG-Front lauter Männer vor dem Eingang zur Frauensauna, die sich vorher mal eben beim Standesamt ihren neuen Personenstand abgeholt haben, sondern zu unserer aller Verwunderung sah jetzt auch der Bundesjustizminister diese männliche Warteschlange. Mit Alpträumen und Horrorphantasien mag das zwar etwas zu tun haben, aber nichts mit der Realität. Schließlich gibt es bereits in neun europäischen Ländern Selbstbestimmungsgesetze für trans* Personen – und die haben auch alle Frauensaunen.
Was kommt denn da?
Als vor ein paar Tagen die Nachricht medial die Runde machte, ausgelöst durch einen Text der Süddeutschen Zeitung, der heiß ersehnte Gesetzentwurf zum SBG würde vor Ostern veröffentlicht, gab es erst mal ein großes Aufatmen, gefolgt vom Schreck. Was kommt denn da? Denn zu den bekannten Eckpunkten kam jetzt (laut SZ) eine Drei-Monatsfrist für die Rechtskräftigkeit von Namens- und Personenstandsänderungen, die als „Bedenkzeit“ verkauft wird, sowie ein Passus zur Hausrechtsregelung. Letzteres meint, trans* Personen bei bestimmten Räumen zurückweisen zu können, wenn sie, warum auch immer, optisch nicht ins „Konzept“ passen.
Früher gab es Lokale, da stand „Off Limits“ an der Tür. Gewiss, das galt damals anderen Menschen und war rassistisch, dennoch: So vielleicht? Und ich dachte, der Staat hat Anti-Diskriminierung auf der Agenda und Inklusion als Ziel. Und was ist mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungs-Gesetz (AGG), wo es bereits eine Hausrechtsregelung gibt? Reicht das nicht?
Erinnern wir uns: Das SBG hat laut dem im letzten Jahr veröffentlichten Eckpunktepapier hauptsächlich zwei Aufgaben, nämlich die niederschwellige Zugänglichkeit zu neuem Vornamen und zur Personenstandsänderung. Und beides für Menschen ab 18. Punkt. Schon die Regelung für Jugendliche ab 14, die die Zustimmung der Sorgeberechtigten brauchen und im Verweigerungsfall vors Familiengericht gehen müssen, ist eine arge Zumutung. Man hält die Jugendlichen für nicht reif genug zu wissen, wer und was sie sind, aber für reif und selbstbewusst genug, die Eltern vors Gericht zu ziehen. Und dann die dreimonatige Bedenkzeit, als ob sich trans* Personen einen solchen Schritt nicht vorher überlegt hätten. Was will man damit erreichen?
Liebe Regierung, packt jetzt das SBG in ein Osterei, bindet meinetwegen eine bunte Schleife drum und gebt uns endlich Gewissheit, dass ihr es ernst meint mit der Stärkung von Grundrechten. Im Übrigen haben die großen Verbände (darunter Deutscher Frauenrat und Frauenhauskoordinierung) in diesem Land kein Problem mit dem SBG – das sagen ihre Positionspapiere klar und deutlich. Also, her mit Gesetzentwurf, bitte! Und weg mit der Angstmacherei.
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