Geschlechtseintrag ändern: Grüne legen „Selbstbestimmungsgesetz“ vor
Die grüne Bundestagsfraktion hat einen Entwurf für ein „Selbstbestimmungsgesetz“ eingebracht. Unter anderem soll es Operationen an inter* Kindern verbieten und den Prozess erleichtern, mit dem trans* und inter* Personen ihren Geschlechtseintrag ändern lassen können
Am heutigen Mittwoch, den 03.06., wurde ein Selbstbestimmungsgesetz (SelbstBestG) im Bundestag vorgeschlagen. Das Gesetz soll regeln, wie nicht-binäre, inter* oder trans* Personen ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag ändern lassen können. Es soll das noch geltende „Transsexuellengesetz“ (TSG) von 1980 ersetzen, das die Personenstandsänderung für trans* Personen regelt und das bereits seit Jahrzehnten als völlig veraltet gilt und als diskriminierendes Gesetz in der Kritik steht. Laut dem neuen Gesetzesentwurf soll es künftig allen Menschen möglich sein, eine Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung einfach bei einem Standesamt abzugeben.
Außerdem beinhaltet der Entwurf das ebenfalls lange geforderte Verbot von OPs an inter* Kindern (SIEGESSÄULE berichtete), einen Rechtsanspruch auf Gesundheitsleistungen und ein wirksames Offenbarungsverbot – das heißt, dass Personen, die ihren Geschlechtseintrag haben ändern lassen, nicht „zwangsgeoutet“ werden dürfen (z. B. durch veraltete Personalakten). Ein Verstoß gegen das Offenbarungsverbot solle als Ordnungswidrigkeit gelten und mit einer Geldstrafe von bis zu zweitausendfünfhundert Euro geahndet werden.
„Über sein Geschlecht kann nur jeder selbst Auskunft geben“
Den Entwurf zum Gesetz hatte die grüne Bundestagsfraktion mit Unterstützung vom Bundesverband Trans*, der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. und dem Verein Intersexuelle Menschen e.V. erstellt.
„Dieser Gesetzentwurf beendet die jahrzehntelange Bevormundung und Entrechtung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland," erklärte Sven Lehmann von den Grünen in einem Statement zum Entwurf. 40 Jahre nach der Verabschiedung des Transsexuellengesetzes brauche es endlich eine neue gesetzliche Grundlage für die Änderung des eigenen Geschlechtseintrages. „Über seinen Körper, über seine Sexualität und über sein Geschlecht kann nur eine Person Auskunft geben – und das ist jeder Mensch selber."
Fachverbände begrüßen die Initiative
Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti) begrüßte in einer Presseaussendung den Entwurf der Grünen, da er wirklicher Selbstbestimmung „sehr nahe komme" und unrechtmäßige Ungleichbehandlungen abschaffe. Dennoch sehe man bei dem Gesetzesentwurf auch Verbesserungsbedarf: u. a. brauche es noch einen verstärkten Schutz vor Diskriminierung im Arbeitsrecht.
Politischer Streit um den Geschlechtseintrag
Wie man in Deutschland den eigenen Personenstand und Geschlechtseintrag ändern lassen kann, ist immer wieder Gegenstand von parteipolitischen Diskussionen. Neben dem „Transsexuellengesetz" ist auch die neue Regelung zum dritten Geschlechtseintrag „divers" im Personenstandsgesetz umstritten, die es seit Beginn 2019 gibt: trotz gegenteiliger Einschätzung von Fachverbänden besteht das Innenministerium darauf, dass das Gesetz nur für inter* Personen mit einer bestimmten medizinischen Diagnose, nicht jedoch für trans* Personen gelte (SIEGESSÄULE berichtete). Ein diesbezüglicher Beschluss des Bundesgerichtshofs hatte erst vergangene Woche für Kritik gesorgt (SIEGESSÄULE berichtete).
Die Koalitionsparteien hatten im Mai 2019 schon einmal einen Entwurf für eine Reform des Transsexuellengesetzes vorgestellt. Dieser wurde allerdings von trans* und inter* Verbänden als völlig unzureichend abgelehnt und letztlich nicht umgesetzt. Unter anderem kritisierten Fachverbände auch scharf, dass die Bundesregierung ihnen nur 48 Stunden Zeit gegeben hatte, um Stellungnahmen zu dem Entwurf einzureichen (SIEGESSÄULE berichtete).
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Der Entwurf der Grünen für ein „Selbstbestimmungsgesetz“, außerdem ein ähnlicher Entwurf der FDP-Fraktion wurden heute in erster Lesung im Bundestag diskutiert.
Seitens Vertreter*innen der Großen Koalition wurde zwar die grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, das „Transsexuellengesetz“ zu überarbeiten oder es zu ersetzen. Redner*innen der CDU/CSU betonten jedoch, dass sie an einem „objektivierbaren Nachweis“ des Geschlechts festhalten wollen, seien dies Atteste, Bestätigungen oder Gutachten. Der Entwurf der Grünen „überdehne den Begriff der Selbstbestimmung“, sagte etwa Mark Henrichmann für die CDU/CSU-Fraktion. Eine Änderung des Geschlechtseintrags durch einfache Selbstauskunft beim Standesamt, wie der Grünen-Entwurf es vorsieht, führe aus ihrer Sicht zu weit.
Karl-Heinz Brunner von der SPD betonte, wohl auch mit Blick auf die jüngste Verfassungsbeschwerde zum Thema, das Bundesverfassungsgericht werde „früher oder später sagen, das Transsexuellengesetz muss aufgehoben werden.“ Entsprechend müsse schnell ein Konsens zwischen den Fraktionen gefunden.
Demo für Selbstbestimmungsgesetz
Zeitgleich mit der Debatte im Bundestag fand auf dem Platz der Republik eine Demo für ein Selbstbestimmungsgesetz statt, organisiert von Aktivist*innen der Gruppe nonbinary.berlin und der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti).