Hart im Nehmen: Folsom Europe 2020
Aufgrund der Corona-Pandemie wird das Berliner Fetisch- und BDSM-Festival Folsom Europe in diesem Jahr anders aussehen als gewohnt: Das Straßenfest musste abgesagt werden, stattdessen sind eine Reihe kleinerer Events sowie vom 11. bis 13.09. ein Livestream geplant
Seit 2004 strömen Anhänger*innen der BDSM-, Leder- und Fetischszene aus allen Ecken der Welt im September nach Berlin, um sich bei Folsom Europe zu vergnügen. Zu Beginn waren es knapp 3.500 Besucher*innen, im letzten Jahr belief sich die Anzahl der Teilnehmenden bereits auf rund 25.000. Folsom Europe, als größtes europäisches BDSM-Festival mit Straßenfest in Schöneberg, verschiedenen kinky Partys, Kunst- und Kulturveranstaltungen, zählt heute zu den queeren Berliner Highlights. Selbst im South-of-the-Market-Bezirk von San Francisco, Heimat der namengebenden, seit 1984 existierenden „Folsom Street Fair“, ist die Berliner Fetisch-Fete längst ein Begriff.
Wegen der Corona-Pandemie ist in diesem Jahr jedoch einiges anders. Bereits Easter Berlin, das Leder- und Fetischtreffen vom Berliner BLF im Frühjahr, war wegen Covid-19 gestrichen worden. Ende April verkündigte dann der Vorstand von Folsom Europe e. V. schweren Herzens auch die Absage des Folsom-Straßenfestes. (SIEGESSÄULE berichtete)
Ganz ausfallen wird Folsom Europe 2020 aber nicht, das Festival wandert vielmehr zu einem großen Teil in den digitalen Raum. Vom 11. bis zum 13. September soll es täglich einen Livestream geben, mit Videogrüßen u. a. von der Folsom in den USA und Bildern von Berlinbesucher*innen, die vor Ort sind. Darüber hinaus gibt es Auftritte, Shows und Musik: DJs wie Micky Friedmann haben zugesagt, es gibt Bondage-Shows via Livestream, eine Live-Schaltung zur Folsom-Ausstellung „Unbound“, Comedy, Talk und mehr.
Das fünfköpfige Orga-Team, bestehend aus Alain Rappsilber, Sylvio Jaskulke, Tommy Schenz, Gunter Haake, Mataina Ah-wie-süss und Sven Schindler hatte zur Teilnahme an den Streams eingeladen und so konnten Videobotschaften eingesendet werden. „Wir legen viel Wert auf die Professionalität“, sagt Alain Rappsilber. „Zuschauerinnen und Zuschauer können bei uns mit mehr Content als Hype rechnen. Gutes Bildmaterial, durchdachte Einblendungen. Eigenes Archivmaterial, das wir über die Jahre gesammelt haben.“
„In Berlin steppt weiterhin der Bär“
Dem Team sei wichtig gewesen, gerade jetzt in der Corona-Krise „Lebenszeichen zu geben“, erklärt Rappsilber. „Zum einen geht es darum, der ganzen Welt zu zeigen, dass in Berlin der Bär weiterhin steppt. Das wäre ein wichtiges Signal. Zum anderen müssen wir berücksichtigen, dass zahlreiche internationale Fans von Folsom Europe die Reise nach Berlin schon lange gebucht hatten, teilweise sogar fast ein Jahr im Voraus. Auch wenn viele den Flug und das Hotel stornieren konnten, wäre eine komplette Absage für Liebhaber*innen der Szene ein großer Verlust gewesen.“ Der Verein rechnet damit, dass trotz der Absage des Straßenfests „einige Hundert, vielleicht auch tausend Besucher aus Europa“ zum Folsom-Termin nach Berlin kommen werden.
Seit 2004 hat Folsom Europe mehr als 300.000 Euro für soziale Zwecke gesammelt und innerhalb der queeren Community verteilt, zum Beispiel an Projekte in der Aids/HIV-Prävention. Nun, durch die Corona-Pandemie, ist der Verein jedoch selbst auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Denn auch die abgespeckte Version der Fetisch-Fete ist noch immer recht ambitioniert und einige der üblichen Finanzquellen fallen in diesem Jahr weg. „Bislang haben wir unser Geld aus dem Straßenfest erwirtschaftet“, sagt Rappsilber. Spenden an Folsom Europe e.V. kann man u. a. über Paypal.
Coronagerechtes Alternativprogramm
Doch nicht nur der Verein Folsom Europe e. V. selbst, sondern auch andere Veranstalter*innen und Gewerbetreibende müssen sich auf die neue Situation in Corona-Zeiten einstellen. Zum Beispiel die Veranstaltungsagentur Male.Space, die gerade im Folsom-Kontext immer besonders viele Events auf die Beine stellt – darunter zum Beispiel die „Gay Cigar Lounge“: ein Abend für „alle Zigarren- und Pfeifenmänner und Liebhaber des gepflegten Rauchens“. Auch Male.Space sei natürlich von den derzeitigen Einschränkungen betroffen, erklärt Inhaber Olaf Hartmannsgruber. Für Folsom arbeite er „an einem coronagerechten Alternativprogramm“. Am 12. September gibt es u. a. eine „Fetish Cabaret Show“ im Brunos Store, die auch im Stream übertragen wird. Der Zutritt ist reglementiert und nur mit Codewort möglich, solange Plätze verfügbar sind. Stattfinden wird auch die „Cigarlounge XXL“ in der Pussycat Bar vom 09. bis zum 13.09. immer ab 18 Uhr oder das Get-together „FSB: Fetish Social Berlin“ in der Bar Malu15 am 10. und 12.09., das jeweils um 17 Uhr startet.
„Wir halten uns streng an die behördlich angeordneten Schutzmaßnahmen“, sagt Hartmannsgruber. „Die Zahl der Plätze ist begrenzt, und wir werden Ordner vor Ort haben, um für die Einhaltung der Regeln Sorge zu tragen.“ Fans der Berliner Fetischszene sind eben hart im Nehmen. Von einem hässlichen Virus lassen sie sich nicht unterkriegen.
Folsom Europe 2020
Live Broadcast from Berlin, 11.–13.09.
Livestream unter: folsomeurope.berlin
Infos zu Fetisch-Veranstaltungen: male.space
Folge uns auf Instagram
#FolsomEurope#queer#BDSM#digital#Fetisch#Corona-Pandemie